Einzelnen Beitrag anzeigen
  #194  
Alt 11.10.2011, 13:50
Tati P. Tati P. ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 08.09.2011
Ort: Bremen
Beiträge: 197
Standard AW: wer bekommt gerade tac chemo ?

Hey ihr Lieben.

Nach einer üblen Woche bin ich wieder wohlauf. Das Versprechen, dass das neue Medikament gegen Übelkeit TOTAAAL gut wirkt, hat sich leider nicht bestätigt. Das war für die Katz und das dadurch verursachte trockene Würgen war auch alles andere als schön. Manches mal wünschte ich mich doch richtig zu übergeben.
Seit gestern geht es mir aber wieder relativ gut.


@Hoffnung: Genau den Blues, den Du gerade durchlebst, habe ich auch. Wir sind beide im zweiten Durchgang, oder?
Mir geht es weniger um mein Aussehen (dazu gleich mehr), als darum, dass der Weg noch so unendlich lang ist.
Als ich letzte Woche vor mich hingesiecht bin, war mir der Tod schon sehr nahe. Nicht weil es mir so schlecht ging, sondern weil ich einfach nicht mehr wollte. Oft habe ich gedacht, dass jetzt einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen das beste wäre.
Aber so schnell und vor allem schmerzfrei stirbt es sich leider nicht. Und der Gedanke hat mich dann noch mehr runter gezogen.
Alles ist sinnlos, ich mag nicht mehr an "danach" denken, nicht an später, keine Pläne schmieden... einfach nur die Zeit vergehen sehen und das tut sie zum Glück von ganz allein.
Zack, während ich hier schreibe sind schon wieder einige Minuten vergangen, die ich schmerzfrei bin und die mich dem Ende der Behandlung näher bringen.

Mir ist im Moment alles egal und das macht gar nichts. Die Zeit vergeht von ganz allein und das ist toll und das einzig Wichtige.
Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Durchgänge überstehen soll, mir wird übel wenn ich daran denke und ich spiele mit dem Gedanken auf Risiko zu spielen und nur 3 oder 4 Durchgänge zu machen, dann OP, dann Strahlen. Ich weiß einfach nicht, wie ich das noch SOOOO lange durchhalten soll, wenn ich doch nach dem zweiten mal schon aufgeben will.
Aber vielleicht sage ich das nach dem 3. mal auch. Und nach dem 4. und nach dem 5. ... und plötzlich bin ich durch.


Zum Thema Haare:
Vor 7 Wochen noch hatte ich Haare bis zum Hintern. Lang, voll, dunkel, gewellt.
Dann kam die Diagnose und ich ließ sie mir bis zur Schulter abschneiden. Ging ganz einfach und tat nichtmal weh. Es war ok.
Dann kam die erste Chemo und irgendwann fielen die Haare in Büscheln. Da schaute ich mir einige Tage an und ließ sie mir dann von meiner Friseurcousine auf 0,8cm rasieren.
Das war schon komisch, ich sah aus wie ein Mann, erkannte mich kaum im Spiegel, weinte viel...

Letzte Woche Dienstag bekam ich die zweite Chemo und seit Ende der Woche hatte ich große kahle Stellen in dem eh schon kurzen Haar.
Heute habe ich mich mit einem Eimer vor den Spiegel gesetzt und die restlichen kurzen Haare rausgewuschelt/gezupfelt. Sie waren eh lose.
Die Kopfhaut juckte seit Tagen wie verrückt, ich hatte eine Schorf und Talkschicht auf der Kopfhaut, alles schuppte... das war nicht schön.

Und jetzt habe ich seit zweieinhalb Stunden gar keine Haare mehr auf den Kopf (bis auf vereinzelte Härchen, die sich noch festhalten). Alles weggezupfelt, danach die Kopfhaut mehrfach einschamponiert und mit einem rauen Schwamm riiiiichtig abgeschrubbt und jetzt ist alles gut.
Ich fühle mich unendlich befreit!
Während des Haare wegzupfelns fand ich das schon ziemlich scary. Mein Aussehen war so fremd.
Aber jetzt, wo alles weg ist finde ich es nur noch gut und bin sehr zufrieden.

Noch hat mein Gesicht Kontouren, ich habe noch Augenbrauen und wenn auch wenige Wimpern.
Wenn die weg sind, das wird sicherlich nochmal komisch. Vielleicht aber auch nicht, denn das dachte ich vor der Glatze auch.
Ich finde es erstaunlich, wie schnell man sich mit etwas abfinden kann, wenn man es nicht ändern kann.

Vor 7 Wochen noch hatte ich ein sehr weibliches Aussehen, fand mich attraktiv und geizte sicherlich auch nicht mit meinen Reizen. Und jetzt... habe ich keine Haare mehr, fühle mich klein, weinerlich, unnütz und total unweiblich, hasse mich selber und die Welt und frage mich, wie mein Mann es nur mit mir aushält, wenn ich mich selber schon nicht ausstehen kann.
Mein Leben hat sich komplett geändert und inzwischen ist mir vieles so unendlich egal, was mir vor ein paar Wochen noch unvorstellbar wichtig war.

Ich hoffe für Dich und wünsche Dir, dass Du einen Weg findest, damit zurecht zu kommen.
Es ist ein scheiß Trost und ich selber kann es nicht mehr hören, wenn andere sagen (oder man sich das selber sagt) "Wie Du aussiehst ist egal, hauptsache Du wirst gesund".
Es ist nicht egal! Unser Aussehen ist uns wichtig und wir dürfen heulen, schreien, wütend sein, dass wir nicht mehr so aussehen können, wie wir gerne möchten.
Es ändert nichts. Damit müssen wir zurecht kommen. Unsere Leben haben zur Zeit andere Prioritäten. Es wird wieder besser, aber bis dahin ist es ein scheiß langer und schwerer Weg. Durchstehen müssen wir das alleine, das kann uns keiner abnehmen, aber durchleben brauchen wir es nicht allein.


So, die gute Nachricht zuletzt: Mein Tumor ist beim ersten Durchgang, also innerhalb der ersten drei Wochen, einen ganzen Zentimeter geschrumpft. Bleiben noch zwei Zentimeter. Auch die Form ist ganz anders. Er sieht angefressen aus.
Das elende Scheißding stirbt und das ist eine gute Nachricht.


Liebe Grüße sendet Euch die endlich haarlose Tati
Mit Zitat antworten