Einzelnen Beitrag anzeigen
  #15  
Alt 05.11.2005, 17:45
WaltraudH WaltraudH ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Dortmund
Beiträge: 25
Standard AW: Krebs und Partnerschaft

Ihr Lieben,

nun will ich auch meinen Senf dazu tun.
Ich schreibe aus der Sicht einer Betroffenen und aber auch aus der Sicht einer Partnerin, deren Mann auch an Krebs erkrankt ist.

2001 erkrankte mein Mann an Prostatakrebs. Leider war die Krankheit schon so weit fortgeschritten, dass eine Operation nicht mehr möglich war und der Krebs durch Strahlentherapie und nach einem Rückfall, durch Antihormontherapie in Schach gehalten wird. Er sitzt, wie man so schön sagt, auf einem Pulverfass.
Damals brach eine Welt für mich zusammen. Ich hatte panische Angst um meinen Mann. Ich versuchte aber trotzdem, ihn immer zu unterstützen und zu helfen, soweit ich es konnte.
Für mich war aber das Schlimmste, dass mein Mann (damals 51 Jahre) seine Krankheit "ganz locker" sah. "Ich hatte ein schönes Leben, wenn es denn jetzt zu Ende geht, ist es nicht so schlimm". Ihr glaubt nicht, wie betroffen mich diese Wort machten. Ich habe auf ihn eingeredet, wie auf ein krankes Pferd. "Ich brauche dich, du kannst mich doch nicht allein lassen" usw.

Ob seine Worte damals wirklich nur aus dem ersten Schock entstanden sind, weiss ich nicht, aber ich war nicht in der Lage diese Einstellung so ohne weiteres zu akzeptieren. Ich wollte ihn trösten, wollte mit ihm kämpfen und er reagierte ganz anders, wie ich gerechnet hatte. Wichtig wäre es damals gewesen, wenn er mir nicht den "starken Mann" vorgespielt hätte.

Viel schlimmer für ihn war, bedingt durch die Antihormontherapie, dass er seine "Männlichkeit" verlor. Er hatte die größten Sorgen, dass er seine vier Jahre jüngere Frau wegen dieser Sache evtl. an einen anderen Mann verlieren könnte. Das widerum war für mich überhaupt kein Thema, wäre es auch heute nicht. Geglaubt hat er es mir wohl bis heute nicht. Aber die Männer denken über Sexualität eben doch etwas anders, als wie die Frauen.

Dann kam im April 2003 der nächstes Schicksalsschlag. Ich erkrankte an Brustkrebs. Ablatio, Chemotherapie, Strahlentherapie, das volle Programm.
Nun brauchte ich jetzt plötzlich seine Unterstützung.
Da erwies er sich als liebevoller Partner. Er hatte jetzt ja ein ganz anderes Wissen bezüglich der seelischen Verfassung eines Betroffenen, als wie jemand, der bis zur Erkrankung seiner Partnerin über diese Krankheit nicht Bescheid wusste.Er geriet nicht in Panik, wie es bei mir der Fall war, nachdem wir übers seine Erkrankung Bescheid wussten.

Ich bin dann mit der Erkrankung ganz anders umgegangen, als wie er. Allen, die es hören wollten, teilte ich mit, "so schnell gebe ich nicht auf, ich will doch schließlich noch meine Enkelkinder erleben".
Aber das Schicksal ließ mich bzw. uns nicht mehr los. Im September 2004 entdeckte man bei mir eine Lungenmetastase, im Januar 2005 Metastasen im Lendenwirbel und im April 2005 Metastasen und eine Fraktur im Becken. Ich erhielt wieder volles Programm. Bestrahlungen einmal 25 und einmal 22. Danach wöchentlich Chemo. In dieser Zeit habe ich mich wohl doch sehr verändert. Mit jeder negativen "Neuigkeit" verlor ich die Kraft zu kämpfen und plötzlich muss mein Mann mit ansehen, wie aus der Kämpferin jemand wurde, der vielleicht oft ungerecht war. Ich, aus meiner Verzweiflung, und er, weil er so hilflos ist, sind gegenseitig sehr agressiv geworden.
Andererseit hängen wir wie Kletten aneinander und würden unsere Partnerschaft nach 30 Jahren nicht einfach so aufgeben. Das, bitteschön, darf diese Krankheit doch wohl nicht auch noch zerstören. Also, alle Betroffenen, kämpft weiter. Kämpft um euer Leben und um eure Liebe.

Eure Beiträge haben mich wieder ein bischen wachgerüttelt. Ich habe mir fest vorgenommen, wieder zu kämpfen. Weiss ich doch aus eigener Erfahrung mit meinem Mann , wie schlimm es für den Partner ist,wenn man sich aufgibt.
Aber auch mein Mann hat sicher einiges dazu gelernt.

Eines ist klar. Der Krebs verändert jeden Menschen. Wichtig ist aber dabei, sich mit seinem Partner auszusprechen und seine Ängste klar dazulegen.
Auch der nichtbetroffene Partner sollte seine Gedanken offenlegen. So kann man vielleicht , sollte die Partnerschaft nicht aus anderen Gründen kranken, eine schöne Zweisamkeit erhalten.

Ich hoffe, ich habe mit meiner kleinen Ausführung auch etwas zu diesem sicherlich wichtigem Thema beigetragen.

Viele liebe Grüße
Waltraud
Mit Zitat antworten