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Alt 02.10.2005, 22:46
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Von der Seele schreiben!!

Lieber Mario,

Deine letzten Einträge klingen todtraurig und wenn ich schreibe „todtraurig“, dann mein ich das auch. Es gibt ja viele Arten von Traurigkeiten, doch diese Art versteht man erst wenn man sie erlebt.

Wär ich in Deiner Nähe, bei Dir, dann würde ich Dich fest umarmen, vielleicht würde ich Dir vorschlagen, dass wir einen langen Spaziergang machen und ich würde Dich bitten über Brigitte zu erzählen. Vielleicht könnten wir dann zu Dani gehen und wenn ich Deine Nichte hochhebe, sie an mich drücke, dann wüsste ich, auch in ihr ist ein Teil von Brigitte.

Nun kann ich Dir nur auf diese Art eine Umarmung schicken.

Auf meinem Trauerweg hat es ein paar Erfahrungen gegeben, die so etwas wie eine kleine Erleuchtung waren. Ich weiß nicht mehr wie viel Zeit nach Mamas Tod vergangen war, aber irgendwann wurde mir klar, dass auch in meiner Trauer nichts bleibt wie es ist. Es gab Stunden, dann Tage, später wurden Wochen daraus, da dachte ich, jetzt geht es besser. Das, was ich so ersehnte, überwog in meinen Gefühlen: ich war voll Dankbarkeit meine feine Mama gehabt zu haben, voll Glück über unsere Liebe und ich konnte diese Dankbarkeit sogar ausdehnen und froh sein, dass sie nun ohne Schmerzen, dass sie in Sicherheit ist.
Und dann, aus irgendeiner Ecke kam etwas und es war alles wie am ersten Tag.
Ach Mario, ich kann Dir nicht sagen wie oft ich das erlebte und ich weiß wie verzagt ich wurde.

Aber es gab dann den Tag X, an diesem Tag begriff ich, was so einfach zu begreifen war. Heute ist heute und Morgen ist morgen. Wenn mich heute etwas zurückwirft, ich kaum ein und aus weiß vor Schmerz und Sehnsucht, so bleibt das nicht so für immer. Das kann schon morgen anders sein. Und umgekehrt genauso. Wenn man das weiß, wenn man das verinnerlicht hat, dann fühlt man sich nicht mehr so ausgeliefert.

Ich weiß nicht ob Du mit diesen Erfahrungen von mir etwas anfangen kannst. Vielleicht ist es noch zu früh.

Und dann gab es noch eine Überlegung. Ich fand meinen Zustand trostlos, schmerzhaft, kaum zum Aushalten. Aber es war auch eine sehr sehr schwere Zeit gewesen als Mama krank war. Ihr Leid, das Gefühl der Ohnmacht sie nicht retten zu können, die Sorgen, der Kummer, die Angst, all das war auch schrecklich gewesen. Nun war sie gerettet. Jetzt ging es nur mehr um meinen Kummer.

Ich hab Dir ja schon einmal geschrieben, dass meine Mama vor ihrem Tod zu mir sagte, dass sie mich immer lieb hat, dass sich daran nie etwas ändern wird, das immer so bleibt und ich mir das merken soll. Das ist bei allen Leuten so die sich lieben, Mario. Es dauert seine Zeit bis man mit dieser wahnsinnigen Sehnsucht umgehen kann und langsam versteht man, dass man ja weiterhin die Beziehung hat, die Liebe, es ist alles da, nur anders.

Sag, wann hast Du Deinen Termin für das Gespräch mit dem Psychologen? Wenn das arg lang dauert, vielleicht gibt es eine Möglichkeit über die Hospizbewegung? Die machen doch auch Trauerbegleitung?

Hab Dich gern, Mario und Dich auch, liebe Dani!
Ich wünsch Euch gute Tage
Eure Tante Briele
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