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Alt 25.04.2011, 16:15
Kleines Kleines ist offline
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Standard AW: Mein Vater hat Lungenkrebs - Gedanken einer Angehörigen

Mein Vater war bis zur Diagnose ein äußerst umtriebiger Mensch.
Er arbeitete noch 12h täglich, am Wochenende war er eigentlich immer unterwegs.

Ich gebe zu, er war nie ein guter Vater. Nicht das, was man sich idealer Weise wünscht. Aber er ist nunmal mein Vater und ich liebe ihn mit all seinen Fehlern.

Es ist furchtbar traurig zu sehen, wie er leidet. Er war ein äußerst drahtiger Mann, oftmals jünger geschätzt, mit viel Energie.

Zu sehen, wie traurig und hoffnungslos er nun ist, tut mir in der Seele weh.
er ist nur noch ein Schatten seiner selbst.

Nur in seiner Nähe schaffe ich es stark zu sein. Weil ich mich zu sehr darüber freue, dass er noch lebt. Er ist noch da. Und nach der Chemo.....
*alles wird wieder gut*
Solange er da ist, verschiebt sich die Realität. Alles ist nur halb so wild.
Es wird auch bessere Zeiten geben.

Wenn er völlig erschöpft von einer kleinen Radtour nach Hause kommt und erzählt, wo er gewesen ist, mit diesem triumphalen Glänzen in den Augen, dann freue ich mich mit ihm.
An manchen Tagen besteht der Triumph daraus, es in den 3. Stock geschafft zu haben.
Doch wenn er glasige, wässrige Augen bekommt, weil er an einem anderen Tag fast unmenschliche Kräfte hat aufbringen müssen, um diese Stufen zu erklimmen, dann kommen mir auch die Tränen.
Wenn er völlig resigniert auf dem Krankenhausbett sitzt und mit leerem Blick nach draußen schaut - dann wünschte ich mir, ich könnte ihn auf irgendeine Weise aufmuntern. Dann wünschte ich mir, wir hätten die Behandlungen hinter uns, er wäre wieder daheim.....

Doch am härtesten Trifft mich dies:
'Kleines, weißt du was, ich möchte tot sein. Einfach weg. Das wäre das Beste.'
Er wünscht sich nichts sehnlicher, als der Lungenembolie, die ihn als erstes ins KH brachte, erlegen zu sein. An dieser Stelle bin ich paralysiert. Unfähig mich zu bewegen, etwas zu sagen.

Ich gebe ihm die Nähe, die er zulässt. Wenn mein Vater unbedingt mit mir Frühstücken will, dann tue ich das. Wenn mein Vater Nachmittags zu Kaffee und Kuchen ruft, dann komme ich. Wenn er Einkaufen gehen will, dann komme ich mit. (Da er wegen eines gebrochenen Wirbels nichts tragen darf)

Ich bin im (vor)letzten Semester meines Studiums. Müsste lernen, zu Vorlesungen gehen.
Aber mein Vater ist mir wichtiger. Für ihn und meine Mutter lasse ich alles stehen und liegen. Wer weiß, wie lange er uns noch erhalten bleibt?
Und wer würde schon von einer fast 70 Jährigen erwarten wollen alles allein zu meistern?

Mein ganzer Tag wird nur von ihm bestimmt.
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