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Alt 06.08.2005, 23:34
Gast
 
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Standard Noch nicht lange her...

Liebe Martina,

die Kinder sind nach ein paar Tränen praktisch normal.
Als wenn Männe einfach nur im Krankenhaus ist.
Ich nehme an bei der Beerdigung kommt der grosse Schutt.
Selber komme ich mir auch zu normal vor, mit kurzen Trauereinbrüchen.
Aber auch Späßchen werden gemacht.
Wir haben uns möglichst gut auf das Gehen meines Mannes vorbereitet, es war Gesprächsthema, ziemlich offen.
Ich konnte ihm im Laufe der Zeit alles sagen was mir noch wichtig war und hatte ihn hier daheim, habe alles getan was mir wichtig und richtig und gut für ihn vorkam und auch wenn er nicht einfach einschlafen durfte, das konnte ich nicht beeinflussen, gibt das doch ein gutes Gefühl das möglichste getan zu haben.
Ich bin froh das es vorbei ist, seine Krankheit hätte ihn noch mehr gequält. Ich will ihn wieder haben, gesund, klar, aber so ist es besser, so abgedroschen diese Worte sind, mir zumindest vorkommen.
Ich habe ihn gestern mit Hilfe fertig gemacht, gewaschen, angezogen, diesen verdammten Geruch nach Chemo endlich von ihm abgewaschen, er konnte ja keine Seife, Deo oder sonst was riechen, bekam er Luftnot, klares Wasser hat nicht viel geholfen, mit ihm noch geplaudert und gescherzt, so als wenn er noch da ist.
Ziemlich realistisch die Arztsache durch gezogen, der Arzt dachte bei meinem Anruf, glaube ich, dass ich mir einen Spass erlaube, weil ich so gefasst klinge.
Auch der Bestattungsunternehmer traute der Sache nicht ganz, scheinbar ist das auch nicht so häufig das man seine Lieben selber ankleidet.
Ich hoffe es versteht niemand falsch, aber ich bin stolz darauf was ich für ihn getan habe, denn es war das letzte was ich tun konnte, ihn begleiten, halten und dann hergeben.
Bevor ich ihn abholen lies habe ich mich so gut wie möglich verabschiedet, aber mit der Zeit war es wirklich nur noch der Körper der hier lag. Nicht mehr wirklich Männe und so weh wie es tat, ich gab ihn her.
Ihr wisst alle, Papierkram, dies und das halten einen auf Trab. Ausgepumpt bin ich immer noch, obwohl ich gut schlafen konnte.
Ab und zu wollte ich ihm heute was erzählen oder fragen, mit der Zeit wird mir das immer mehr fehlen, auch der Trost, seine Umarmung fehlt.
Wir haben gerade Jahrestag, 19 Jahre und am 16.08. wäre unser 15. Hochzeitstag, ich dachte den schnappt er noch.
Alle Träume und Wünsche sind dahin und das tut am meisten weh.
Unser Leben war erst seit kurzer Zeit ok, schön und wir planten verschiedenes, er seine Radtouren, ich wollte ihm ein Tamdem aufdrehen. War schon witzig, wenn er dazu in den Streik ging.
Aber jeder Tod hinterlässt eine Lücke, wir können sie nicht füllen, wir müssen weiter machen. Ein, zwei Tage vor seinem Tod sagte ich ihm, weil wir gerade bei dem Thema waren, du gehst, wir kommen alle nach und in der Ewigkeit ist das bestimmt nur eine Sekunde.
Auch wenn mein Leben weiter geht, Männe wird unvergessen bleiben, ich hoffe nur das ich bald nur die guten Zeiten in Erinnerung habe, der Schmerz nach lässt.
Denn bei aller Trauer und weiteren Chaosgefühlen, ich wäre gerne mit ihm gegangen, einfach um das nun nicht mitzumachen und ihm zu zeigen wie sehr ich ihn begleiten möchte, ihn liebe.
Denk an die Kinder, sagte er und ja, das werde ich, das mache ich seitdem sie auf der Welt sind.
Aber ich will auch leben, ich bin wütend das ich mit 37 solch ein Schicksal habe und nun höre ich auf zu tippen.
Werde ins Bett gehen, noch etwas lesen und hoffe bald wieder klar denken zu können.

Ich drücke mal zurück.
Es ist schon komisch das ein Austausch mit fremden Menschen, im Internet hilft. Wäre vor Jahren nicht möglich gewesen.
Äh, ja, ich quassele fast soviel wie ich schreibe und nun bin ich wirklich weg.

Bei aller Last auf unseren Schultern, hoffe ich auf einen angenehmen Sonntag, für uns alle.
Lady Molly
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