Einzelnen Beitrag anzeigen
  #161  
Alt 23.08.2005, 23:23
Briele Briele ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.08.2005
Beiträge: 192
Standard AW: Von der Seele schreiben!!

Liebe Dagi,

das Buch kann man überall bestellen. Alina hat mich heute gefragt ob es empfehlenswert ist. Ich habe den Titel hautpsächlich deshalb erwähnt, weil Du diesen Satz wortwörtlich geschrieben hast. Es ist ein lesenswertes Buch, aber es wäre übertrieben zu sagen, dass es ein „Trösterbuch“ ist.

Ich erinnere mich, dass ich am ersten Tag nach Mamas Tod Fotos auflegte. So arg viele habe ich nicht, das ist etwas was ich bis ans Ende meiner Tage bedauern werde. Auf jeden Fall hab ich sie richtig aufgelegt. Ich hab mir nämlich gedacht wenn ich das nicht von Anfang an mache, dann brauch ich Jahre bis ich sie ansehen kann ohne dabei umzufallen.

Mein Papa starb zweieinhalb Jahre nach Mama. Ich habe hier drei Kassetten, von ihm besprochen. Es wäre sicher nett sie anzuhören weil wir, er und ich, einen Dialog führen. Papa ist jetzt dreieinhalb Jahre tot, ich hab sie noch nie gehört. Ich hüte diese Tapes wie einen Schatz, aber ich habe Angst zusammen zu brechen wenn ich seine Stimme höre. Hätte ich es kurz nach seinem Tod gemacht, wäre es anders gewesen.

Dagi, meine Liebe, halte mich bitte nicht für überheblich, aber ich bin mir ganz sicher, dass Ihr alles richtig gemacht habt bei Eurer Mami und dass Ihr jetzt weiterhin alles richtig macht in Eurer Trauer. Auf die Dauer gesehen ist das wichtig, jetzt einmal hilft das leider nicht viel.

Leider, leider kann ich keine Hilfsanker auswerfen und leider kann ich Euch auch nichts abnehmen. Ich kann mich nur wiederholen, in der ersten Zeit muß man einfach schauen, dass man Stunde für Stunde, Tag für Tag irgendwie durchsteht. Es aushält.

Arbeit tut gut. Bewegung in frischer Luft. Gesund und gut essen. Auf sich schauen. Auf die anderen schauen. Für sich etwas tun und für die anderen. Darüber reden, Darüber schreiben.

Kurz nach Mamas und auch dann nach Papas Beerdigung hatte ich für einige Zeit eine schöne Beschäftigung. Ich habe an Verwandte, Freunde, Nahestehende, an Menschen die ihnen etwas Liebes getan haben einen Brief geschrieben. Ganz individuell für jeden einen, in dem ich Bezug genommen habe auf deren Beziehung zu Mama, zu Papa. Und ich habe ein Andenken dazu gepackt. Und ein Foto. Ich habe meine Freundinnen, die fast alle ein nahes Verhältnis zu meiner Mama hatten eingeladen, ich habe das richtig zelebriert. Ein Besuch am Friedhof, ein gutes Essen, dann meine Geschenke und Briefe übergeben. Bei Papa war das dann auch so.
Es hat mir sehr geholfen.

Doch dann war das auch vorbei und ich bin wieder in mich zusammen gesackt. Nach wie vor finde ich meine „Gedenkstätte“ gut, zünde jeden Tag eine Kerze an.

Auch heute noch ziehe ich gerne eine Jacke von Mama an, einen Schal von ihr, auch einmal ein Hemd vom Papa.

Aber es sind alles nur Krücken, verzweifelte Versuche sich an etwas festzuhalten. Das einzige, und das ist es wirklich Dani, ist die Zeit, die einem hilft.
Und bei Euch natürlich – es ist ein Glück – seid Ihr es, Ihr helft Euch, stützt Euch und wann immer einer den anderen umarmt, oder Du Deine kleine Tochter in den Arm nimmst, dann umarmt ihr Eure Mama.

Heute umarme ich Dich liebe Dani und natürlich auch den Mario. Wie geht es Stefan?

Deine Tante Briele
Mit Zitat antworten