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Alt 01.11.2005, 18:02
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

lass Dich umarmen! Und warum sage ich das? Weil ich sonst eher wenig zu sagen habe, fürchte ich.

Ich glaube letztendlich macht es wenig Unterschied wie lange man sich gefühlsmäßig und mental auf das Schlimmste vorbereiten kann. Weil man es eben nicht kann, egal wie viel Zeit man dafür hat. Weil vieles offen bleibt, weil es eine einzigartige Erfahrung ist, sein wird. Für Deine Mama und für Euch. Dieses Nichtwissen, was, wann, wie sein wird, macht einen zusätzlich ängstlich und hilflos.

Und weil man dagegen kaum etwas machen kann, zumindest konnte ich dem nichts entgegen setzen, habe ich mir gesagt, dann kann ich nur versuchen mich zu „fügen“,
mich auf eine Art dem Schicksal ergeben, einfach Stunde für Stunde, Tag für Tag mich dem zu stellen, das mich erwartet. Es ist dies eine viel größere Herausforderung, eine viel schwerere Sache, als zu kämpfen, zu machen, zu tun, etwas zu bewegen.

Du sagst Deine Mama weiß nicht um die Prognose. Meine Mama hat in den drei Jahren von Operation bis zu ihrem Sterben ganz lange nie etwas gefragt. Daraus schloss ich, dass sie es nicht genau wissen will und ich habe mit den Ärzten vereinbart, dass sie mir alles sagen. Es war für mich schon eine zusätzliche Belastung immer diese Nervosität zu verspüren, ob das auch alles klappt, nicht jemand etwas locker dahin sagt, das hat mich oft ziemlich fertig gemacht. Aber dann, am Ende ihres Lebens, als sie ins Krankenhaus kam, da hat sie gefragt. Wir hatten dort auch sehr liebe Ärzte und einer sagte ihr, dass es nun keine Therapie mehr gibt, die ihr Leben verlängert, sie aber alles tun, damit sie schmerzfrei und möglichst beschwerdefrei ist. Dieser Arzt hatte sich dann bei mir entschuldigt, dass er nun mit ihr offen gesprochen hatte. Aber es war gut und richtig. Sie hatte nun nicht mehr den Gedanken durchhalten zu müssen, etwas aushalten müssen, damit es dann wieder weiter geht. Nun wollte sie schnell sterben, alles andere machte für sie keinen Sinn.

Keiner weiß wie alles wird, aber es kann gut sein, dass Deine Mama, wenn es denn für sie der richtige Zeitpunkt ist, Dich, oder einen Arzt fragt.

Ich verstehe Dich so gut, Saphir, wie entsetzlich es ist, dass Du diesen ganzen Schrecken nicht mit Deiner Mama besprechen kannst. Selbst wenn Du 100 Menschen um Dich hast, am besten wäre es mit ihr alles bereden zu können. Und das geht nicht. Du schreibst, es wäre Dir lieber gewesen, auch nichts darüber zu wissen. Ich glaube es hat aber auch einen Vorteil, eine ganz, ganz kleinen, dass Du es weißt. Zu Beginn dieses Briefes schrieb ich, man könne sich nicht vorbereiten. Damit meinte ich aber nicht den praktischen Teil. Da ist es wieder wichtig Zeit zu haben, damit man von den Ereignissen nicht überrannt wird.

In Gedanken bin ich oft bei Dir.
Briele
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