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Alt 19.05.2013, 17:51
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Marbi Marbi ist offline
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Standard AW: Mutter starb vor 3 Tagen---SCHULDGEFÜHLE

Liebe Steffi,

Fehler machen wir alle, und wie wir bei einem Streit reagieren und handeln, hängt zum einen davon ab, wie tief wir verletzt wurden und zum anderen, wie tief wir diese Verletzung empfunden haben und in welcher seelischen Verfassung wir zum Zeitpunkt des Streites sind.

Mütter versuchen sicher, keinem Kind den Vorzug zu geben - aber gelingt das immer? Bei dir und deinem Bruder scheint das nicht der Fall gewesen zu sein. Daran kann auch eine schwere Erkrankung deiner Mutter nichts ändern. Du hättest ebenso krank werden können oder dein Bruder, dann wären die Rollen jetzt vielleicht anders verteilt.

Man kann mit dem Verstand vergeben - das hättest du tun können im Wissen um ihre Krankheit-, aber wäre dein Herz auch ehrlich daran beteiligt gewesen? Geholfen hätte nur eine Aussprache, dann wäre es euch beiden besser gegangen. Alles andere hätte deiner Mutter, aber nicht wirklich dir geholfen, denn die Zurücksetzung, die du als Unrecht empfunden hast, wäre geblieben.

Stur seid ihr beide gewesen und deine Mutter sogar angesichts des Todes, indem Sie verfügt hat, dass du keine Gelegenheit zur Entschuldigung und Reue bekommen sollst - das würde mir als Tochter auch weh tun. Eine Mutter sollte ihrem Kind verzeihen können, egal was es angestellt hat, so wie du es nun tun wolltest und nicht darfst.

Eine anonyme Grabstätte mit der Begründung zu wählen, dass die Kinder sich ohnehin nicht kümmern werden ... die Argumentation ist ein einziger Vorwurf an dich und deinen Bruder. Ihn muss das genauso getroffen haben, vor allem, wenn er sich bis zu díesem Zeitpunkt um sie gekümmert hat. Vielleicht wollte sie nur bei den Menschen ruhen, die dort bereits liegen und ihr etwas bedeutet hatten.

Die Familie wird sich sicher schwer tun, Stellung zu beziehen und es ist immer leicht, sich aus allem herauszuhalten, zumal sie ja nicht wissen können, wie es in dir aussieht und dass du leidest - hier spielt wohl auch der Charakter der einzelnen Familienmitglieder eine Rolle.

Einen Rat kann man schlecht geben, wie du dein Seelenheil wiederfinden kannst. In erster Linie würde ich versuchen, mit mir selbst ins Reine zu kommen. Prüfe dich, wie nahe dir der Grund für die Streitereien gegangen ist und ob sich daran etwas geändert hat - unabhängig von der Erkrankung und dem Tod deiner Mutter.

Ebenso würde ich in Gedanken die Verwandtschaft durchgehen und auf meine Gefühle achten. Liegt mir etwas an diesen Menschen? Oder ist es nur der Zwang, weil es Verwandtschaft ist? Wie sagt man so schön: Freunde kann man sich aussuchen, Verwandte nicht. Prüfe genau, wen du gern in der Zukunft in deinem Herzen haben möchtest und lass dich nicht vom Verwandtschaftsgrad beeinflussen.

Wenn du dich entschieden hast, dann handle danach und versuche, den Kontakt herzustellen und dein Verhalten vielleicht in einem Brief oder einer eMail darzulegen - vielleicht auch um ein Treffen zu bitten und nicht gleich aufgeben, wenn der Kontaktwunsch zunächst abgeschmettert wird ... steter Tropfen höhlt den Stein. Wenn man etwas ehrlich wünscht, dann muss man dafür kämpfen.

Irgendwann, wenn du das geschafft hast, halte Zwiesprache mit ihr an ihrem Grab oder einfach an einem stillen Ort und zwar, ohne dir vorher etwas zurechtzulegen - höre auf dein Herz und dein ehrliches Gefühl und lass dich nicht von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen aus der Bahn werfen.

Lerne aus allem, das ist das Wichtigste! Achte darauf, wie du dich deinen Kindern gegenüber verhälst, denn das ist das Beste, was du aus deinem bisherigen Verhalten lernen und dann ändern kannst, damit ihnen und dir etwas Ähnliches nicht passiert und du dich in deinem unmittelbaren Umfeld wohl fühlst.

Ich drücke dich! Gib nicht auf, denn der Schmerz und die Verzweiflung werden nachlassen, wenn du es zulässt. Schuld ist subjektiv und kommt immer auf die Betrachtungsweise an. Lass dir keine Schuld einreden, wenn du bis zu diesem Zeitpunkt nicht anders handeln konntest - egal aus welchem egoistischen und berechtigten oder im Nachhinein unberechtigten Grund.

Was das Begräbnis betrifft: Frechheit, dass sie da ist, werden die einen sagen, und Frechheit, sie hatte nicht einmal den Anstand ... die anderen.
Also hör einfach auf dein Herz und wenn dir danach ist, dann frage niemanden, sondern sei einfach dabei. Niemand mit Anstand wird einem Kind verwehren, am Grab der Mutter zu stehen ... egal was passsiert ist! Vielleicht hilft dir das jeweilige Verhalten deiner Angehörigen dabei, zu entscheiden, wer es wert ist, mit dir in Verbindung zu bleiben und vielleicht ist das dann auch der erste Schritt auf sie zu oder von ihnen weg.

Pass auf dich auf. Maria
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10.11.2012 DIAGNOSE: T3N2bM0 - Oropharynx Zungenbasis/Ummantelung der Halsvene (inoperabel)

Drei Zyklen Chemotherapie
Totalremission

40 x Bestrahlung (IMRT) + Chemotherapie = tumorfrei
(vergrößerte Lymphknoten = Fibrose)
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