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Alt 19.03.2013, 08:43
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Meine Mutter wird sterben - was soll ich tun?

Liebe Nale,

ja, das kann ich alles sehr gut nachvollziehen. Man muss es auch nicht so darstellen, als seien es die "letzten Wünsche" sondern einfach so eine Art Liste, die einem in den Sinn gekommen ist. Dinge, die man einfach gern mal gemeinsam erleben möchte. Ich habe auch so eine Liste hier bei mir hängen für Ausflüge und Reiseziele ...und ich gehe nicht davon aus, dass mir nur noch wenig Zeit verbleibt.

Und deine vielen Fragen an deine Mama... Da kann ich dir nur ermutigen, sie ihr zu stellen. Meine Tochter hat zum Beispiel meinem Papa ein "Opa-Buch" geschenkt, in dem er alles aufschreiben sollte aus seiner Kindheit und Jugend. Er hat dann auch angefangen, eine Art Tagebuch zu schreiben, doch als Lungenentzündung und anschließender Pleuraerguss ihn quälten, mochte er nicht mehr schreiben. Verständlich! Mir hat er jedoch immer sehr viel aus seiner Kindheit und Jugend erzählt und ich habe gern zugehört. Auch schon, bevor er so krank wurde. Solche Fragen kann man auch geschickt "einpacken", indem du deine Erinnerungen schilderst und dann fragst, wie deine Mama es als Kind oder junges Mädchen erlebt hat. Ob sie ähnlich empfand oder andere Erlebnisse hatte. So vielleicht.

Mein Papa starb kurz nach seinem 71. Geburtstag. Für mich viel zu früh, denn er war bis zur Diagnose immer ein sehr gesunder und vitaler Mann. Schlank, relativ sportlich und geistig voll da und er stand mitten im Leben. Bis auf kleine Zipperlein wie Rückenschmerzen hatte er nichts. Meine Eltern hätten letztes Jahr im August ihre Goldene Hochzeit gefeiert und waren seit ihrem 16. Lebensjahr zusammen... Deine Befürchtungen hinsichtlich deines Papas kann ich sehr gut nachempfinden. Auch für meine Ma ist eine Welt zusammen gebrochen. Sie meinte, ein Teil von ihr sei mit meinem Vater gestorben. Ihre Trauer war grenzenlos. Heute, ein Jahr später, hat sie es geschafft, mit ihrer Trauer zu leben. Sie hat sich ihren Weg ins Leben zurück erkämpft. Ein anderes Leben, das sie nun neu befüllen muss, doch sie will nicht aufgeben. Sie hat für dieses Jahr bereits zwei Reisen gebucht, denn so hätte mein Vater sich das für sie gewünscht. Und sie hat eine Handvoll sehr guter Freunde, die auch gern Zeit mit ihr verbringen, denn ich bin nun mal kein Partnerersatz. Wir verbringen auch viel Zeit miteinander, doch ich bin nur die Tochter.

Ich finde es großartig, dass deine Mama das Gespräch mit der Psychologin wahrnimmt. Und ja, ich habe Erfahrungen damit. Während mein Papa damals sämtliche Gespräche ablehnte, habe ich meine Ma zu einer Psychoonkologin geschickt, da sie nach der Diagnose in eine Art Schockstarre verfallen war. Die Frau hat ihr wirklich gut geholfen, denn nach ein paar Gesprächen war meine Mutter wie ausgewechselt. auch ich selbst habe mir Hilfe gesucht und drei Gespräche geführt und auch mir hat es sehr geholfen. Und es hat mich gestärkt für die Zeit, die dann kam. Diese Gespräche können kein Schicksal und seinen Verlauf ändern, doch sie können den Blickwinkel ändern. Und wenn man über Ängste spricht und sie beleuchtet, dann verlieren sie oft an Heftigkeit und Wucht. Allein das kann hilfreich sein. Uns hatte die Psychoonkologin gesagt, dass auch ein gesunder Mensch jeden Tag nur 24 Stunden zur Verfügung hat und das haben wir so verinnerlicht, dass wir dann damit leben konnten. Ich habe immer versucht, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Keine Pläne für die Zukunft und immer einen Schritt nach dem anderen.

Liebe Grüße
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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