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Alt 09.05.2005, 11:03
Gast
 
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Standard Ich kann bald nicht mehr

Hallo Susanne,

ich trauere zwar um meinen Vater (der letzten Juni gestorben ist) und meine Mutter lebt noch, aber wir haben auch ein sehr schwieriges Verhältnis. Ich denke viel darüber nach was wäre wenn sie stirbt - und kann mich dennoch nicht anders verhalten und ihr "einfach" vergeben. Weiss nicht ob ich das noch schaffen werde, obwohl ich schon jetzt bei meinem Vater gemerkt habe wie vieles man dann bereuen kann wenn es zu spät ist..... Mein Verhältnis zu meinem Vater war nicht so kompliziertz aber auch nie sehr "eng", ich war zwar immer sein "Liebling" (wie mir einer seiner Freunde nach der Beerdigung auch noch mal sagte) aber wir waren uns nicht sehr persönlich nahe... er hatte nur für seinen Job gelebt und war kein Familienmensch, kein "schuckel-auf-dem-Schoss-Opa" mit meinen Kindern und denen meines Bruders, was wir ihm lange übel genommen haben. Aus anderen Gründen war ich schon in Psychotherapie als bei meinem Vater Anfang 2002 Darmkrebs diagnostiziert wurde. In den folgenden Monaten hat mich das alles sehr beschäftigt und in der Therapie ist es mir gelungen meinen Vater so anzunehmen wie er ist bzw. war. Jedenfalls habe ich ihm / uns vergeben, kann akzeptieren wie es war. Wir haben alle viele Fehler gemacht, durch die Trennung meiner Eltern wurde alles noch schwieriger. Aber ich habe erkannt dass ich ihn sehr lieb habe auch wenn nicht alles perfekt und ideal war und wir auch Jahre der Entfremdung hatten. Zum Schluss lag er 9 Wochen auf der Intensiv z.T. im Koma und ist dann dort gestorben. Ich war die letzte die bei ihm war. Aber es war dann abends 22 Uhr und ich konnte nicht mehr und so habe ich mich heulend verabschiedet und habe ihn allein gelassen, obwohl er nach Aussage der Ärzte schon ganz ganz weit weg war, nur noch sehr schwacher Puls... ich konnte nicht mehr und habe mir immer noch nicht wirklich verziehen dass ich nicht über Nacht geblieben bin. Auch wenn die Ärzte sagten er könne es nicht mehr spüren. Am nächsten Moregn gegen 8 Uhr ist er eingeschlafen. Nur ein Arzt und eine Schwester haben seine Hand gehalten, sagte man uns. Alle Ärzte sagten es sei OK gewesen und trotzdem kann ich mir das immer noch nicht verzeihen. Aber es tut nicht mehr ganz so weh daran zu denken. Es wird wirklich besser mit der Zeit. Manche Tage sind sehr traurig, vor allem auch weil dei ganze Familie sich seit dem Tod meines Vaters noch mehr entzweit hat, weil ich am Ende zu der zweiten Frau meines Vaters gehalten habe,l was mein Bruder und meine Mutter bis heute nicht akzeptieren, ich kannte sie garnicht so gut aber sie stand ganz allein da und mein vater hatte sich immer um alles gekümmert und ich bin dann auch eher zupackend also habe ich vieles in die Hand genommen, was mir selbst aber auch viel geholfen hat, ich habe mit ihr getrauert und alles geregelt, und ich dachte es ist das richtige, was mein Vater auch gewollt hätte.

Trotzdem ist es noch schwer, aber es wird besser. Letztes Jahr im Oktober ging es mir sehr schlecht, Depression, seitdem nehme ich ein Anti-Depressivum. Meine Psychotherapie läuft aus d.h. ich habe nur noch wenige Stunden die ich in Abständen von einigen Wochen nehme. Aber in der akuten Trauerphase konnte ich jede Woche zu meinem Thera und er war meine wichtigste Stütze. Jetzt komme ich auch so klar, aber ich will auch aus anderen Gründen danach noch mit einer neuen Psychotherapie weiter machen. Aber ich bin soweit stabil. Das Medikament werde ich sicher noch eine Weile nehmen, bis mein Arzt und ich beide meinen ich kann es wieder ohne versuchen.

Ich habe nur die allerbesten Erfahrungen mit Psychotherapie gemacht udn würde das jedem empfehlen der "Probleme" hat, welcher Art auch immer. Man kann bei kassenzugelassenen Psychotherapeuten in der regel 5 peobatorische Sitzungen nehmen, erst dann wird ein Antrag bei der Kraneknkasse gestellt. So kann man ein paar ausprobieren und sehen wo die Chemie stimmt. Ich hatte vorher Verhaltenstherapie gemacht und möchte jetzt wechseln zu tiefenpsychologischer Behandlung. Auf dieser neuen Suche habe ich mir zwei theras angesehen, der erste war ein Mann und naja ich fühlte mich nicht sehr wohl, und die zweite war eine Frau, mit der ich es versuchen werde. Ich denke die wird OK für mich sein. Man muss bei guten Therapeuten ohnehin mit Wartezeit rechnen, ich komme da auch erst ca. im Herbst dran. Wenn es sehr akut ist kann man auch zu einem Psychiater in die Sprechstunde gehen, so bin ich damals an mein Anti-Depressivum gekommen, da habe ich nur ein paar Tage auf den Termin gewartet. Ich will hier nicht unbedingt Medikamente befürworten, ich sage nur mir hat es sehr geholfen wieder auf die Beine zu kommen.

Das Gefühl der Überforderung das Du schilderst kenne ich auch. Aber jetzt gehr es mir schon viel besser. Das medikament verdrängt auch nicht die Gefühle oder so, aber ich bin wieder stabil. Weinen kann ich trotzdem noch, aber ich bin nicht mehr so kraftlos und niedergedrückt, aggressiv war ich auch oft.

Ich denke, Du kannst es ruhig einmal mit professioneller Hilfe versuchen. Ist doch nicht schlimm, bei Zahnweg geht man doch auch zum Zahnarzt.... Und es kann Dir bestimmt auch ganz gut tun, wenn Dir jemand dabei hilft insgesamt das schwierige Verhältnis zu deiner Mutter aufzuarbeiten, so dass Du ihr und Dir verzeihen kannst. Die Trauer allein ist schon schwer genug, diese Schuldgefühle machen es noch so viel schwerer, das weiss ich auch.

Alles Gute
Kerstin
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