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Alt 20.12.2004, 06:23
Gast
 
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Standard es tut so weh...

War krank. Jetzt geht es schon.
Lora geht es ganz gut. Sie ist zu Hause, hatte nur eine Sitzung der Strahltherapie gehabt. Aber da die Ärzte immer noch nicht sicher sind, was das für ein Punkt im Rippenbereich ist, haben die alles abgebrochen und Lora nach Hause geschickt. Sie soll in 3 Monaten wiederkommen.
Das Pünktchen im Hüftbereicht ist harmlos, ist was anderes, nichts schlimmes.

Teil 4
7.12.03, Sonntag
Mein Flug geht gleich los.
Was haben wir letzte Woche alles erlebt?
Erste Dusche... Zum ersten Mal sieht sich Lora im Spiegel. Sie weint... Dreht sich weg vom Spiegel.
-Es ist so schrecklich, Anna...
Ich denke nur, gut, dass du dich in den ersten Tagen nicht gesehen hast...
-Nein, Lora, es ist schon viel-viel besser geworden. Und du lebst, das ist mir die Sache wert. Ich mach alles, damit du genauso wie vor der Operation aussiehst, das verspreche ich dir.
In der Nacht bastle ich eine Erstprothese aus Watte. Am nächsten Tag sehe ich Lora:
-Fräulein, du hast zwei Brüste! Wau!
Lora lacht.
Wir waren auch beim Chirurgen.
-Mädchen, was wollt ihr hören? Ist alles gut? Wird alles gut? Was sollst du, Lora, jetzt tun? Chemotherapie? Bestrahlung? Ihr wollt die Antworten? Aber ich kann eure Fragen nicht beantworten... Ich hab alles getan, was in meiner Macht war. Alles, was jetzt kommt, liegt in Gottes Händen...
Ermutigend waren seine Worte nicht unbedingt. Aber mindestens ehrlich.
Nach seiner Meinung bräuchte Lora nur 1bis 2 Chemotherapie-Sitzungen, aber was sagen die Ärzte?
Das erfahre ich nur per Telefon, weil heute mein Flug los geht...

Dezember03
Lora wird zu 6 Chemotherapie-Sitzungen verdonnert.
Ich gehe zum Sanitätshaus und schaue mir die Brustprothesen an. Bin von der Qualität begeistert. So weich! So angenehm! So lebendig!
Zeige unser Denkmal. Die Verkäuferin sagt: „Ich hab zum ersten Mal so eine Kundin.“
Wir entscheiden uns für eine Amöna-Contact-Prothese. Ich bestelle sofort, kann aber erst im Januar sie abholen.
Im Büro fragen die Kollegen nach der Adresse, wo ich so viele Brüste kostenlos angucken und abtasten konnte. Lachen tut gut.

Januar04
Die Chemotherapie... Lora fühlt sich schlecht. Es gibt keine Hilfe von den Ärzten da. Es gibt keine Medikamente, die das Leiden mildern, aber es gibt sie in Deutschland.
Was würde ich ohne Krebs-Kompass machen?! Weiß nicht! Suche da Antworten auf meine Fragen, suche Hilfe. Finde alles. Vielen Dank an alle!
Lora geht es so schlecht, dass sie die Therapie abbrechen möchte.
-Ich halte es nicht mehr aus. Falls du mir keine Medikamente schickst, breche ich alles ab, ich kann einfach nicht mehr.
Ich beeile mich schon, warte immer noch auf die Prothese.
Von Cindy kriege ich eine ganze Zofran-Packung. Hole bei meinem Hausarzt ein Privatrezept und kaufe Paspertin-Tropfen. Dazu noch Sanostol-Saft, ohne Rezept.
Hole endlich die Prothese. Teste sie an mir selbst. Bin so begeistert!
Kaufe einige Prothesen-BHs, die Verkäuferinen sahen mich an und fragen immer unsicher:
-Wissen Sie, dass das Prothesen-BHs sind?
-O, ja, das weiß ich und ich bezahle alles aus meiner eigenen Tasche.
Ende Januar kriegt Lora alles von mir. Als sie die Prothese sieht, weint sie. Aber auch sie ist von der Qualität begeistert.
-Sie wird sogar warm!
-Ich hoffe, dass ihr die besten Freundinnen sein werden.
Sie lacht.

März04
Trotz Medikamenten bricht Lora die 4 Sitzung ab. Ihr geht zu schlecht. Ich bin einverstanden.
Hab so wie so nicht verstanden, wieso sie 6 (!) Sitzungen haben sollte, war nur mit 2 einverstanden. Sie hat fast 4 durchgemacht. Es reicht!

April04
Es geht Lora psychisch sehr schlecht. Ihr Mann hat sie endgültig verlassen. Für ein Mädchen, die junger ist, als seine eigene Tochter.
Ich versuche ihn nicht zu hassen, aber ich hasse ihn!
Lora weint jedes Mal am Telefon. Ich weiß nicht, was ich tun und machen kann.
- So darfst du nicht weiter machen, Lora. Denk an deine Gesundheit! Was machst du da?!
Sie hat bald Geburtstag, ich hab noch 10 Tage Urlaub, bespreche alles auf der Arbeit und Zuhause, es ist alles klar, ich kann fliegen. Rufe Lora an:
- Ist das eine schlechte Idee, dir persönlich an deinem Geburtstag zu gratulieren?
- Es ist nicht witzig, Anna! Ein schlechter Scherz!
- Und falls es kein Scherz ist?...
- Kommst du?! Wirklich?! O ja!!! Bitte!
- Ich komme.

Mai04
Es waren 2 Superwochen.

Sommer04
Es geht Lora psychisch immer schlechter. Die Stadt ist sehr klein, jeder kennt jeden. Das ist grausam, wenn man versucht, einem Menschen aus dem Weg gehen. Es ist sehr schwer, nichts von ihm zu wissen und zu hören. Es gibt immer etwas, was man hört und sieht. Es gibt immer einer, der was sagt.
Wir müssen was ändern, wir müssen was unternehmen... Was?
Lora muss raus aus dieser Stadt... Wie?

Herbst04
Ich hab Urlaub. Spreche mit Lora und ihrer Tochter. Wir haben einen Plan: Lora und ich fahren in eine Stadt am Meer, versuchen da eine Wohnung zu finden und zu kaufen. Lora beginnt da ein neues Leben. Das ist die Stadt ihrer Jugend, hier hat sie studiert, hier kam ihre Tochter zu Welt, hier hat ihre Tochter geheiratet.
Unser Plan hat viele „aber“, und so richtig glaube ich nicht, dass wir es schaffen, aber wir versuchen es. Sonst wird Lora noch Selbstmord in ihrer Stadt beginnen...
Ich bin bereit sie wegen Krankheit zu verlieren (nicht in den nächsten 30 Jahren natürlich), aber nicht wegen Selbstmord!
Dann geht alles sehr schnell: am zweiten Tag finden wir schon die Wohnung, ich breche meinen Urlaub ab und fliege nach Deutschland zurück, wir brauchen Geld. Und in vier Wochen haben wir die Wohnung.
Es geht die Sonne auf. Lora geht es schon viel besser, sie kann was planen, sie hat andere Sorgen, sie sucht Arbeit. Es freut mich sehr, sie ist voll mit Leben, sie lacht wieder!
Und dann fährt sie zur Kontrolluntersuchung...

Dezember04
Die Lichter gehen aus. Aber nicht bei mir! Ich werde kämpfen! Ich gebe sie nicht auf!!!
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