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Alt 02.04.2013, 11:03
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Extreme Wesensveränderung unter Chemo! Brauche Hilfe

Liebe Tina,

das ist ja eine furchtbare Situation für dich und deine Familie. Leider führt die Chemotherapie oft zu Wesensveränderungen. Auch mein Vater wurde teilweise recht aggressiv (eher unterschwellig) und ungerecht, vor allem meiner Mutter gegenüber. Wie sind wir mit der Situation umgegangen? Meine Mama hatte schon Verständnis und hat sich immer gesagt, dass diese Stimmungsschwankungen auf die Chemo zurückzuführen sind. Doch als es ihr gar zu viel wurde, hat sie die Reißleine gezogen und meinen Vater einfach stehen lassen. Sie meinte, alles habe seine Grenzen und ihre sei jetzt gekommen. Dann ist sie aus der Situation gegangen. Meinen Vater hat das sehr nachdenklich gestimmt und er hat dann das Gespräch mit ihr gesucht, sich entschuldigt und dann kamen die beiden besser miteinander zurecht. Ich will damit nicht sagen, dass anschließend Friede, Freude, Eierkuchen bei uns herrschte, doch ich denke, das miteinander reden hilft!

Hast du deinem Vater schon einmal offen gesagt, wie sehr es dich verletzt, wenn er dich so behandelt? Weiß er, dass dich das alles noch trauriger und verzweifelter macht? Vielleicht ist er in seinem Gedankenkreis gefangen wie in einem Hamsterrad und ist auf alle, die gesund sind, ganz einfach wütend. Vielleicht befindet er sich auch in einer Art Depression und deshalb ist seine Welt schwarz, negativ und freudlos? Meinst du, dass er bereit wäre, sich einem Psychoonkologen anzuvertrauen? Oder vielleicht einem Seelsorger? Mein Vater hat es lange Zeit abgelehnt, doch am Ende hat er dieses Gespräch gesucht und anschließend wirkte er so befreit! Ich wünschte, er hätte früher diese Hilfe annehmen können, es hätte so vieles leichter gemacht. Ich weiß schon, dass es vielen Männern sehr viel schwerer fällt, sich einem "Profi" anzuvertrauen und sich zu öffnen. Sie haben gelernt, dass Männer nun einmal keine Schwäche zeigen, sondern immer stark sein müssen... Das wird ihnen in solchen Momenten zum Verhängnis.

Liebe Tina, nicht zuletzt solltest du dich selbst aber auch nicht vergessen!!! Auch du bist wichtig! Auch du hast Bedürfnisse! Und gelegentlich musst du dir ein paar Stunden Auszeit nehmen, etwas Schönes für dich tun, dich mit einer Freundin treffen und die Krankheit deines Vaters ausblenden. Denn das alles frisst so viel Kraft, dass du sonst irgendwann selbst umkippst. Du musst immer wieder kleine Inseln für dich schaffen, damit du auch Kraft auftanken kannst. Und wenn du dich einfach auf dein Sofa lümmelst und die Wand anstarrst. Ganz egal, was es ist, Hauptsache, du bist dann auch mal für eine Stunde bei dir selbst! Versprochen?!

Alles Liebe
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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