Einzelnen Beitrag anzeigen
  #4  
Alt 08.07.2004, 19:22
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Hodenkrebs-Rückfall?

Zitat: "Laut Statistik ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein biopsierter, gesunder Hoden anschliessend krebsig entartet, 50-fach erhöht gegen unbiopsierte Hoden!"

Laut welcher Statistik. Wenn man angeblich so fundierte Fakten bekanntgibt, sollte man auch immer eine Quelle verlinken oder nennen. Ansonsten ist das nur "Hoeren/Sagen" und damit kann in diesem Forum niemand was anfangen. Meines Wissens nach ist das jedenfalls KEINESWEGS belegt. Und dieses Halbwissen, welches hier von manchen selbsternannten Experten von sich gegeben wird nervt auch ziemlich. Dann lieber einfach gar nichts schreiben, als vermeintliche "Fakten" zu nennen.

Also... erstmal muss hier mal ganz klar zwischen verschiedenen Begriffen unterschieden werden:

A) Rueckfall/Rezidiv
So nennt man es, wenn nach einer erfolgten Therapie (Chemo und/oder Bestrahlung) nach einem gewissen Zeitraum wieder ein Tumorherd oder eine Metastase nachgewiesen wird. Um es "Rezidiv" zu nennen, muss man aber vorher davon ausgegangen sein, dass der Patient quasi durch eine Therapie geheilt war.

B) Fortschreitende Metastasierung
Wenn man z.B. eine "Wait & See" (also KEINE Therapie) gemacht hat und es dann zu Metastasen kommt, _obwohl_ vorher kein Krebszellen mehr nachgewiesen werden konnten, so ist dies streng genommen KEIN Rueckfall/Rezidiv, sondern ein Fortschreiten der Ursprungserkrankung.

C) Neuerkrankung am kolateralen Hoden
Ein Tumor am kolateralen Hoden (das ist der "andere Hoden", als der, der behandelt oder entfernt wurde) ist eine Neuerkrankung. Es ist kein "Fortschreiten der alten Erkrankung" (B) und auch kein Rueckfall oder Rezidiv (C), sondern ein voellig neuer Tumorherd.

Erstmal zu Punkt C: Es wird heutzutage sehr haeufig angeraten, bei Befall eines Hodens durch einen Tumor auch den anderen (kolateralen) Hoden auf ein so genanntes "Karzinom in situ" zu untersuchen. Wenn ein Karzinoom in situ (das ist quasi ein "schlafender", oder inaktiver Tumor, der spaeter aber ausbrechen KOENNTE) nachgewiesen wurde, so wie das bei Steven271 der Fall war, so wird in vielen Faellen der zweite Hoden tatsaechlich bestrahlt, da die Wahrscheinlichkeit, dass es am kolateralen Hoden zu einem neuen, aktiven Tumor kommt _sehr hoch_ ist. Der Nachweis fuer ein "Karzinom in situ" ist aber extrem selten. Trotzdem wuerde ich jedem dazu raten, den anderen, vermeintlich gesunden Hoden bei der OP ebenfalls untersuchen zu lassen. Das Risiko einer Neuerkrankung an eben diesem Hoden, bei nachgewiesenem "Karzinom in situ" ist extrem hoch... daher hat auch Steven's Urologe recht, wenn er sagt, dass der Hoden schon urspruenglich haette behandelt werden muessen. Wenn es noch nicht einmal dem Patienten angeboten wurde, so ist das ein klarer Behandlungsfehler.

B) Wenn man sich fuer die "Wait and See" Strategie entschieden hat (nachdem die Aerzte zunaechst von Heilung ausgehen) aber trotzdem wieder Krebszellen im Koerper aufgetreten sind _oder_ wenn eine Therapie nicht anschlaegt, so spricht man von "fortschreitender Metastasierung". Nach der Therapie ist natuerlich sehr schnell ersichtlich, ob es zu einer Fortschreitung kommt oder nicht (naemlich dann, wenn die Marker nicht auf die normalen Werte zurueckgegangen sind und/oder noch Metastasen im Organismus nachgewiesen werden koennen.

Bei "Wait and See" tritt das Fortschreiten der Metastasierung im medialen Mittel (Durchschnitt) bis zum 10. Monat ein, bzw. wird erst dann nachweisbar (wenn vorher Unsicherheit ueber die Tumorfreiheit bestand). Ein Fortschreiten der Metastasierung nach 2 Jahren ist selten, aber leider moeglich. AEUSSERST selten tritt ein Fortschreiten nach 5 Jahren auf, weswegen es nach dem Ablauf von 5 Jahren auch kein vorgeschriebenes Ueberwachungsprotokoll mehr gibt. Es wird lediglich empfohlen, sich auch weiterhin 1x jaehrlich checken zu lassen.

Jetzt zu Punkt A: Angeblich kommt es bei unauffaelligen Tumormarkern und dem fehlenden Nachweis weiterer Krebszellen im Organismus nach einer Chemo oder nach "Wait and See" tatsaechlich nur bei 1-2 von 10 Patienten zu einem Rezidiv. Das Risiko eines Rezidivs liegt dementsprechend bei deutlich unter 20%. Dies kann man in so gut wie jeder Studie ueber Hodenkrebs nachlesen. Die Heilungschancen sind aber auch bei einem frueh erkannten Rezidiv weiterhin sehr gut.

Steven, bei Dir liegt meines Erachtens ein Behandlungsfehler vor. Es gibt aber verschiedenen gewebeerhaltende OP-Methoden, wenn Krebs im zweiten Hoden auftritt. Besprich mit einem Onkologen, was es fuer Moeglichkeiten gibt, damit Dir evtl. eine der OP folgenden Hormonbehandlung erspart bleibt. Und sprich evtl. auch mit einem Anwalt darueber, dass man Dir die Behandlung des Karzinoms in situ in Deinem kolateralen Hoden nicht angeboten hat. An sich ist das naemlich schon ein ziemliches Unding.

Viel Glueck!... wird schon werden
Beste Gruesse,
Georg
Mit Zitat antworten