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Alt 12.02.2017, 21:11
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Wie geht Ihr mit der Diagnose um?

Hallo Sammy,

Auch ich bin ganz klar bereits in Trauer, und ja, da ist auch eine gute Portion Selbstmitleid dabei, das ist es immer. Man betrauert, dass der, den man liebt weg ist. Nicht nur um seiner selbst Willen, sondern weil man sich selbst in dessen Gegenwart gut gefühlt hat.
Geborgen, sicher, glücklich, verstanden, was auch immer.
Ich habe meine Ma nicht mehr allzu oft gesehen.
Wir waren Ende November in Tabaluga, das war sehr schön. Jetzt im Nachhinein weiß ich, sie war da schon so langsam zu Fuß, weil da im Gehirn etwas wuchs, was schon Beeinträchtigungen machte.
Dann waren wir mit meinem Sohn zu Nikolaus auf einem Schiff, auf dem eine kleine Nikolausfeier stattfand. Heute weiß ich, sie hat dort nichts gegessen, weil sie sowieso schon sehr schlecht aß.
Aufgrund dieser Begebenheiten mache ich mir nun Vorwürfe, dass ich nicht schon eher etwas bemerkt habe. Es musste dann erst Weihnachten vergehen, bis ich sie ins Krankenhaus brachte.
Und a propos Krankenhaus: Da hab ICH sie hingebracht, niemand anderes, nicht mein Bruder oder mein Vater, sondern ich. Und als die Diagnose kam, habe ich panisch und kopflos gesagt, ja, natürlich sofort operieren. Jetzt liegt sie da, kaputtoperiert, von der Bestrahlung noch zusätzlich fertiggemacht, und kann sich kaum noch rühren, mit der zweiten Lungenentzündung.
Der Primärtumor liegt mittig im oberen Lungenlappen, wenn er nicht schon so doof gestreut hätte, hätte eine OP dort beste Chancen gehabt.
Mit dem Wissen von heute, was jetzt seit Weihnachten alles über sie hereingebrochen ist...
Wäre es da nicht besser gewesen, sie hätte noch ein paar gute Wochen gehabt und man hätte sie gar nicht mehr operiert?
Es tut mir an jedem Tag, an dem ich nicht bei ihr sein kann, weh, sie nicht zu sehen.
An den Tagen, an denen ich hinfahren kann, tut es mir weh, sie so zu sehen, Narbe am Kopf, Sonde in der Nase, Zugang im Arm, Windel um den Po. Und sie ist so verdammt dünn geworden.
Dieses Wochenende war ich arbeiten. So gut das tat, ich konnte sie deshalb nur gestern sehen. Morgen muss ich auch, da habe ich sie dann zwei Tage nicht gesehen.
Ich vermisse sie jetzt schon unendlich. Die Zeit, die ich in der Vergangenheit nicht mit ihr verbracht habe, gibt uns keiner mehr zurück.
Ich habe sehr körperliche Symptome, mein Puls ist schneller, eher bei 90 als früher bei 60. Ich habe laufend das Gefühl, brechen zu müssen. Essen geht nur in kleinen Portionen. Der Stoffwechsel arbeitet generell schneller, ich merke das an der Verdauung.
Nachts krieg ich das rechte Auge nicht auf, es ist so trocken, dass es von innen am Lid festklebt.Dauernd muss ich Tränen runterschlucken.
Anfangs hab ich dauernd geweint, das fand vor allem mein Sohn befremdlich.
Mittlerweile hab ich es vor ihm... Meistens... im Griff.
Manchmal, wenn ich traurig vor mich hin starre, sagt er, Mama, wein ruhig, das ist nicht schlimm. Er ist ein toller Kerl.
Ich war immer schon ein militanter Nichtraucher. Ich wollte nie so werden wie meine Mutter, zuviel Zigaretten, zuviel Bier. Aber weiß Gott, das habe ich ihr nie gewünscht.
Aber ich habe es ihr prophezeiht. Warum muss du mit meinen Diagnosen nur immer so verdammt Recht behalten?

Geändert von Clea (12.02.2017 um 21:16 Uhr)
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