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Alt 04.10.2012, 23:23
Seestern09 Seestern09 ist offline
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Standard AW: Meine Mama mit dem Ars...... im kopf

liebe laura,

ich habe eine weile nicht mehr bei dir gelesen. vielleicht weil ich selbst nicht wollte, dass das passiert, was nun passiert ist. mir kamen die tränen bei deinen einträgen. manchmal frage ich mich, warum ich mir das antu, doch immer wieder sowas zu lesen und danach fix und fertig zu sein. ich weiß es nicht.. vielleicht hilft es mir, das erlebte auch weiter aufzuarbeiten und mich so damit zu zwingen? denn deine beiträge erinnern mich so an meine geschichte diesen jahres. es tut mir so weh, zu lesen, dass du in diesem moment todtraurig zu hause bist und angst um deine mum hast. denn so ging es mir auch jeden tag. zum schluss wurde ich sogar etwas zornig, weil sie einfach nicht gehen wollte. das hat mich nervlich einfach so belastet, jeden tag sie in so einem eledigen zustand zu sehen. im nachhinein bin ich froh, dass ich sie doch noch so lang bei mir haben konnte.
ich finde es gut, dass deine mutter es noch in hospiz geschafft hat. ich war über die hilfe unseres hospizes sehr froh. so konnten wir jede minute mit ihr verbringen und mussten uns nicht um pflegerische maßnahmen bemühen. auch die aussegnung war so herzlich gestaltet. sie hatten ihr überall blumen auf dem körper verteilt und die hände überkreuzt und dazwischen das kuscheltier gestellt, was ich ihr mitgebracht hatte. dieses bild werde ich wohl nie vergessen. nun ist das ganze über 4 monate her, es kommt mir gar nicht so lang vor. sie fehlt mir einfach so unendlich. aber der moment, wo ich sie tot dort lagen sah mit einem lächeln im gesicht, war ich nur erleichtert. ich war froh, dass sie nicht mehr diesen qualen ausgesetzt war und endlich frei war. aber zudem wusste ich auch, wie gern sie leben wollte und bei mir sein wollte. und wo sie dann im sarg nach draußen gebracht wurde.. es war einfach nur schrecklich.

aber jetzt muss ich sagen, komme ich trotzdem immer besser damit zurecht. ich habe nicht das gefühl, dass sie fehlt. es ist unbeschreiblich. ich fühle sie immer bei mir und wenn ich manchmal nicht wieter weis, dann frage ich sie innerlich nach rat, was sie jetzt wohl machen würde. und irgendwie kommt mir dabei auch immer ein gefühl, das mich wissen lässt, wie ich es zu machen habe. ich habe auch nicht mehr das bedürfnis sie anzurufen, was mir in der ersten zeit sehr gefehlt hat. ich weiß, dass sie nicht mehr ran geht. und ich habe kein bedürfnis mit ihr zu reden und ihr von meinem tag zu erzählen, weil ich das gefühl habe, dass sie sowieso alles mitbekommt, was ich mache. klar sitze ich auch mindestens 2x die woche noch da und heule vor mich hin, weil ich es einfach noch nicht verstehen kann und die bilder nicht aus dem kopf bekomme, wie elend sie aussah. aber ich fühle sie bei mir, jede minute und dazu muss ich sagen, dass ich nicht gläubig bin und nie an irgendwas geglaubt habe. aber seitdem sie tot ist, empfinde ich doch irgendwie etwas übermächtiges.

was ich dir damit sagen möchte, ist, dass ich deine situation absolut nachempfinden kann. es macht mich auch unendlich traurig, dass du so ein schicksal miterleben musst und zusehen musst, wie auch deine mutter von so einem tumor aufgefressen wird (meine mama sagte übrigends immer, dass sie den tumor den krähen zum fraß hinschmeißen will..wenn ich daran denke, muss ich immer lachen, wie hoffnungsvoll meine mum noch war, um so scherzen zu können). trotzdem hat mich diese ganze sache verändert, älter gemacht (ich brauchte sogar gleich eine stärke mehr bei meiner brille xD) und auch reifer gemacht. ich denke jetzt über manche dinge anders, lebe anders, bewusster und intensiver. rege mich nicht mehr über so viele kleinigkeiten auf und nehme menschen auch anders wahr. auch wo mich früher kleinigkeiten gestört hätten oder ich sehr penibel war.. es bringt doch nichts, es gibt viel schlimmeres. und ich denke, ich habe jetzt das schlimmste erlebt. gibt es noch etwas schrecklicheres? und es ist wirklich so.. was uns nicht umbringt, macht uns stark. und schau dich an, wie stark du bist. du stehst deiner mutter immer bei und bist immer für sie da. sie wird dir sehr dankbar dafür sein und es wird dir auch gut tun, weil du weißt, alles für sie gemacht zu haben und bis zuletzt bei ihr gewesen zu sein. ich bin erst zwei stunden nach dem tod meiner mum angekommen. ich denke aber, dass sie es auch so wollte. niemand meiner familie war bei ihr, nur die eltern ihres partners. so war sie zumindest nicht allein. und ich wünsche dir so undendlich viel kraft die kommende zeit zu überstehen. fühl dich lieb gedrückt. du bist nicht allein. jeder kann dein schicksal hier nachvollziehen.
ich werde meiner mum bescheid geben, dass sie deine lieb mit zu sich aufnehmen soll dann kann sie ruhig und friedlich hinübergleiten.

ganz liebe grüße
seestern
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Über die Zeit lernen wir mit dem Verlust umzugehen,
wir müssen es einfach ertragen,
aber die Einsamkeit und die tiefe Trauer bleiben immer.

meine geliebte Mama
24.03.1964 - 22.05.2012

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