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LiebesHerz 22.12.2015 12:29

Unbegreiflich
 
Ihr Lieben,
nun bin ich auch hier im Hinterbliebenen-Forum...
Meine Mutter starb am 3.11. in der Nacht; zu diesem Zeitpunkt dann doch unerwartet an einer schweren Sepsis als Folge der Krebserkrankung. Sie hatte keinen Kampf zu kämpfen, keine Schmerzen, keine Qual. Meine erste Reaktion war Erleichterung und große Dankbarkeit darüber dass sie so friedlich gehen durfte. Beim Abschiednehmen im Krankenhaus und bei der Trauerfeier habe ich bitterlich geweint, seitdem floss keine einzige Träne... Ich kann gar nicht sagen wie es mir geht... Da ist einfach kein Gefühl... Ich spüre nichts. Als sie die Diagnose bekam war ich wie in schockstarre aber da fühlte ich extreme Herzschmerzen, konnte nicht schlafen, nichts essen... Und jetzt? NICHTS!
Ich würde so gerne weinen, aber ich fühle einfach nichts. Ich sehe ihr Foto und freue mich zu sehen wie sie mich anlächelt. Aber da muss doch Trauer sein? Wie kann das sein!
Geht es irgendjemanden ähnlich?

Seid lieb gegrüßt von jana

vintage 22.12.2015 14:00

AW: Unbegreiflich
 
liebe jana,

mein beileid.

die psyche schützt vor zu viel belastung und tränen kommen, irgendwann.
es gibt keine norm, wie zu trauern ist.
mache dir keinen druck und sei wie du bist und gehe deinen weg auf deine art.
du musst niemandem beweisen, dass du deine mama geliebt hast.
ihr wusstet/wisst das schliesslich und das zählt.

und trauer, das ist nicht nur tränen. das ist vermissen, begleiten, erinnern, loslassen, weiterlieben....

:pftroest:

tinep 22.12.2015 14:22

AW: Unbegreiflich
 
Hallo liebe Jana,

es tut mir sehr Leid, dass deine Mutter von dieser miesen Krankheit erwischt wurde und es nicht geschafft hat.

Meine Mama kämpft gerade noch beziehungsweise muss den Kampf aufgeben. Sie hatte die Diagnose im Herbst 2013 und seit ein paar Wochen ist sie wirklich nur noch am liegen und auch leicht verwirrt seit einigen Tagen.
Auf mich kommt wohl bald das gleiche zu wie auf dich.

Und ich muss sagen, ich erlebe ähnliches mit der Trauer wie du.
Als es letztes Jahr um diese Zeit hieß, der Krebs ist wieder zurück und man kann nicht mehr viel tun bin ich in ein komplettes Loch gefallen. Nichts ging mehr, nur noch düster hat sich alles angefühlt. Mitleid, Selbstmitleid, Gedanken gingen nur um dieses Thema und ich dachte, es wird nie mehr gut sein.

Jetzt, ein Jahr später, wo es tatsächlich bald so weit ist, bin ich wie abgestumpft. Ich will, dass sie aufhören kann zu leiden. Ansonsten sehe ich das fast schon rational zum Teil. Begnüge mich mit so banalen Gedanken, wie dass eben nicht jeder 80 werden kann und, dass ich schon klar kommen werde. Vielen Leuten passieren schlimme Dinge. So ist das eben. Wie ein Roboter...

Als mein Kollege letztens erfuhr, dass meine Mutter so krank ist, konnte er es kaum glauben weil ich immer gut gelaunt rüber komme. Ich bin aber weder gut gelaunt noch schlecht. So wie du schreibst, irgendwie nichts.

Ich fühle mich öfter auch schlecht deswegen, denn ich liebe meine Mutter wirklich sehr und wir haben ein tolles Verhältnis. Wahrscheinlich ist das auch wieder nur eine Phase, bis es wieder umkippt ins Gegenteil.

Oder wir haben schon akzeptiert, was nicht mehr änderbar ist?

Keine Ahnung, für mich fühlt es sich auch seltsam an.

liebe Grüße an dich Jana,
Tine

Laesperanza 22.12.2015 14:42

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana,
Ja, mir geht es genauso. Mein Mann ist vor 4 1/2 Wochen nach fast 4 Jahren Krankheit gestorben. Nicht unerwartet, aber doch schneller als gedacht. Die 4 Jahre waren geprägt von Hoffnung, Schmerzen (seinerseits) und Angst. Die nackte Angst. Die Angst war für mich das Schlimmste. Ich habe nur noch von CT zu CT gelebt. Jedes Symptom seinerseits (husten, Verstopfung, Rückenschmerzen..) hat mich in den Wahnsinn getrieben und zu stundenlangem googlen veranlasst. Die Krankheit hat (leider) unser Leben bestimmt. Wir haben trotzdem sehr intensiv mit vielen Urlauben gelebt, dennoch war die Krankheit und die Angst allgegenwärtig. Ich vermisse ihn sehr und jeden Tag, aber richtig weinen kann ich nicht. Und ja, ich genieße auch wieder, dass ich meinen Alltag uneingeschränkt planen kann, ohne überlegen zu müssen, geht das überhaupt von der Krankheit her. Ich hätte alles gemacht, um mit ihm alt werden zu dürfen, aber es sollte wohl nicht sein. Viele sagten mir, die Trauer kommt erst nach 6 Monaten. Vielleicht ist es so, vielleicht habe ich auch schon 4 Jahre vorgetrauert. Die Zeit wird es zeigen. Das Einzige was ich habe sind seit 2 Wochen schmerzende Bronchien, aber keine Erkältung. Vielleicht sucht sich die Trauer einen anderen Weg.
Hab kein schlechtes Gewissen. Wir haben uns unser Schicksal nicht ausgesucht. Und wenn Du nicht weinen musst, dann ist das auch ok. Die Menge der Tränen sagt ja nichts über unsere Liebe zu unseren geliebten Menschen aus.

hermannJohann 22.12.2015 15:07

AW: Unbegreiflich
 
Hallo Jana,
zunächst einmal mein Beileid.
Ich habe vor und nach dem Tod meiner Frau ganz unterschiedliche Situationen erlebt, auch die der emotionalen Verleugnung. Nach meiner Erfahrung gibt es keine Abfolge von Trauer_Phasen. Das kann wild durcheinander gehen.
Mit besten Grüßen
Hermann

smeagol 22.12.2015 18:14

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana,

ich habe die Geschichte Deiner Mutter verfolgt, zuerst mein herzliches Beileid.

Ich kann sehr gut nachfühlen, wie es Dir jetzt geht. Nach dem Tod meines Bruders im letzten Jahr war es für mich genauso so. 4 Jahre lang hat sen Kampf gedauert, wir sind seinen schweren weg mit ihm gegangen. In der Zeit, als er an meinem Wohnort in der Klinik lag, es waren 4 Monate, war ich jeden Tag bei ihm. Wir haben zusammen geweint, geschrien und gelacht.

Als er mir und meiner Schwester dann gesagt hat, dass er nicht mehr kann, war es nicht leicht ihn gehen zu lassen, aber es war gut so. Er hat seinen Frieden mit seiner Frau und seinen Geschwistern gemacht und konnte ganz friedlich ohne Schmerzen gehen.

Und da waren dann wir, seine Frau, seine Geschwister, für uns begann eine Phase die ich eigentlich nicht beschreiben kann. Unsere Trauer begann schon lange bevor er gegangen ist. Ich wollte weinen, aber es ging nicht, ich hatte immer sein Gesicht vor mir und wusste ihm geht es jetzt gut.
Warum soll ich dann traurig sein?

Trauern heisst doch auch erinnern an schöne Dinge. Dazu gehören nicht unbedingt Tränen von Anfang an. Bei mir hat es recht lange gedauert, bis er sich gelöst hat, dieser Knoten in der Brust. Dieses Gefühl das Du jetzt verspürst, wird den Tränen weichen, alles braucht seine Zeit.

Als dann in diesem Jahr meine Schwester 10 Wochen nach der schrecklichen Diagnose gehen musste war es ganz anders, wir hatten kaum Zeit zum Abschiednehmen, diese 10 Wochen waren der Horror. Ihre letzten Stunden waren sehr schlimm, das hat sich tief in mir festgesetzt. Jetzt war da rings um uns nur Schmerz, Trauer und Wut, warum schon wieder bei uns.

Mittlerweile tut es nur noch sehr weh, die Wut ist weg, aber die tiefe Trauer ist immer noch da. Ich konnte von Anfang sehr viel weinen und tue es auch jetzt, 10 Monate danach, sie ist am 24.2., genau 9 Monate nach meinem Bruder gegangen, immer noch.

Gib Dir Zeit, jeder Mensch empfindet anders. Du hast Deine Mutter bis zum Schluss begleitet, das musst Du erst einmal verarbeiten.

Ich wünsche Dir für die nächste Zeit alles Gute und vielKraft.

LG
Christel

Yogi 12 22.12.2015 20:47

AW: Unbegreiflich
 
Hallo Jana,

mein herzliches Beileid zum Verlust deiner Mutter.

Nach der Krebsdiagnose meines Mannes war meine Seele verwüstet.
Ich habe so gut wie keine Gefühlsregung gespürt.
Diese Situation in der ich mich länger befand - die früher schon allein in Gedanken daran, dass so was mal passieren könnte, ein absoluter Albtraum war - ließ mich zwar verwirrt aber merkwürdig ruhig und ungläubig zurück.
Doch die Chancenlosigkeit, die keine längere Zeitspanne - mit wenig Chemo- Nebenwirkungen - zuließ, kostete unglaublich Energie, löste Angst und Trauer aus.

Die Gefühlsleere ist - wie vintage schreibt - eine Schutzfunktion des Körpers und der Seele vor zu viel Stress und Schmerz.

Nach der langen Krankheitsphase deiner Mutter kann der Tod erst mal als gnädige Erlösung angesehen werden, denn du hast schon während dieser schweren Zeit sehr gelitten.
Tröstlich ist, dass sie schmerzlos und friedlich hinübergleiten konnte.
Eine halbe Ewigkeit hast du mit ihr verbracht und ich ahne deinen Schmerz, der noch verborgen scheint.

Ich wünsche dir, dass du schon bald dankbar sein kannst, für die Liebe die sie dir geschenkt hat.

Liebe Grüße

Yogi

Zak 23.12.2015 02:55

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana,

Das Gefühl das du beschreibst kenne ich, es hat mich sehr lange beschäftigt, und sehr belastet.. Ich hatte das Gefühl mit mir stimmt irgendetwas nicht... Ingendetwas in meinen Kopf oder in meinen Herzen ist kaputt, mir hat der große Schmerz gefehlt..die ganze Jahre in denen ich meine Mama begleitet habe waren voller Schmerz Trauer Angst..Angst vor den Moment wenn sie geht und dann war der Schmerz nicht so wie ich ihn erwattet hatte..
Ich wollte Schmerz spüren und Tauern so wie es der beste Mensch verdient hat um ihn zu trauen.. Ich hatte schuld Gefühle..
Ich hatte das Gefühl das meine Tränen Kanäle verstopft waren mein Herz taub war und die Gedanken/Erinnerung an meiner Mama gelöscht waren..
Mit der Zeit (1 Jahr ist Mama verstorben) gab es Tage da war das weinen heftigere der Schmerz schmerzhafter aber ich habe das Gefühl bei meiner Trauer noch nicht angekommen zu sein ........

LiebesHerz 23.12.2015 08:18

AW: Unbegreiflich
 
Ich danke euch allen für eure Worte. Ich bin überrascht und sehr froh, dass ich nicht alleine bin und es vielen so zu gehen scheint. Es macht wohl auch einen großen Unterschied, ob man schon vorher einen langen Leidensweg hinter sich hatte oder nicht. Ich hatte immer das Gefühl, von Anfang an zu trauern und mich von meiner Mutter zu verabschieden. Jeder Besuch war geprägt von dem Gedanken "wie lange noch?".
Und dann diese ständige Angst... Auch ich war regelmäßige Benutzerin von Google.. Jedes Symptom wurde analysiert. Immer war ich auf der Hut, die nächste Katastrophe erwartend... Ich weiß noch sehr genau, als ich im Juli diesen Jahres meine Eltern besuchte. Ich war guter Dinge und dachte mir "jetzt lass deine Sorgen und genieße die Zeit... Bis meine Mutter dann sagte "guck mal, irgendwie ist mein Bauch so dick".... Bumms!!!! Ich wusste eigentlich gleich was los war... Habe es versucht, noch ein wenig zu verdrängen..
Kurzum, die Zeit war die Hölle! Jetzt habe ich Gewissheit, das schlimmste was passieren konnte, ist passiert. Damit kann ich irgendwie besser umgehen.

Was mich auch überrascht ist, dass der Tod meiner Mutter das gesamte Familiengefüge durcheinander gebracht und verändert hat. Und zwar im positiven. Die Beziehung zu meinem Bruder und zu meinem Vater ist viel intensiver, mein Vater ist nicht zusammengebrochen wie ich immer befürchtet hatte. Anfangs schon, aber jetzt scheint es ihm recht gut zu gehen und er kümmert sich um Dinge die er vorher immer Mama überlassen hat, kauft Geschenke für Weihnachten etc.. Ich habe von meinem Papa seit Jahren keine Weihnachtsgeschenke mehr bekommen und nun hat er mir strahlend eine kleine Geschenketüte mitgegeben. Eine ganz neue Dynamik..
Ich denke man kann sagen, dass so ein Ereignis und so eine Krise Dinge bewirkt die man vorher nicht erwartet hätte. Keiner weiß wie er reagieren oder fühlen wird, niemand weiß was passiert. Viele Befürchtungen sind unnötig, andere hingegen sind noch viel schlimmer als gedacht.
Bei mir hat das alles eine tiefe Demut vor dem Leben hinterlassen... Mich völlig verändert.

Ich wünsche Euch allen tapferen hier wundervolle Festtage.


Jana

vintage 23.12.2015 09:24

AW: Unbegreiflich
 
liebe jana,

deine worte sind so schön.
ja, das schlimmste ist (schon) passiert und es verändert einen.

:1luvu:

tinep 23.12.2015 13:05

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Deine Worte tun sehr gut. Dass es nicht das Ende der Welt und jeder Freude bedeutet macht mir viel Hoffnung.

Du schreibst auch von der ständigen Angst. Die quält mich auch seit 2 Jahren. Ich lebe weiter weg von meinen Eltern und auch mir ging es so, dass ich bei jedem Besuch Angst hatte ob sie sich sehr verändert hat und bei jedem Abschied Angst, dass es das letzte mal ist dass ich sie "gut beinander" sehe.

Jetzt ist es eingetroffen. Das ist wohl der letzte Besuch hier bei ihr, ich werde nicht gehen bevor sie nicht gehen konnte.

Und so schlimm es ist, ich will sie nicht mehr leiden sehen und ich bin auch für meinen Vater und mich froh, wenn diese ständige Bedrohung die über einem schwebt geschafft ist. Keine Panik vor "was ist nächsten Sommer". Ich kann Urlaubstage verwenden um tatsächlich in einen Urlaub zu fahren. Und ich muss keine Sorge mehr haben dass sie weint und verzweifelt und hofft und doch nur eine Niederlage erlebt. Wie ihr sagt "das schlimmste ist schon passiert" und dann ist es traurig und unbegreiflich. Aber es ist wieder eine konstante da an der man arbeiten kann.

Klingt das egoistisch? Ich hoffe nicht. Jemand hat hier geschrieben "wir haben uns dieses Schicksal nicht ausgesucht"

LiebesHerz 23.12.2015 15:20

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Tinep,

das ist nicht egoistisch. Ich kenne die Gedanken... Nicht mehr morgens angstvoll aufs Handy gucken, planen können, Urlaub genießen... Das alles ist wichtig und ein natürliches Bedürfnis. Ich habe immer versucht, wenigstens im Urlaub abzuschalten, nicht anzurufen zu Hause etc., es hat nicht geklappt. Man kann keinen Urlaub vom Krebs nehmen. Und vor jedem Urlaub gab es immer neue Hiobsbotschaften, es war wie verhext. Nun fahre ich bald mit meinem Mann eine Woche ans Meer und freue mich wahnsinnig drauf! Endlich mal durchatmen.

Alles Liebe!
Jana

DieKathi 27.12.2015 03:59

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana,

ich kann nur sagen, mir geht es sehr ähnlich. Meine Mama ist kurz nach deiner, nämlich am 19.11.15, verstorben und ich habe deine Geschichte auch ein wenig mitverfolgt.
Ich kann weinen, aber nur, wenn ich alleine bin und nie in Gesellschaft. Auch tagsüber merkt man mir glaube ich gar nichts an. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber ich denke, es hat auch viel damit zu tun, dass wir schon lange vorher wussten, wie die Krankheit bei meiner Mutter letztendlich ausgehen wird. So hat man sich jedes Mal irgendwie ein wenig verabschiedet und ich glaube, das spielt eine sehr große Rolle für die Bewältigung der Traue, zumindest in meinem Fall.

Lilie1987 12.01.2016 23:11

AW: Unbegreiflich
 
Ich muss mich nun auch im Hinterbliebenenforum einreihen :(.

Ich bin euch sehr dankbar über eure Schilderungen, wie die Trauer bei euch zum Vorschein kommt. Bei meinem Vater wurde im April 15 Lunkenkrebs diagnostiziert..wir wussten was uns erwartet und es ging auch stetig bergab. Mir ging es in der ganzen Zeit sehr schlecht, ich konnte ihn nicht so leiden sehen, nicht mal in seine müden/traurigen Augen sehen. Ihm ging es ähnlich, er hat sich nicht mehr raus getraut, aus Angst jemand könnte ihn so schwach sehen. Lachen war auch kaum noch möglich.

Ich habe mir immer wieder vor Augen gehalten, dass er bald gehen muss... konnte mich also an den Gedanken gewöhnen. Es ging ihm so schlecht, dass ich zwischendurch hoffte es würde bald aufhören das er vor allem auch seelisch so leiden muss.. (Kann glaub ich nur ein Angehöriger verstehen.)

Er ist jetzt am 06.01. plötzlich im Schlaf verstorben, ohne irgendwelche "Vorankündigungen". Das finde ich sehr tröstlich, zumindest für ihn. Er sah tot so friedlich und glücklich aus aus wie schon lange nicht mehr.

Ich fühle mich ein bisschen schuldig, weil ich denke jetzt ist die Situation für die ganze Familie nicht mehr so schlimm. Mir geht es mmomentan besser als zu der Zeit wo er krank war. Ich habe aber Angst dass mir erst später irgenwann richtig bewusst wird, dass er nicht mehr da ist.

hermannJohann 13.01.2016 14:38

AW: Unbegreiflich
 
Hallo Lilie,
Zunächst einmal mein herzliches Beileid. Schuldgefühle sind nicht nötig. Meine Frau hätte damals zwar auch gerne weiter gelebt, aber nicht unter solchen Bedingungen. Sie hätte sonst nur noch gelitten. So wird es Deinem Vater auch ergangen sein.
Mit besten Grüßen
Hermann

tinep 13.01.2016 14:40

AW: Unbegreiflich
 
Lilie, es tut mir Leid, dass dein Vater sterben musste. Das Leben ist nicht fair.

Meine Mutter ist nun auch verstorben, am 11.01.2016.
Sie kam kurz nach Weihnachten ins Krankenhaus, aber die Ärzte meinten man kann zwar nichts mehr machen aber sie wird wohl noch einige Wochen unter uns sein. Das wollte sie nicht. Sie wollte sterben. Nicht abhängig sein von Pflegern. In so einem scheiß Pflegebett liegen. Ich glaube sie hat den Prozess selbst beschleunigt. 5 Tage nach dem Arztgespräch ist sie eingeschlafen.

Ich war dabei und fand es leider schrecklich. Wir stürmten ins Krankenhaus nachdem sie angerufen hatten, dass es zu Ende geht. Jetzt habe ich dieses grausame Bild im Kopf von den letzten Minuten nachts um halb 5. Innerhalb ganz weniger Stunden in denen wir nicht im Krankenhaus waren ist sie total zusammengefallen, das war nicht mehr meine Mama. 4 Stunden vorher sah sie noch ganz normal aus. Ich wünschte ich hätte das verpasst. Hätte ihr normales Aussehen als letzte Erinnerung.

Ich wollte unbedingt, dass sie nicht alleine sterben muss. Jetzt denke ich sie wollte alleine sterben. Die letzten Tage wollte sie hauptsächlich in Ruhe gelassen werden. Das schlimmste für sie war, dass sie uns verlassen muss und unsere Anwesenheit hat ihr weh getan. Sie wollte doch so gern bei uns bleiben.
Konnte nicht loslassen solange wir immer wieder um sie rumgelaufen sind, noch ein Bussi, noch ein "ich liebe dich."

Vor einigen Wochen habe ich hier noch geschrieben, dass ich total abgestumpft bin. Es mehr oder weniger akzeptiert habe. Das hat sich jetzt wieder gewandelt. Ich finde es nun wieder unendlich unfair. Es ist mir auch kein Trost, dass sie am Ende sterben wollte und ihr Leid nun vorbei ist. Schließlich war das nur so, weil es ihr schrecklich schlecht ging. Eigentlich hätte sie natürlich gerne gelebt. Sie wollte leben. Der Verfall hat sie fertig gemacht. Vor 3 Wochen sagte sie zu mir "Wieso geht das nun plötzlich so schnell"

Mein Vater ist nun alleine, unser Mittelpunkt weg. Ich wohne weit weg, in Berlin. Meine Schwester hat keine Familie gegründet. Es waren eigentlich nur wir 4...Er muss jetzt in diesem Haus leben. Meine Mama war seine große Liebe, sie haben 24 Stunden am Tag miteinander verbracht. Mein Vater meinte, er und seine Frau sind wie eine Person. Die beiden haben nach 46 Jahren Ehe noch gekuschelt wie frisch Verliebte.

Nun wo die Sorge um das Leiden meiner Mama weg ist, geht die Sorge um das Leiden meines Vaters los. Ich zerbreche mir den Kopf was ich tun kann um ihm zu helfen, aber ich kann nicht meine Mutter ersetzen und ich kann auch nicht einfach wieder hier herziehen. Wie hält man das aus...

Lilie1987 13.01.2016 23:26

AW: Unbegreiflich
 
Liebe tinep,
es war sicherlich schrecklich die letzten Stunden miterleben zu müssen. Was hatte sie denn und wie alt war sie? Auch ich hatte Angst vor der Situation..wo man ums Bett sitzt und wartet..bis die Person endlich gehen kann. Ich bin mir sicher deine Mutter hätte gewartet bis du das Zimmer verlässt, wenn sie wirklich alleine gehen wollte.

Mein Vater hat es da uns sehr einfach gemacht, er ist ohne uns friedlich während dem schlafen gegangen. Ich bin mir auch sicher, dass er alleine gehen wollte. Wir waren letzten Dienstag zur Besprechung einer Chemotherapie in der Klinik. Die sagte aber, er müsse erst aufgebaut werden und das Wasser muss aus ihm raus - also stationäre Aufnahme. Mein Vater wollte erst gar nicht bleiben, ich und meine Mutter haben ihn überredet (war wohl auch nicht so gut von uns, aber wir dachten ja er bekäme dann wieder besser Luft). Paar Stunden später war er tot, für jeden absolut unerwartet. Wahrscheinlich wusste nur er es, deswegen wollte er nochmal vorher zwei Eis von mir gebracht haben, obwohl er Probleme mit dem Appetit hatte ;). Ich weiß nicht was besser(schlimmer?) ist, so plötzlich oder doch eher bewusst.

Meine Eltern waren ebenfalls 40 Jahre verheiratet, sehr isoliert, viel zu Hause. Ich mache mir schon immer Sorgen um die beiden wegen der Isolation. Ich hatte dann einfach mal mit meiner Mutter drüber gesprochen. Sie sagte, dass ich mir da keine Sorgen machen muss. Und ganz ehrlich, jeder ist für sich selbst verantwortlich, auch wenns die Eltern sind (hat mir meine Therapeutin verraten). Was nicht heißt, dass man sich nicht um sie kümmern muss! Hast du Kinder? Würdest du dir wünschen, dass sie sich so um dich Sorgen oder sie ihr Leben so umstellen damit du glücklich bist? Oder Herrmann, wie empfindest du das?

Natürlich wird es für deinen Papa schwer, da muss jetzt jeder erstmal selbst durch. Ich bin momentan jeden Tag bei meiner Mutter und wir sind sehr tapfer. Wir wohnen auf einem Dorf und es kamen letzte Woche so viele Menschen zu meiner Mutter die gesagt haben, dass sie für sie da wären, das hätte ich gar nicht gedacht. Sie muss die Hilfe nur annehmen, dazu werde ich sie ermuntern. Du kannst nicht dein Leben für deinen Vater "aufgeben", das will er bestimmt nicht. Ich hoffe das kommt jetzt nicht zu bösartig rüber...ich kann mich nur schlecht ausdrücken.

Bei uns gibt es einige Ehepaare, wo ein Partner früher verstorben ist, zB bei meinen Omas. Die schaffen es ja auch irgendwie?
Es gibt auch tolle Busreisen für ich sag mal Ältere. Das hab ich meiner Mutter gezeigt und sie war sogar begeistert.

Ich lese hier ganz oft unfair, so hab ich das komischerweise noch nie empfunden. Natürlich hätte ich meinem Vater noch viele schöne Jahre gewünscht, dass er Opa wird, mit meiner Mutter alt wird, noch hundert Katzen pflegt und vieles mehr :)
Es geht nun mal nicht nach der Reihe und wir müssen nehmen was wir bekommen :o
Unfair finde ich es, wenn ich Kinder in der Krebsklinik sehe. Da fang ich sofort an zu weinen..

Sorry ich hab viel geschrieben.
Herrmann wie lange ist es denn bei dir her?

Musica 14.01.2016 16:27

AW: Unbegreiflich
 
Hallo ihr Lieben!
Ich muss mich leider auch hier einreihen, da meine Mutter (65.J.) am 21.12.2015 an Magenkrebs verstorben ist. Ab der Diagnose im März ging es ihr jeden Tag schlechter bis wir sie Ende November in Hospiz bringen mussten (was die beste Entscheidung war!!!). Die letzten Tage waren schrecklich für uns alle. Von friedvollem Einschlafen keine Spur.

Aber ich denke, wenn man als Angehöriger so etwas miterlebt hat, kann man sich leichter verabschieden. Uns geht es jedenfalls so. Auch mein Vater hat eigentlich schon wieder begonnen nach vorne zu schauen. Natürlich ist da tiefe Trauer aber es werden schon wieder Pläne gemacht und ich finde das ist ein gutes Zeichen. Er hat meine Mama zuhause gepflegt und ab Anfang der Krankheit die ganze Hausarbeit übernommen, ich habe für die beiden gekocht, was bei einem Magenkrebspatienten eine echte Herausforderung ist! Wir haben immer gewusst, dass "das Schlimmste" eintreten wird, die Frage war nur wann. Als es passiert war gab es nichts mehr, wovor man sich noch fürchten musste.
Jetzt ist mein Papa ganz auf sich alleine gestellt (ist auch alleine im Haus) und macht alles selber - und ich denke er will das auch so. Er weiß, dass wir ihm jederzeit helfen wenn es nötig ist. Ich habe selber schon große Kinder und möchte auf gar keine Fall, dass sie ihr Leben für mich umkrempeln würden . Wenn es einen wirklich nicht gut geht, sollte man das seinen Lieben auch sagen, damit die dann reagieren können.
Liebe Grüße
Musica

Lilie1987 17.01.2016 11:10

AW: Unbegreiflich
 
Hallo Musica,
auch deine Mutter ist zu früh gegangen..ich wünsche eurer Familie viel Kraft.

Als es passiert war gab es nichts mehr, wovor man sich noch fürchten musste. <-- Das hast du schön geschrieben. Ich bin auch etwas ruhiger ohne die tägliche Sorge, wie es ihm geht, wie lang hat er noch usw.

Danke, dass du meine Theorie unterstützt :)
Wie alt bist du denn wenn du schon große Kinder hast?

Musica 17.01.2016 19:40

AW: Unbegreiflich
 
Hallo Lilie!
Danke für deine Wünsche. Ja, ich unterstütze deine Theorie, aber schauen wir mal was da noch kommt. Es ist ja alles noch ziemlich frisch.
Ich bin übrigens 47 und meine Kinder sind 19 und 22 Jahre alt. Groß genug also um das Ganze zu verstehen.

Den Nachmittag habe ich heute damit verbracht, die ganzen Dokumente zusammenzusuchen und zu kopieren, die man für den Notar braucht. Phuu - das ist ja gar nicht ohne, was da alles zusammenkommt. Hat man ja nicht gerade viel Erfahrung damit, nicht war?
LG Musica

LiebesHerz 04.03.2016 18:34

AW: Unbegreiflich
 
Ihr Lieben,

Ich wollte mich mal wieder melden, es ist schon wieder eine ganze Zeit vergangen...
Zunächst allen die hier geschrieben haben und ebenfalls schlimme Verluste erleben mussten, mein aufrichtiges Mitgefühl. Es ist so brutal, jemanden, den man liebt, gehen lassen zu müssen, es zu akzeptieren, zurückzubleiben....


Es hat sich einiges verändert bei mir. Meine Trauer ist präsenter, ich habe aber immernoch nicht begriffen, dass meine Mutter nie wieder kommt..

Die Beziehung zu meinem Bruder wird immer besser, wir sind richtig eng zusammengerückt, ich genieße das sehr!

Mein Vater, der am Anfang so stabil schien, macht leider eine große Krise durch.
Er ist Alkolholiker, hat das trinken aber in den letzten Jahren einigermaßen im Griff gehabt. Mit "im Griff" haben meine ich nicht, dass er jemals lange trockene Phasen hatte, aber er schaffte es immer wieder, längere Zeiten kontrolliert zu trinken, so dass er im Alltag einigermaßen funktionierte. Nach dem Tod meiner Mutter hielt er sich erst tapfer aufrecht, aber sein Konsum wurde immer unkontrollierter. Vor einer Woche rief er mich dann an, total verzweifelt, es ginge ihm so schlecht, er könne nicht mehr. Ich habe ihm dann einen Krankenwagen bestellt, der ihn in die Klinik gebracht hat. Und jetzt ist er in der Psychiatrie und hat eine Entgiftung hinter sich und eigentlich eine Therapie vor sich.... Ich fürchte aber, diese wird er nicht wahrnehmen...
Ich will mich jetzt gar nicht über den Alkoholismus auslassen, das würde den Rahmen hier sprengen und dafür gibt es eigene Foren, aber mir wird immer bewusster, dass mein Vater niemals meine Mutter wird ersetzen können.. Dass auf ihn einfach kein Verlass ist... Dass ich eigentlich beide Elternteile verloren habe. Ich fühle mich manchmal so schutzlos. Ich bin fast 44 Jahre alt und dennoch sehne ich mich nach der Liebe und Zuwendung meiner Mutter.

Ich habe das Gefühl, alles ist anders, ich bin nicht mehr dieselbe und ich muss mich erstmal in diesem neuen Leben zurechtfinden..

Ich schicke euch einen warmen Gruß zum Abend und eine tröstende Umarmung für diejenigen die sie brauchen und möchten.
:pftroest:

Jana

Adlumia 04.03.2016 18:57

AW: Unbegreiflich
 
Hallo LiebesHerz,

ich möchte dir kurz schreiben.
Deine Zeilen sind sehr traurig.
Und ich kann mir kaum vorstellen, wie es gerade in dir aussehen mag. Du hast deine Mutter verloren und wie es scheint, ist dein Vater auch nicht mehr greifbar für dich. Dass du dich in deinem jetzigen Leben fremd fühlst, kann ich verstehen. Es ist schön, dass du mit deinem Bruder enger zusammengerückt bist, auch wenn das nicht über den Verlust hinwegtrösten kann aber vielleicht hast du so das Gefühl, nicht ganz alleine zu sein, da jetzt auch noch viele Sorgen um deinen Vater hast. Für deinen Vater hoffe ich, dass es in seinem Leben doch noch zu einem Wendepunkt kommt, dass er vielleicht auch trotz seines traurigen Verlusts eine Stärke entwickeln kann und die Chance wahrnimmt dem Alkohol zu entfliehen und für seine beiden Kinder stark sein zu wollen, sie begleiten zu wollen und von ihnen begleitet zu werden!

Viel Kraft für euch als Familie!

LiebesHerz 07.03.2016 21:57

AW: Unbegreiflich
 
Ich danke Dir sehr Adlumia!
Irgendwie geht es weiter.
Schön ist, dass ich nach Tagen an denen ich besonders traurig war, oft von meiner Mutter träume... Wir trinken meist gemeinsam Kaffee :o und sie sagt immer, dass alles ok ist und es ihr gut gehe.. Das sind wunderschöne Träume. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, auch nicht an ein Wiedersehen, aber vielleicht gibt es doch etwas, was niemand begreifen kann, eine Art Fortleben der Seele???
Mein Papa hat jetzt die Entgiftung hinter sich und ist wieder zu Hause.. Voller Pläne und Motivation.. Mal sehen was wird..

Liebste Grüße von

Jana

LiebesHerz 18.05.2016 21:04

AW: Unbegreiflich
 
Ihr Lieben,

lange herrschte Funkstille bei mir, jetzt wollte ich mal wieder von mir hören lassen.

Wie geht es mir? Es ist schwer zu beschreiben, wie es in mir aussieht.

Außenstehende merken mir, glaube ich, keine Veränderung an, ich lache, bin meist fröhlich, lebe mein Leben. Dennoch ist da diese Lücke, dieses Loch, das einfach da ist. Schwarz, tief, hohl, leer... Ich habe das Gefühl, die Trauer kommt erst jetzt langsam an die Oberfläche. Anfangs konnte ich kaum weinen, jetzt kommen Tränen...endlich... Und meine Mama fehlt mir immer mehr! Es wird schlimmer, nicht besser. Aber es ist ok für mich. Dieses Nichtfühlen am Anfang, das fand ich schlimmer und auch irgendwie verstörend. Weiterhin träume ich regelmässig von ihr und das ist wunderschön. Letzte Nacht waren wir zusammen shoppen. Und immer sagt sie, dass es ihr gut ginge. Das tröstet mich.

Mein Papa macht sich gut. Er ist weiterhin trocken, dekoriert die Wohnung um, macht Sport. Er ist sehr sehr tapfer. Jeden Abend ruft er mich an und erzählt, wie sein Tag war. Ich finde das schön, aber habe gleichzeitig auch Angst, dies wieder zu verlieren wenn er wieder trinkt. Ich habe kein Vertrauen.

Überhaupt habe ich das Vertrauen in das Leben verloren. Ich weiß nicht, ob das irgendwann wieder kommt, oder ob das einfach der Preis fürs älterwerden ist... Vielleicht ist es normal, das Unbeschwerte und vielleicht auch Naive irgendwann zu verlieren? Ich jedenfalls vermute hinter jeder Ecke etwas schlimmes... Bin immer auf der Hut... Habe panische Angst davor, noch jemanden zu verlieren.

Meine Freundin, die ja an Eierstockskrebs erkrankt war (? Oder noch ist?), ist bisher stabil. Alle Nachuntersuchungen unauffällig! Es ist dennoch wie eine Zeitbombe für mich. Ich weiß nicht was wird falls sie ein Rezidiv bekommt. Habe große Angst davor.
Der Krebs hat sich mit voller Wucht in mein Leben gedrängt! NIEMALS hätte ich gedacht, dass ich meine Mutter an BAUCHSPEICHELDRÜSENKREBS verliere, niemals dass meine beste Freundin ein Ovarialcarcinom bekommt. Wieso die beiden? Wieso dieser fiese Krebs? Ich weiß dass es darauf keine Antworten gibt, ich weiß dass es sinnlos ist, darüber nachzudenken.
Es ist wie es ist. Und wir können nichts tun.

Trotz allem: Ich bin glücklich. Das Leben ist schwieriger geworden, aber auch tiefer. Und ich genieße jeden Tag an dem ich und meine Lieben gesund sind. Es ist das einzige was zählt.

Seid alle lieb gegrüßt!

Eure Jana

Lella 23.05.2016 10:52

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Wie schön von Dir zu hören. Es ist so still geworden hier und der Kaffeeklatsch ist auch ganz eingeschlafen...

Ich kann Deine Gedanken gut nachvollziehen. Und trotz aller Traurigkeit und aller Ängste, klingen Deine Zeilen auch irgendwie versöhnlich... Und ich freue mich, dass Du Deine Tage trotz allem geniessen kannst und glücklich bist.

Ich grüsse Dich ganz, ganz lieb
Lella

LiebesHerz 23.05.2016 21:48

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

wie schön, auch von Dir zu hören!!
Wie geht es Dir denn?

Heute Nacht habe ich mal wieder von meiner Mutter geträumt, diesmal haben wir telefoniert und sie war ganz fröhlich. Sagt immer, wie gut es ihr ginge und dass ich mir keine Sorgen machen soll. Ich würde so gerne daran glauben, dass es vielleicht doch noch irgendwo eine Welt gibt, in der unsere Lieben auf uns warten...

Drück dich ganz doll!!

Jana

Lella 23.05.2016 22:42

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Danke für Deine Antwort :)
Ja, wie geht es mir... Nicht schlecht trifft es wohl am Besten... Meistens ganz gut... Für mich ist aber noch immer absolut unfassbar, was geschehen ist, wie ein anderes Leben... Ich habe oft das Gefühl, meine Seele dosiert das irgendwie alles auf ein erträgliches Mass. Und so sind die Tage vorbei gesaust, bald ein Jahr...

Ich weiss nicht, ob unsere Lieben auf uns warten, ich hiffe nicht! :shocked: nein, Scherz beiseite... Ich glaube fest daran - und das tröstet mich - dass sie irgendwo sind und auf uns aufpassen. Und wenn es draussen 1x donnert, weil seine Lieblingsmannschaft verliert, dann bin ich mir sogar ganz sicher. So wie Deine Mama Dir im Traum sagt, dass Du Dich nicht sorgen sollst. Ich will nun mal einfach glauben, dass das keine Zufälle sind. Und ich bin mir auch sicher, dass es ihnen dort gut geht. Sie vermissen uns vielleicht auch, aber sind verrint mit allen, die sie hier schmerzlich vermisst haben...

Ich drück Dich zurück
Lella

LiebesHerz 26.05.2016 21:11

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

Du hast das so schön beschrieben... Dass deine Seele den Schmerz dosiert... Genauso empfinde ich das auch. Es ist einfach noch so surreal. Ich bin oft noch wie betäubt.

Dass mit dem Donnern beim Verlieren des Vereins Deines Mannes ist wirklich erstaunlich. Ich glaube auch, dass sie um uns sind. Und ich weiß, dass meine Mutter mir Lebensfreude gewünscht hätte. Und nicht gewollt hätte, dass ich traurig bin.

Ich muss mal blöd fragen... Habt Ihr Kinder? Und wie alt bist Du nochmal? Du kannst mir auch gerne per pn antworten, wenn dir das zu persönlich ist.

Ganz liebe Grüße!
:winke:
Jana

Lella 26.05.2016 23:43

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana
Zuerst mal vorne weg, ich hoffe, es ist ok, wenn ich mich hier in Deinem Thread so breit mache... Es ist so still geworden hier, ich "freu" mich immer, wenn jemand von früher hier wieder schreibt (auch wenn hier schreiben echt kein Anlass zu Freude ist...)

Mir geht es ähnlich, es ist so surreal. Gerade vorher habe ich alte SMS gelesen und mir gedacht, das kann doch alles gar nicht wahr sein?!Das ist nicht passiert?! Nicht mir! Nicht uns! Das Wort fassungslos hat eine ganz neue Bedeutung...

Mein Mann hätte nie gewollt, dass es mir schlecht geht. Aber er fehlt einfach überall. Ich komme zurecht im Alltag, war immer schon sehr selbständig und unabhängig... Es sind die kleinen Dinge, die fehlen. Jemand der fragt, ob man gut geschlafen hat oder ob man gut irgendwo angekommen ist. Der gute Nacht sagt und mit dem man über due gleichen Witze lacht. Der 2 Teller aufisst, wenn man gekocht hat und jemand der weiss, was man grad denkt... Sowas halt...

Wir haben keine Kinder, nein. Und ich bin 39... Darf ich Dich das selbe fragen, ich erinner mich nicht mehr an alle Details, wie gesagt, früher war hier so viel mehr los...

Gute Nacht und liebe Grüsse
Lella

LiebesHerz 27.05.2016 16:07

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

es ist überhaupt kein Problem, wenn Du dich in "meinem" Thread "breitmachst", im Gegenteil! Ich freue mich! Ja, es ist wirklich still geworden... Ich hatte auch schon öfter überlegt, ob ich ganz aufhöre, hier reinzuschauen, aber mir sind hier soviele ans Herz gewachsen, dass ich immer hoffe, Neuigkeiten von jemandem, zu erhaschen.
Im Pankreas-Ca Forum lese ich noch viel mit. Wenn ich so lese, wieviele Ängste dort viele ausstehen müssen... Dieses Hangeln von Untersuchung zu Untersuchung. Hoffnung, Enttäuschung. Ich weiß im Nachhinein gar nicht mehr wie ich das alles ausgehalten habe. Dabei bin ich ja "nur" Angehöriger, "nur" Tochter. Trotzdem war diese Zeit die schlimmste meines Lebens.

Wie es wäre, meinen Mann zu verlieren... Ich will gar nicht dran denken.

Aber trotz aller Trauer, die nunmal leider zum Leben dazugehört: wir haben auch nur unser eines Leben und es bringt uns niemand unsere Lieben zurück, wenn wir nur ausdauernd genug trauern. Das Leben hat so wunderschöne Seiten und die kann ich auch neben der Trauer und des starken Vermissens genießen.

Wir haben auch keine Kinder, ich bin 44. Irgendwie konnten wir uns nicht dazu entscheiden, lieben beide die Unabhängigkeit und unser Leben zu zweit.
Wo wohnst Du? Ich lebe in Hannover.

Hab ein schönes Wochendende und sei herzlich gegrüßt!:rotier:

Jana

Lella 27.05.2016 18:00

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Diese Überlegungen haben ich mir schon sehr oft gemacht und dennoch zieht es mich immer wieder hierher, mehrheitlich jedoch zum mitlesen. Die Versuche den Kaffeeklatsch wiederzubelben haben ja auch immer nur ganz kurfristig gefruchtet. Aber es ist wohl wie so oft: Alles hat seine Zeit.

Ich frage mich auch oft, wie man das überhaupt ausgehalten hat, immer noch aushält. Ich glaube auch nicht, dass es für einen Angehörigen zwingend einfacher ist, vor allem dann nicht, wenn man die erkrankte Person sehr nahe begleitet. Klar, man hat keine Krankheit, keine Schmerzen, keine Behandlung mit Nebenwirkungen und muss auch nicht sterben. Aber man muss zusehen, man kann nicht helfen und schlussendlich muss man hier bleiben. Eine liebe Freundin hat mal gesagt: Krebs ist wie Sippenhaft. Man hängt einfadch mit drin. Ob man will, oder nicht, das hat keiner gefragt... Und so leiden auch ganz viele Angehörige immens und manchmal finden sie noch viel weniger einen Umgang mit der Erkrankung als die Erkrankten selbst... Es ist einfach für alle schwer. Es klingt vielleicht etwas makaber, aber der einzige "Vorteil" den ich seit dem Tod meines Mannes habe, ist, dass ich keine Angst merh zu haben brauche. Um ihn. Vor dem nächsten Tag. Meine schlimmsten Ängste haben sich bewahrheitet, schlimmer kann es nicht mehr kommen... Diese Anspannung, dieser Dauerstress, der ist weg. Und darüber bin ich froh, auch wenn ich natürlich nicht froh, bin, dass mein Mann nicht mehr lebt.

Ja, wir haben nur unser eines Leben. Ich weiss, dass viele Trauernde dies nicht so sehen können, auch wenn sie es wollen. Mir hat mein Mann kurz vor seinem Tod gesagt, bitte geh Du Deinen Weg. Und daran denke ich immer, wenn ich hadere, wenn ich zögere und wenn ich nicht weiter weiss. Er wollte, dass ich weiter gehe. Ich glaube, für ihn war es schlimmer uns alle zurückzulassen, als selber gehen zu müssen. Und daher möchte ich ihn nicht "enttäuschen", indem ich mich aufgebe. Und zum Glück habe ich die Kraft bekommen, nicht aufzugeben. Ich möchte nicht mein ganzes restliches Leben nur noch darüber definieren, dass ich meinen Mann verloren habe. Das wird immer ein Teil meines Lebens, meiner Geschichte und von mir selbst sein. Aber nicht der einzige. Und so versuche ich mich in meinem Leben ohne ihn zurechtzufinden und weiterzumachen. Auch wenn das manchmal so schwer ist und er mir so sehr fehlt...

Uns ging es genauso, wir haben uns nie bewusst gegen Kinder entschieden, haben dies aber auch nie vermisst. Ich weiss, Kinder können einem sehr viel geben und sie sind auch etwas, dass vom Partner weiterlebt. Dennoch bin ich "froh" keine Kinder zu haben. Ich weiss nicht, ob ich das geschafft hätte. Für 2 zu trauern, für 2 ein neues Leben zu schaffen. Oder sogar für mehrere. Und ich hätte in seiner letzten Phase nie so für meinen Mann da sein können, wenn wir Kinder gehabt hätten. Dies war die Schlimmste Zeit meines Lebens, aber auch eine wertvolle Zeit.

Ich lebe in der Schweiz,in der Nähe von Zürich.

Liebe Jana, ich wünsche Dir ein ganz schönes Wochenende und freu mich, bald wieder von Dir zu lesen. :winke:
Liebe Grüsse
Lella

LiebesHerz 29.05.2016 10:56

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

ich musste lächeln, als ihr deine Zeilen gelesen habe, denn ich fühle ähnlich wie Du. Die Angst ist weg. Das war im ersten Moment auch eine große Erleichterung, so schlimm das auch klingen mag. Jeden Morgen habe ich sonst auf das Telefon gesehen. Blinkt der Anrufbeantworter ? Wie klingt sie heute am Telefon? Wie lange noch? Wie wird es zuende gehen?? Es war eine unglaubliche Anspannung. Als diese sich löste, war ich zum Teil auch erleichtert. Ich fand es auch schlimm, dass man mit seinen Ängste nirgends hin konnte. Ich wollte meiner Mutter gegenüber stark sein, sie aufbauen und nicht noch zusätzlich "schlechte Stimmung" verbreiten. Auch meinem Papa gegenüber, der auch am Stock ging. Hinzu kam die Erkrankung meiner besten Freundin die psychisch sehr sehr angeschlagen war. Auch hier konnte ich meine Verlustangst nicht äußern. Ich finde , die Beziehungen werden so unehrlich weil jeder versucht dem anderen nicht zur Last zu fallen. Ich bereue es heute sehr, dass ich mit meiner Mutter nie offen sprechen konnte. Wir haben nie über den Tod gesprochen, geschweige denn uns verabschiedet. Das fehlt mir heute. Ich weiß nicht wieviele Ängste sie ertragen hat... Ganz leise, für sich... Hat sie gewusst dass sie stirbt? Sie hat mich in den letzten Tagen immer so flehentlich und panisch angesehen wenn ich gefahren bin.. Das belastet mich heute sehr.
Aber wahrscheinlich findet man immer etwas was im Nachhinein vielleicht "falsch" gelaufen ist, etwas was man bereut..

Bei Zürich? Da war ich am letzten Wochenende! Haben einen Freund meines Mannes besucht der dort wohnt. Schöne Stadt!

Auch dir ein schönes WE!
Ich freue mich dass wir uns schreiben!

Jana

Lella 30.05.2016 09:41

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Ja, es ist schön, dass wir uns schreiben :)

Ich kann Deine Gedanken so gut nachempfinden. Ja, die Erleichterung war irgendwie riesig. Ich war in erster Linie einfach mal froh, dass er nicht mehr leiden musste. Körperlich und vor allem auch psychisch. Und ich war irgendwie auch erleichtert, dass ich nicht mehr leiden musste, unter dieser Daueranspannung, diesem Dauerzustand der Angst, was wohl als nächstes passiert. Dass ich einfach mal mehr als 1-2 Stunden am Stück schlafen konnte.

Treffend was Du sagst, ja, die Beziehungen werden unehrlich. Und leider bleiben sie es auch. Man versucht den Schein zu wahren, niemandem zur Last zu fallen. Ich merke das heute noch. Die meisten Menschen sprechen nicht gerne über Tod und über Krankheit. Und man verschont sie, obwohl es selbst ein Jahr "danach" immer noch das eigene Hauptthema ist. Es ist schwer mit jemandem offen darüber zu reden, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Wer will das schon hören? Ich habe vor kurzem einen Text gelesen dazu, der mich sehr berührt hat. Dort schrieb die Autorin so in etwa: "Der Tod ist wie ein grosser Sarg, der nicht durch den Türrahmen passt".

Ich glaube, man findet immer etwas im nachhinein, ich glaube, das ist normal. Aber es sind auch Gedanken, die einem nicht weiterbringen auf Dauer. Denn leider kann man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Aber weisst Du, wenn Deine Mutter wirklich hätte mit Dir über den Tod reden wollen, dann hätte sie das getan. Oder wenn sie sich hätte verabschieden wollen. Vermutlich hätte ihr das aber selbst zu weh getan und darum hat sie es auf ihre Art und Weise gemacht, still und leise. Und wahrscheinlich hat sie gewusst, dass sie stirbt, aber sie wollte Dich, euch, sich selbst schützen. Es war wahrscheinlich für sie gut und richtig so wie es war...

Liebe Grüsse und einen guten Start in die Woche
Lella

LiebesHerz 02.06.2016 11:29

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

der Spruch mit dem Sarg, der nicht durch die Tür passt, beschreibt es wirklich sehr sehr gut!
Eine Kollegin von mir sagte, als sie erfuhr, dass meine Mutter gestorben war, :"Oh Gott oh Gott, ich will das gar nicht hören. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter nicht mehr lebt... Nein, ich will da gar nicht drüber nachdenken." Das war direkt, beschreibt aber glaube ich, was die meisten Menschen denken. Und es ist ja auch ok. Dennoch fühle ich mich irgendwie nicht mehr zugehörig. Ich kenne niemanden, der seine Mutter nicht mehr hat und du kennst wahrscheinlich auch keine Witwe in Deinem Alter. Ich fühle mich wie in einer anderen Welt, geht Dir das auch so? Ich spüre auch schnell, wenn jemand ähnliches erlebt habe. Neulich war ich bei Freunden und unterhielt mich mit einer, mir bis dahin fremden, Frau in meinem Alter. Ich weis nicht, wie wir darauf kamen, denn eigentlich erzähle ich nicht rum, dass meine Mutter tot ist, aber wir kamen auf das Thema Tod. Sie erzählte mir, dass sie ihren Vater durch Krebs verloren hat und das schaffte gleich eine große Nähe zwischen uns. Irgendwie spürt man diese Wunde in anderen Menschen.

Gestern habe ich mich mal wieder mit meinem Bruder getroffen. Bevor unsere Mutter krank wurde, haben wir uns ca 4 mal im Jahr gesehen, höchstens. Eigentlich nie telefoniert. Jetzt telefonieren wir mehrmals in der Woche und sehen uns einmal im Monat. Der Kontakt ist so wunderschön geworden!
Wir waren essen und hatten einen wirklich wunderbaren Abend. Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, dass wir enger zusammenrücken...jetzt ist es wie ihr Vermächtnis dass wir das auch tun. Er ist ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben geworden.
Hast Du Geschwister?

Lella, ich wünsche Dir eine schöne Restwoche mit ein wenig Sonne. Hier ist seit Tagen immer wieder Unwetter mit Starkregen...

Alles Liebe Jana:)

Lella 02.06.2016 14:54

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Solche Reaktionen kenne ich. Ich kann den Gedanken, den diese Menschen haben auch nachvollziehen. Aber gleichzeitig macht mich eine solche Reaktion unglaublich sprachlos und wütend. Sie verletzten mich. Denn Himmel noch mal, das kann man doch so nicht sagen?! Das kann man denken... Es ist traurig, wie wenig die Menschen wirklich mit dem Thema umgehen können. Ein ernstgemeintes "es tut mir leid" würde doch schon ausreichen...

Es geht mir genauso, es ist treffend. Ich fühle mich nicht dazu gehörend. Und ich weiss auch, dass ich über ein Thema, dass mich sehr beschäftigt nur selten sprechen kann. Ich spreche viel über meinen Mann, erzähle Anekdoten oder Geschichten von früher. Oft merke ich, wie die Menschen dann zusammen zucken. Aber ich will ihn nicht totschweigen, es reicht, dass er tot ist. Und ich spüre auch eine Verbundenheit mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben. Denn ich glaue, bei aller Empathie kann man das einfach nicht nachvollziehen. Ich habe mir das alles ja auch ganz anders vorgestellt.

Wie schön, wie sich die Beziehung zu Deinem Bruder entwickelt hat! :1luvu: Auch bei mir gibt es Beziehungen, die extrem gewachsen sind, seit mein Mann gestorben ist. Und ich bin dafür unendlich dankbar. Ich bin sogar davon überzeugt, dass für einige mein Mann ganz direkt verantwortlich ist, indem er Menschen damit beauftragt hat, für mich da zu sein. Und die sind das ganz wunderbar.

Ich habe keine Geschwister, nein.

Auch Dir etwas Sonne, hier ist es irgendwie ein Mix zwischen Regen, Sonner und grau in grau...

Ich grüsse Dich ganz lieb, hoffentlich bis bald!
Lella

LiebesHerz 06.06.2016 21:55

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

ich glaube einfach auch, dass die Liebe Deines Mannes immer in Dir/ um Dich ist. Ihr scheint eine sehr warme, offene Beziehung gehabt zu haben, auf Augenhöhe, liebevoll aber unabhängig. Zumindest "höre" ich das so raus. Und ich glaube, dass seine Liebe Dich jetzt immernoch trägt. Die Liebe stirbt eben nicht.

Fühl Dich umarmt von Jana!

Lella 26.06.2016 23:17

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana
Schon wieder ist so viel Zeit vergangen, manchmal komme ich einfach nicht zum schreiben. Danke für Deine liebe Worte möchte ich aber dennoch sagen.
Ja, Du hast es gut getroffen, wie Du unsere Beziehung beschreibst. Unsere Beziehung war in dieser Hinsicht sehr speziell, ich habe mit ihm erlebt, wie schön Liebe sein kann, wenn man einfach geniesst zusammen zu sein und nicht besitzen will. Wir haben einander nicht "gehört", aber wir wussten, wir gehören zusammen. Mit allen Höhen und Tiefen. Nein, die Liebe stirbt nicht, auch die Liebe zu Deiner Mama nicht.
Ich würd mich freuen, zu hören, wie es Dir geht.
Liebe Grüsse und eine Umarmung zurück.
Lella

LiebesHerz 09.07.2016 22:28

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella,

Ich habe irgendwie überlesen, dass Du mir geschrieben hast.. Freue mich!

Deine Idee mit dem Blog finde ich wirklich gut und gelungen. Ich finde, schreiben hilft nochmal enorm, alles zu verarbeiten. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich will auch nicht ständig andere damit "nerven", so richtig versteht es ja doch keiner was ich aber niemandem zum Vorwurf mache .
Ich bin gerade auf Amrum, wir fahren hier sehr häufig hin. Auch damals, als meine Mutter krank wurde. Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht mit Gelbsucht und wir sind zwei Tage später losgefahren. Ich stand stundenlang vor meinem Koffer und habe überlegt, ob ich ihn nun einpacke oder nicht, ob ich mitfahre oder nicht. Habe mich dann entschieden mitzufahren. Hier habe ich die Zeit wie in Trance erlebt. Habe pausenlos im Internet recherchiert, auch hier im Forum. Jeden Tag Telefonate mit der Klinik. Es war eine ganz schreckliche Zeit. Aber meine Mutter war noch da... Sie fehlt mir so sehr. Ich bin in einem Moment zum platzen glücklich; heute zB als wir am Strand spazieren fahren und eine Robbe im Wasser beobachten konnten. Die Weite des Meeres, die Sonne, alles das war so schön. Und dann bin ich wieder sehr sehr traurig, vermisse sie so sehr...
Ich träume hier auch wieder viel von ihr.
Meinem Bruder geht es ähnlich. Er hadert damit, dass er sie nicht wie eigentlich geplant war, an ihrem letzten Tag besucht hat, sondern den Besuch auf den folgenden Tag verschoben hat. In der Nacht ist sie gestorben. Niemand hat das doch ahnen können! Oder waren wir alle blind für die Zeichen?
Mit meinem Vater kann ich über den Verlust nicht sprechen. Er lenkt sich durch maßlose Aktivität ab. Aber immerhin säuft er nicht und ich lasse ihn so leben, wie er möchte und am besten klarkommt. Jedem seine Form der Verarbeitung.

Ich genieße die Tage hier dennoch sehr. Ich liebe diese Insel. Wir haben eine sehr schuckelige Wohnung von der man direkten Meerblick hat. Hier sitze ich in einer kleinen, windgeschützten Loggia und gucke aufs Wasser. Es tut so gut.

Du hast mal geschrieben, dass es nie wieder so wird wie früher, dass man sich aber an dieses neue Leben gewöhnen kann, es einfach Zeit braucht, ehe man sich darin zurechtfindet. Genauso empfinde ich es auch. Die Trauer wird immer zu unserem Leben dazugehören, sie wird nie vergehen. Aber wir werden einen neuen Abschnitt unseres Lebens leben. Unfreiwillig zwar, aber auch dieser Abschnitt wird glücklich sein können.

Sei lieb gegrüßt von der Jana :winke:

Lella 13.07.2016 20:17

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Jana

Ich freue mich von Dir zu lesen und auch darüber, dass Du meine Antwort gar nicht gesehen hast. Das zeigt, dass Du nicht mehr so intensiv im Forum liest und Dich lieber mit anderen Dingen beschäftigst... :D

Ich verstehe sehr, sehr gut, was Du meinst. Es ist unser alles übergreifende Thema. Wir haben etwas erlebt, das uns prägt und uns beschäftigt. Und würden gerne soviel darüber reden. Doch für andere ist das schwierig. Und genauso ist es schwierig auch nur so über den Verstorbenen zu sprechen. Ich erzähle so gerne von meinem Mann, auch amüsante oder lustige Dinge. Und doch merke ich bei den meisten Menschen, dass sie nicht wisssen, wie damit umgehen... Die Stimmung kippt, das Thema wird gewechselt oder es kommt allenfalls ein verlegenes Lächeln... Aber er gehört doch zu mir!

Amrun, wie schön! Ich würde so gerne mal auf einer dieser Inseln Urlaub machen, ich war noch nie dort! Aber ich liebe das norddeutsche Klima und das Meer... Aber Urlaub alleine? Geniess es ganz fest!

Jana, nein, ihr habt keine Zeichen übersehen. Ich bin überzeugt, dass Deine Mama ohne euch sterben wollte. Die Sterbenden lesen sich das aus. Mein Mann hat ganz klar bestimmt, wer bei ihm im Zimmer bleiben darf und hat alle anderen regelrecht rausgeworfen. Auch bei meinem Schwiegervater, meiner Schwiegermutter und bei meinem Opa war das so ähnlich. Also, ihr habt nichts falsch gemacht, wärt ihr dort geblieben, hätte sie vielleicht gar nicht gehen können.

Ja, es wird nie mehr sein wie zuvor, aber es ist nicht der Ende des Weges, unseres Weges. Er hat nur eine andere Abzweigung genommen... Schön, dass es Deinem Vater einigermassen gut zu gehen scheint, wenigstens insofern als dass er nicht in seine Sucht zurückgefallen ist. Das ist doch schon mal was. Vielleicht verletzt es ihn zu sehr, wenn er über Deine Mama sprechen "muss"? Jeder geht anders damit um... Der eine mit Aktionismus, der andere mit reden... Aber ich weiss schon, man wünscht sich nichts mehr, als mit den ebenfalls Betroffenen darüber sprechen zu können...

Ich drück Dich, Du Liebe, :knuddel:
:winke: bye-bye
Lella

LiebesHerz 29.08.2016 17:54

AW: Unbegreiflich
 
Liebe Lella, ihr lieben anderen hier,

ich hab lange nicht mehr geschrieben, irgendwie gab es auch nichts Neues..
Nun hätte meine Mutter morgen Geburtstag gehabt.. Der erste nach ihrem Tod. Diese ersten Male sind immer nicht schön und ich spüre meine Trauer wieder deutlich. Ich treffe mich mit meinem Bruder, wir fahren zum Friedhof und danach gehen wir noch essen. Mein Vater war gestern am Telefon betrunken, ich habe ihn zwar eingeladen mitzukommen, aber ich denke nicht, dass wir ihn
morgen sehen werden. Mich macht das zusätzlich traurig, es ist halt immer das gleiche mit ihm. So gerne hätte ich eine Familie die nun fest zusammen steht, von ihm ist diesbezüglich leider nichts verlässliches zu erwarten... Man kann sich seine Sippe eben nicht aussuchen.
Ich habe Angst vor dem Tag morgen... Es ist das erste mal dass ich am Grab bin.

Lella, wie geht es Dir?


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