Einzelnen Beitrag anzeigen
  #10  
Alt 26.09.2012, 12:51
Daddy´s Girl Daddy´s Girl ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 17.08.2012
Ort: Niederösterreich/Wien
Beiträge: 26
Standard AW: Daddy's Girl - Vater mit Lungenkrebs

Hallo, hier bin ich wieder!

Die letzte Zeit war ziemlich stressig und sehr schlimm für uns. Jetzt muss ich einiges los werden und wenn das jemand lesen will, sollte er sich Zeit nehmen, denn es sind so viele Gedanken und Gefühle, die die letzten Wochen in mir hoch kamen.

Nach meinem Gespräch mit dem Oberarzt, musste mein Daddy gleich im KH bleiben. Er war in so einem schlechten Zustand, dass sie ihn für ein paar Tage behalten wollten. Der Tumor war wieder gewachsen.

Papa war verzweifelt, weil er im Spital bleiben sollte, weil der Tumor gewachsen ist und weil der Oberarzt mit mir alleine sprechen wollte. Er hat mir lange nicht geglaubt, dass mir der Arzt keine Zeit, die ihm noch bleiben würde, gesagt hat.

Sein Zustand verbesserte sich unglaublich, nachdem er künstliche Nahrung bekommen hatte. Übelkeit und Wasser blieb weiter. Mit den Schmerzen ging es aber. Bei einem späteren Kontrolltermin sollte abgeklärt werden ob er eine neue CHEMO-Tablette bekommen würde....da er für eine erneute Chemo zu schwach war. Hat jemand Erfahrung damit?

Weiters wurde ihm auf meinen Wunsch (Papa wurde lt. Oberarzt bereits vor einigen Monaten darauf angesprochen..und er lehnte es ab) die Leiterin vom Palliativteam vorgestellt. Und ich bin froh, dass er sich überreden hat lassen.
Der vertraute er auch an, dass ihn was beschäftigt, was er loswerden möchte und zwar dass er sein Leben lang gearbeitet hat und für seine Kinder keine Zeit hatte. Ich hab das nie so eng gesehen, aber er macht sich da voll Vorwürfe.

Als es ihm besser ging, durfte er wieder zurück in sein geliebtes Zuhause. Aber irgendwie ging wieder alles von vorne los. Kurzfristig hatte er schon Probleme mit der Atmung.

Er fiel in den Gartenteich, weil er sich weg schlich um das Schilf aus dem Teich zu ziehen. Zum Glück sah Mama, wie er sich die Leiter holte, um über den Zaun zu kommen, doch als sie dort war, lag er schon drin. Meine Mama kann nicht schwimmen und hat es zum Glück geschafft ihn mit einem Stiel eines Gartengerätes rauszuziehen. (Man bedenke dieser Mann hat keine Kraft, die Stufen sind durch Algenansammlung rutschig und der Teich ist mittig 2m tief)
Ein Tiefpunkt für Papa, er wäre zu nichts mehr zu gebrauchen.

Ähnlich auch was das Autofahren betrifft, er sitzt oft stundenlang verzweifelt und versteht nicht, warum er nicht mit dem Auto fahren darf....aber er sieht nicht ein, wie gefährlich es ist, wenn er schon, während dem Reden, durch das Morphium aber auch durch die Krankheit, einschläft, und in der Küche mit runtergefallenen Zigaretten Brandlöcher verursacht...das könnte auch anders ausgehen.
Deshalb versuchen wir, dass Rund um die Uhr jemand bei ihm ist.

An einem anderen Tag war meine Mutter in der Nacht auf der Suche nach ihm ...und konnte ihn schließlich im Bad finden. Er ist hingefallen, mit dem Kopf und dem Rücken gegen Waschbecken und Unterschrank. Es war richtig schlimm. Niemand da, der ihr helfen konnte, und meine Mama darf eigentlich nichts heben.

Bei seinem Kontrolltermin vergangenene Woche musste er bereits gestützt werden, da er es alleine nicht mehr geschafft hat. Es wurden nur Ultraschall und Blut gemacht. Er ist einfach so schwach. Er hat auch wieder abgenommen. Und ist ständigt von der Wohnzimmer-Couch runtergefallen, wenn er eingeschlafen war.

Zur Befundbesprechung musste er dann vergangenen Freitag. Besprochen wurde kaum etwas, weil Papa gleich mit Verdacht auf Schlaganfall aufgenommen wurde. Er hatte die ganze Woche schon Probleme beim Gehen oder Abstützen auf den Arm, alles rechts. Aber am Freitag war es schon sehr schlimm, er konnte kaum Sprechen und der Mundwinkel hing runter.

Nachdem er aufgenommen war, starrte er nur in die Luft und reagierte nicht auf meinen Bruder und meine Mama. In der Nacht rief er an und war ganz verwirrt, sie hätten ihn aus dem Spital geschmissen...und wir müssen ihm das glauben und ihm das Auto bringen....
In dieser Nacht konnte man glauben, er würde keine weitere mehr haben.

Am nächsten Tag ein neuer Tiefpunkt seit seiner Erkrankung ... die Diagnose ... kein Schlaganfall, Hirnmetastasen, das wurde ihm einfach so gesagt. Der Verdacht darauf ließ nicht aus, aber dennoch war es für alle ein schmerzhafter Schock.

Aber Papa war wieder wie ausgewechselt, die Ärzte und Schwestern haben ihn wieder aufgepäppelt und uns allen Hoffnung gemacht. Ohne Behandlung ist plötzlich das Wasser weg...von einem Tag auf den andern...nach 3 Monaten.
Er solle nun Bestrahlung für die Kopfmetastasen bekommen, ziemlich weit weg von Zuhause.

Aber ich weiß nicht was ich von all dem halten soll. Wir dachten die Hoffnung wäre gestorben und nun geht es uns wieder besser, weil er gute Chance hätte....
Ich weiß nicht....

Den Tumor in der Lunge und an der Niere darf man nicht vergessen und die vielen vielen anderen Metastasen.

Dennoch klammert man sich an jedes winzige Fünkchen Hoffnung und es geht einem gut wie schon lange nicht mehr, und dann kommt vielleicht wieder der nächste Schlag ins Gesicht und irgendwann gibt es keine Hoffnung mehr.

Man entwickelt unglaubliche Kräfte und dennoch ist man verloren.

Dazu kommt, dass meine Tochter im September in die Schule begonnen hat und ich in einer Zwickmühle stand, wie ich es zeitlich schaffen soll Papa im Spital zu besuchen und danach aber auch zu Hause.
Weil ich doch so gern alle Zeit der Welt die uns noch bleibt mit ihm verbringen möchte, nur wir wohnen eine Stunde weg von meinem früheren Daheim und auch vom Spital.
Für die Kleine ist alles neu, da kann ich sie nicht gleich zu Hause lassen, um die Dinge zu erledigen, was zu den Wichtigsten gehören. Dann geh ich arbeiten, wo ich vergangenen Samstag heulend heim gegangen bin.
Denn nichts auf dieser Welt sollte im Moment wichtiger sein, als meine Familie, mein Kind, dass weinend fragt warum, und vor allem mein Vater.
Aber das Leben spielt so, man MUSS in die Schule und man MUSS arbeiten gehen und kann nicht einfach mal daheim bleiben, wenn es einem nicht gut geht. Bei meinen Diensten bleibt mir leider meist nur der Sonntag, und das ist zu wenig.

Naja, wir werden weiter kämpfen, auch wenn man uns jetzt wieder einen riesen-schweren Stein in den Weg gelegt hat.

Allen anderen Danke fürs Lesen, und allen Betroffenen gebt nicht auf, ich wünsch euch viel Kraft.

LG,
Andrea
Mit Zitat antworten