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Alt 29.04.2012, 12:02
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Befinden nach OP

Hallo Nicco,

Du schreibst weiterhin nur von "Tumor". Als was hat es sich denn nun herausgestellt?

Das mit den Obstsäften ist so eine Sache. Gut gemeint, kann aber zur Tortur werden. Der ganze Schluck- und Riechbereich ist doch miteinanderverbunden. Ein zu scharfes Getränk / Obst oder auch eins mit viel Säure zieht durch die ganzen Nebenhöhlen und das kann ganz schön brennen. Also bitte zwar anbieten, aber nicht drängen, wenn sie es ablehnt. Der Heilprozeß ist doch noch mittendrin. Die erste Zeit ist der Körper voll mit den Narkosemitteln und dem körpereigenen Adrenalin. Wenn beides abgebaut ist, schlägt die körperliche Belastung durch den operativen Eingriff mit seinen Nachwirkungen, aber auch des mentale und geistige Verarbeiten, voll zu. Im Grunde wird man auf Null runtergefahren. Es kommt dann noch daraufan, wie weit die Operation ausgedehnt wurde. Um richtig an die Nebenhöhlen heranzukommen, wird der Hals überdehnt, Nackenschmerzen und -probleme sind da vorprogrammiert. Von daher beim Arzt die Freigabe der Physiotherapie erfragen und am Besten einen Physiotherapeuten mit Erfahrung im Kopf-Hals-Bereich aufsuchen. Du kennst Deine Frau am Besten, weißt also, ob sie vor der Erkrankung ein aktiver oder doch eher die Kategorie "komm ich heut nicht..." -Mensch ist. So ein Heilprozeß, gerade im Kopf-Hals-Bereich, ist anstrengend und kostet eine Unmenge an Kraft. Kraft, die ein Außenstehender nicht ermessen kann. Bitte nicht falsch verstehen, aber diese Erfahrung habe ich in den letzten Jahren mehr als genug machen müssen, was ebenfalls Kraft kostet . Ihr als Angehörige möchtet uns helfen, aber manchmal schießt es auch über das Ziel hinaus. Ein schwerer Balanceakt für Euch, weiß ich, bin ja selber auch Angehörige.

Ein Beispiel aus den von mir besuchten Patientenveranstaltungen der Uniklinik: Eine Angehörige berichtete dem Sportmediziner mit onkologischen Hintergrund, dass sie ihren Mann regelrecht nötigen muss zweimal in der Woche mit ihr walken zu gehen und er dann immer so schlapp ist (Monate nach der OP). Nach ein paar Fragen an den ebenfalls anwesenden Mann sagte der Mediziner der Frau, dass sie ihren Mann die Kraft, die er sich langsam aufbaut, jedes Mal wieder rauben würde, weil er eigentlich die Kraft nicht hat, die er für diesen walken braucht, also nutzt er die Kraft, die er hat, um seiner Frau ihren Willen zu geben. Ein Teufelskreis. Verständicherweise war die Dame mehr als sprachlos und hoffentlich lässt sie nun ihrem Mann das Tempo bestimmen. Denn nur so kann es gehen. Also bitte beim Helfen immer dosieren. Manche Dinge gehen einfacht nicht. Je nach Individuum heißt es vielleicht auch statt "ich will nicht" "ich kann nicht" . Hier liegt vielleicht das größte Problem für beide Parteien.

Auch dürfte die Verpflasterung im Gesicht für Deine Frau ein Grund sein nicht auf die Straße zu gehen. Nicht jeder geht damit einfach zum Arzt/Einkaufen, das Anstarren ist so eine Sache. Es gibt anstarren und anstarren. Damit muss man auch erst lernen umzugehen. Und hier ist Deine Frau gefragt. Verstecken hilft nichts. Ihr Unbehagen wird dadurch nicht weniger, im Gegenteil. Da spielt das Kopfkino dann verrückt. Wie macht sie es überhaupt mit den Besuchen in der Chirurgie? Die kommen doch nicht ins Haus.

Sorry. Das sind meine Gedanken als Betroffene dazu. Ein Teil meiner Operationen fand ebenfalls im Gesicht an einer schwer operierbaren Stelle statt, so daß ich das Vergnügen hatte letztendlich mehrere Monate mit Verpflasterungen im Gesicht durch die Gegend laufen zu müssen und auch eine zeitlang mit Strohhalm mein Essen zu mir nehmen zu dürfen.
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