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Alt 23.03.2012, 12:30
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Standard AW: Chemo bei ProstataCa wird nicht besser

Liebe Gatita,
als ich deinen Beitrag las, dachte ich: Ach - so ähnlich gings mir auch.

Bevor mein Papa starb, nahmen mein Freund und ich uns vor, uns eine gemeinsame Wohnung zu suchen. Er begab sich auf die Suche - ich hatte dafür keinen Sinn, da ich täglich bei meinen Eltern war und "Botengänge" erledigt habe.
Er fand eine schöne Wohnung, ich musste sie natürlich begutachten und wir bekamen auch den Zuschlag. Vor Weihnachten 2007 unterschrieben wir den Mietvertrag, kauften eine Küche und dann wars das erstmal für mich.
Mehr Gedanken konnte ich nicht dafür aufbringen. Die Sorgen um meinen Papa wurden immer mehr und veränderten sich in Angst und Schrecken.

Als Papa Silvester 2007 starb und das neue Jahr begann, begann auch für mich ein komplett neues Leben. Zuerst stand auf dem Plan, dass ich meiner Mama noch 3 Wochen Beistand leistete. Ich blieb bei ihr im Haus, ging arbeiten, organisierte alles rund um Papas Tod (Schriftverkehr).
Erst danach bin ich wieder in meine Wohnung zurück und fing das Packen an.
Umzug lief reibungslos und das neue Leben in einer neuen Wohnung begann.
Ich stand so unter Stress, dass ich kaum Zeit hatte, über meine eigene Trauer nachzudenken bzw. sie "auszuleben", was auch immer man darunter verstehen mag - jeder wie er kann und mag.

Jetzt sind 4 Jahre vergangen und wenn ich manchmal zum Sport fahre, komme ich an meiner alten Wohnung - in der ich mich sauwohl gefühlt habe - vorbei.
Ich kann REIN GAR NICHTS denken, wenn ich das Haus sehe.
Dort fand ein Teil meines Lebens statt, in dem ich sehr glücklich war.
Aber es gab auch einen anderen Teil, in dem ich todunglücklich war (Papa).
Ich empfinde nichts beim Anblick des Hauses. Komisch.
Für mich zählt mein Leben neu ab dem Zeitpunkt von Papas Tod in der neuen Wohnung.

Ich habe nach Erklärungen gesucht, warum es mir dabei so geht.
Gefunden habe ich keine. Ich nehme es einfach an.
Der Stress um diese Zeit war vielleicht gut für mich, sonst wäre ich versunken, hätte mich eingegraben. So war ich gefordert: von meiner Mama, vom Umzug und die ganze Planerei und Erledigungen nach Papas Tod.

Allerdings habe ich 1/2 Jahr gebraucht, als mein Kopf dann endgültig sagte: So, Mädel! Jetzt lass es raus - genau hier und genau jetzt!
Wir waren an der Ostsee im Urlaub. Dort fühle ich mich heimisch, das Meer gibt mir das Gefühl von Geborgenheit, Fliehen können. Die Ruhe und die Entfernung von Zuhause hat mir geholfen, meinen Ballast zu erkennen und rauszulassen. Erst dort wollte ich mich fallen lassen und meinen Gedanken Herr werden.

Ich habe auch danach noch sehr lange getrauert, aber diese Zeit an der See war wie Heimkommen. Dort habe ich zu Papa gesprochen, habe um ihn geweint und mit meinem Freund gelacht.

Gatita, du hast eine große Veränderung vor dir, die dir vielleicht auch hilft, deine Gedanken zu sortieren, einiges zu klären, was dich innerlich beschäftigt.
Man muss von ganz alleine Dinge bewegen, damit sich was ändern kann.

Vielleicht bringt der Stress dich einen Schritt weiter, damit du nicht mehr in deiner unendlichen Trauer versinkst, sondern kleine Schritte nach Vorne machst, die dich weiterbringen können.
Ich wünsch es dir.

Und allen anderen wünsche ich ein schönes Wochenende.
Endlich ist die Sonne da
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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