Thema: I miss you
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Alt 18.08.2005, 14:03
Simone75 Simone75 ist offline
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Standard AW: I miss you

Liebe Uschi
meine kleine Maus ist ja erst fünf. Als mein Mann die Diagnose bekam, brach für ihn und für mich die Welt zusammen. Er hat sich total zurückgezogen und ich habe ununterbrochen geweint. Ich konnte meiner Tochter nicht erzählen, was los ist. Immer wieder habe ich gedacht, dass sie das nicht verstehen würde. Heute weiß ich, dass war ein Fehler. Ich habe nur zu ihr gesagt, dass der Papa sehr krank ist. Als er dann immer wieder in der Klinik war, hat sie oft Fragen gestellt. Sie wollte genau wissen, was mit ihm dort passiert und was die Ärzte mit ihm machen. Ich habe immer versucht, ihre Fragen zu beantworten. Natürlich auf kindgerechte Art. Aber ich habe nie gesagt, dass der Papa sterben wird. Ca. drei Wochen vor seinem Tod, als sich sein Gesundheitszustand verschlechterte, fragte Sie dann, ob auch Menschen an dieser Krankheit sterben können. Ich sagte ihr, dass das sicherlich so ist. Aber das ich nicht wüsste, ob Papa sterben muss. Viel zu schnell ging es dann immer schlechter. Zwei Wochen vor seinem Tod kam er in die Klinik und hat sie dann aber auch nicht mehr verlassen. Die letzten drei Tage seines Lebens war er zwar ansprechbar, aber er selbst konnte nicht mehr antworten. Die Ärzte sagten mir am 10.06.05, dass die Leber kaum noch arbeiten würde. Sie fragten meinen Mann, ob er zu Hause oder in der Klinik sterben will. Er wollte nach Hause kommen. Darauf hatten meine Kleine und ich uns dann ziemlich schnell eingestellt. Der Arzt sagte zu diesem Zeitpunkt, dass uns noch ein paar Wochen mit meinem Mann bleiben würden. Am 11.06.05 dann der Schock. Die Leber hatte komplett aufgehört zu arbeiten. Mein Mann reagierte auf nichts mehr. Am Sonntag habe ich dann instinktiv meine kleine mit in die Klinik genommen. Der Anblick meines Mannes war schlimm. Er lag einfach nur da, der Körper war gelb, die Augen weit offen und er stöhte bei jedem Atemzug. Sie war geschockt und tief berührt zugleich. Sie ging zu ihm, nahm seine Hand und streichelte ihn. Das war das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hat. Meine Mam ist dann mit ihr nach Hause gefahren. Sie waren auf dem Friedhof am Grab meines Schwiegervaters und sie hat ihr dann erklärt, dass der papa sterben wird. Ich war die ganze Nacht bei ihm und am morgen ist er dann in meinen Armen gestorben.

Als ich nach Hause kam, fragte mein Maus dann, ob ich im Krankenhaus war. Und sie wollte wissen, wie es Papa geht. Ich habe ihr dann gesagt, dass er verstorben ist. Sie hat es hingenommen, geweint und nach fünf Minuten war alles für sie wieder in Ordnung. Als es um die Beerdigung ging, habe ich lange überlegt, ob ich sie mitnehme oder nicht. Irgendwann habe ich ihr dann erklärt, was genau da passiert. Sie hat gesagt, dass sie mitkommen will, weil sie sich von ihm verabschieden will. Für mich war diese Aussage klar und ich habe dann gedacht, dass es in Ordnung so ist. Zum glück habe ich Sie am Tag davor noch einmal darauf angesprochen.

Sie sagte, dass sie mitwill, weil sie ihn auch noch einmal sehen möchte. Ich erklärte ihr, dass sie ihn nicht sehen kann. Wieso fragte sie mich dann, den Papst konnte man sich doch auch ansehen, als er gestorben war. Da begriff ist erstmal, was sie meinte. Irgendwie habe ich dann versucht zu erklären, dass Papa nicht in einem Sarg zu sehen ist. Dann meinte sie, wenn sie ihn nicht sehen kann, dann will sie nicht mit.

Es war erstaunlich, wieviel dieses kleine Wesen schon mitbekommen, verarbeiten und für sich entscheiden kann. Ich habe sie in dieser Hinsicht vollkommen unterschätzt. Ich weiß nicht, ob ich es so richtig gemacht habe. Aber ich habe ihr zumindest eine Wahl gelassen. Ich hoffe, dass sie mir später keine Vorwürfe machen wird, sondern mit den Entscheidungen, die ich für sie getroffen habe, leben kann. Im Moment habe ich jedenfalls das Gefühl, dass es ihr gut geht. Sie spricht viel über ihren Papa. Es sind schöne Erinnerungen, die sie immer wieder hervorholt. Sie stellt viele Fragen über die Zeit, in der sie noch nicht auf der Welt war. Und ich gebe ihr auf alles eine Antwort. So denke ich, halte ich ihn lebendig und sie braucht sich keine Sorgen zu machen, dass sie ihn vergessen wird.

LG Simone
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