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Alt 09.01.2013, 16:56
Sinneswandel Sinneswandel ist offline
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Standard AW: Mein Vater, Malignes Melanom

Hallo Alwina,

seinen Vater oder seine Mutter zu verlieren ist immer ein Einschnitt im Leben, egal wie alt Du bist. Aber mit 27 Jahren ist es definitiv zu früh.

Ich gebe der Dame vom Palliativdienst recht, Dein Vater weiss es, spürt es. Und meiner Meinung nach will er dass Deine Tochter bei ihm ist, weil er dann nicht allein ist, gleichzeitig aber trotzdem mit sich allein sein kann, seinen Gedanken nachgehen kann. Auch wenn wir uns noch so bemühen, Normalität herrschen zu lassen, unsere Gestik und Mimik, unsere Körpersprache verrät uns. Bei Deiner Tochter ist das nicht so, da sie noch nicht versteht, nicht weiss was kommt, ganz natürlich da ist, nicht fragt, nicht besorgt ist.

Es ist nicht so wichtig, Deinem Vater 50 mal zu sagen, dass Du ihn liebst. Er weiss es und ich denke es ist wichtiger, es ihm stattdessen 1 mal zu zeigen und das tust Du jeden Tag genau wie Deine Mutter und Deine Tochter.

Dass Du im Moment nur die guten Eigenschaften Deines Vaters siehst ist auch normal und richtig. Aber Du kannst mir glauben, dass sich das mit der Zeit ändert. Kein Mensch ist nur gut und wenn Du Deinen Trauerprozess abgeschlossen hast, wird Dein Vater den richtigen Platz eingenommen haben. Du wirst Dich an seine „Macken“ erinnern, mit einem Lächeln, einem Augenzwinkern und mit Zärtlichkeit.

Es ist verständlich, dass Du im Moment sagst „ich will dass er bleibt, auch wenn er nur noch im Bett liegen würde, nicht sprechen könnte etc. aber er wäre wenigstens da“.
Aber bedenke bitte auch, was das für Deine Mutter und auch Deinen Vater bedeuten würde.
Stell Dir bitte die Situation vor....würdest Du das wirklich für Deine Eltern wollen?

Wirst Du in ein Loch fallen? Davon ist auszugehen, denn das ist die normale Reaktion. Es wird viel diskutiert, ob bei einer vorhergegangenen Krankheit der Trauerprozess schon da anfängt. Nach meinen Erfahrungen ist dem nicht so, er beginnt nochmal, ist anders und heftiger, da wir schon viel Kraft während der Krankheit aufgebracht haben und der Zorn und die Wut nocheinmal aufflammen.

Aber Du wirst das meistern und Deine Kinder werden Dir da eine grosse Stütze sein, denn mit ihnen hast Du das Leben im Haus.

Deine Mutter wird Dich brauchen aber Du auch sie. Es ist noch etwas früh, das zu sagen, aber achte bitte darauf, dass sie „Freiraum“ für ihre eigene Trauerarbeit hat. Wir neigen dazu, unsere Eltern, bzw. den verbliebenen Elternteil ablenken und beschäftigen zu wollen. Aber richtiger und effektiver ist es, dass sie sich selbst mit sich auseinandersetzt und dafür braucht sie Freiraum, Zeit zum Alleinsein. Führ sie hin zu ihrer Trauer, nicht weg von ihr. Und das Gleiche gilt für Dich. Du wirst Deine eigene Trauerarbeit leisten müssen und dafür brauchst Du Deinen Freiraum.

Wie wird Dein Leben weitergehen ohne Deinen Vater? Er wird eine Lücke hinterlassen. Und auch wenn Du es jetzt nicht verstehst, diese Lücke wirst Du füllen, mit Dir selbst. Vieles wirst Du anders sehen, Dein Blickwinkel wird sich verändern und wenn Dein Trauerprozess beendet ist, wirst Du sehr wahrscheinlich intensiver leben und zu einem gossen Teil auch Deine eigene Angst vor dem Tod verlieren.
Vorallem aber wirst Du durch alles was im Moment passiert, stärker, reifer und selbstbewusster werden. Ganz einfach deshalb....erinnere Dich, was Du gerade alles leistest und wie gut Du das machst.

Liebe Grüsse
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