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Alt 13.06.2005, 13:07
Gast
 
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Standard Krebs! Neue Beziehung für Partner, Kinder,..?

Hallo Viviane,

ich bin meinem Vater auch erst in den letzten Wochen seines Lebens noch einmal ganz nahe gekommen. Bevor er starb wusste er ca. seit 2 Jahren von der Diagnose, aber er hat sich immer nur "behandeln" lassen und ansonsten das Thema stark verdrängt, hat selten jemanden an sich ran gelassen, sich wieder in die Arbeit gestürzt usw. In diesen 2 Jahren hat sich leider nicht so viel geändert, wie man es hätte zulassen können. Lag wohl auch mit an der etwas schwierigen Familiensituation, meine Eltern seit langem getrennt, mein Vater mit neuer Frau, meine Mutter + mein bruder die das nicht akzeptieren konnten, mein Vater der seine "zwei Leben" komplett getrennt hielt wohl aus Angst vor Streit und Problemen, und ich war eigentlich immer zu feige mal einen Schritt mehr auf ihn + seine neue Frau zuzugehen, vor allem weil ich Angst hatte was dann wieder von meiner Mutter kommt.... naja.

Erst als er nach der OP wegen Rezidiv ins Koma fiel und dann die letzten 9 Wochen auf der intesiv lag, bin ich ihm auch körperlich nahe gekommen, das war nie so üblich in unserer Familie. Ich bin eher ängstlich + zimperlich was "eklige" Sachen angeht aber ich habe mich niemals geekelt, im Gegenteil wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich ihn auch gern noch zuhause gepflegt, was ich mir früher nicht hätte vorstellen können.

Dieser Krebs und das Sterben haben alles umgekrempelt (leider auch Gräben innerhalb der Familie aufgerissen, also auch zusätzliche negative Entwicklungen, aber ich glaube ganz bestimmt, dass es nicht ungewöhnlich ist dass in solcehn Krisen "das Wahre" zutage kommt - positiv oder negativ.... wenn man es zulässt, kann einem eine solche existentielle Situation die Augen öffnen, und vieles was in vielen Jahren zwischen einem stand (alter Groll, alte Vorwürfe, sowas halt) ist absolut nebensächlich, und man ist sich nur noch nahe... darf sich noch einmal kennenlernen oder berühren oder einfach nahe sein.

Ich nehme an, es liegt in der (westlichen?) Natur der Menschen, dass man immer so lebt also hätte man noch ewig vor sich, schleppt alten Groll + Ärger mir sich rum, versteift sich kleinlich auf den eigenen Standpunkt.... anstatt das Herz und die Seele offen zu halten für die, die wir lieben. Aber wenn man denkt man habe die Ewigkeit noch vor sich, dann verschiebt man alles auf übermorgen und zack sind wieder 5 Jahre um in denen man lieblos miteinander umgegangen ist... erst wenn die Zeit erkennbar zuende geht, rafft man sich auf.

Ich habe auch viel zu tun mit dem "hätte ich doch eher" und "warum haben wir nicht"..... Eine schmerzhafte Erfahrung, und es tut mir so leid dass ich es ausgerechnet an meinem Vater nicht nochmal besser machen kann, aber das muss ich akzeptieren, udn wenn es überhaupt einen Sinn gehabt haben soll, dass es so war, dann muss ich daraus lernen es mit den anderen die mir noch geblieben sind besser zu machen...

Auch das gelingt mir im Moment nur sehr schlecht. Aber im Moment stehe ich nur daneben und kucke zu und kann nicht anders. Mein Vater ist heute vor 1 Jahr eingeschlafen. Mein Bruder und meine Mutter habe mich - so empfinde ich es - im Stich gelassen, bzw. vor allem natürlich meinen Vater solange er noch da war.... ich kann es einfach noch nicht vergessen oder verzeihen. Obwohl ich weiss, dass ich möglicherweise vor allem was meine Mutter angeht einen grossen Fehler mache.... aber manchmal sind die Dinge eben, wie sie sind....

Weiss nicht, ob Dir das jetzt was gebracht hat.

Kerstin
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