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Alt 13.12.2002, 12:20
Gast
 
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Standard niere raus...tumor raus....was nun?????

Lieber Murat,
zunächst einmal zu Deiner Bekannten mit Nierenzellkarzinom: wichtig ist, daß sie sich kundig macht, ob Lymphknoten, die mit der Niere entnommen wurden, positiv waren. Wenn ja, sind das eindeutig Lymphknotenmetastasen, d. h. der Tumor war direkt an das Blut- bzw. Lymphsystem angeschlossen und konnte Krebszellen verbreiten, auch wenn Fernmetastasen zur Zeit noch nicht sichtbar sind. In dem Fall ist es nicht damit getan, die Niere und die Lymphknoten zu entfernen. Dann sollte sich auf jeden Fall eine weiterführende Therapie anschließen. Aus dem pathologischen Bericht nach der Nierenentfernung ist das Tumorstadium zu erkennen ( T, N, M ). Hinter diesen Buchstaben stehen Zahlen, wobei T für die Ausweitung des Tumors steht, N für Lymphknoten und M für Fernmetastasen ( also Metastasen in anderen Organen ). Eine Null hinter dem N oder M bedeutet keine befallenen Lymphknoten und keine Fernmetastasen.
Aber auch bei keinem Lymphknotenbefall ist es ungemein wichtig, daß sich Deine Bekannte engmaschigen Kontrolluntersuchungen unterzieht ( erst alle 3 Monate, später alle 6 Monate ). Hierbei sollten Ultraschalluntersuchungen und gegebenenfalls CT- bzw. MRT-Kontrollen durchgeführt werden, auch im operierten Gebiet, da auch hier Rezidive auftreten können ( wichtig: die Lunge nicht vergessen!!!). Vielleicht kannst Du das an Deine Bekannte weitergeben. Wenn sie noch Fragen hat, nur zu, wenn ich kann, helfe ich Euch gerne.
Nun zu Dir, lieber Murat,
ich denke, man wird im Nachhinein nicht mehr feststellen können, ob es jetzt letztendlich der Tumor war oder die Belastung durch die Bestrahlung und die nachfolgende Salmonellen-Erkrankung, die zum Tod Deines Vaters geführt hat. Tatsache ist leider, daß Dein Vater sich in einem sehr fortgeschrittenen Stadium der Krebserkrankung befunden hat. Und da macht irgendwann der Organismus nicht mehr mit. Man wird also in einem solchen Stadium nicht mehr genau differenzieren können, hat jetzt die Belastung des Organismus durch die primäre Krebserkrankung oder die zusätzliche Belastung durch die Therapiemaßnahmen zum Ende geführt. Vielleicht hilft es dir, wenn Du dir vor Augen halten kannst, daß Dein Vater letztendlich nicht lange gelitten hat und ruhig von dieser Welt gegangen ist. Ich habe leider bei anderen Krebserkrankungen in meiner Tätigkeit als Krankenschwester lange, lange "Sterbeprozesse" erlebt, habe miterleben müssen, wie diese Patienten immer weniger wurden und eigentlich nur noch Leiden des Patienten und seiner hilflos danebenstehenden Angehörigen vordergründig waren. Nicht, daß ich mir anmaßen würde, das Leben dieser Patienten als nicht mehr lebenswürdig zu bezeichnen, es waren die Patienten selbst, die sich nach dem Ende gesehnt haben. Und das ist Deinem Vater erspart geblieben. Auch wenn es schwer fällt, versuch dafür ein wenig dankbar zu sein. Behalte Deinen Vater als Menschen in Erinnerung, der bis kurz vor seinem Ende GELEBT hat, so wie er leben wollte.
Mir ist nicht genau bekannt, ob Du die Krankenakten als Angehöriger nach dem Tod ohne begründeten Verdacht, daß da etwas schief gelaufen ist, beanspruchen kannst. Du könntest es natürlich versuchen, aber die Sache steht m. E. auf recht wackeligen Beinen. Und es hilft Dir letztendlich nicht. Ich hoffe, Dir wieder ein wenig geholfen zu haben und wünsche Dir die Kraft, den Tod Deines Vaters in Ruhe verarbeiten zu können.
Liebe Grüße,
Ulrike


Hallo,
darf ich mich zwischendurch mal zu Wort melden. Ich heiße Jürgen und bin der Ehemann von Ulrike mit den beiden Nierentumoren links und rechts. Entdeckt durch Zufallsbefund. Jeder, der eine solche Diagnose gestellt bekommt, kann sich meinen psychischen Zustand vorstellen, andere vielleicht auch. Ich hatte keine Ahnung, was man tun und was man lassen sollte. Heute kann ich mit Überzeugung sagen: Hätte ich meine Frau, Ulrike, nicht zur Seite gehabt, wer weiß, wo ich heute wäre. Zumindestens wäre ich Dialysepatient, hätte keine Niere mehr. Jetzt ist meine linke Niere raus, mit einem befallenen Lymphknoten. In der rechten Niere ist der Tumor mittels Embolisation und Radio-Frequenz-Therapie "eliminiert" worden, lt. letztem MRT z.Zt. "restlos", wenn ich als Laie das so ausdrücken darf.
Von Ulrike bekam ich zu hören, ich müßte mich informieren, müßte ein "mündiger Patient" werden. Muß ich jetzt noch Medizin studieren, wenn ich krank werde? Das war meine Reaktion. Dank Ulrike haben wir uns "eine zweite Meinung" eingeholt. Es müssen mindestens 5 gewesen sein - jeder Besuch bei einem anderen Chefarzt einer Uniklinik mit anderem Therapievorschlag. "Sie, Herr Patient, müssen entscheiden, was wir mit Ihnen machen sollen". Meine Antwort: "Bin ich hier in SB-Krankenhäusern? Muß ich demnächst mein Skalpell selbst mitbringen? Wie soll ich als Laie entscheiden, welche Art der Behandlung, OP etc. für mich die Richtige ist?"
Nach den ersten Ärzten gab es nur eine Methode: OP - Nieren raus. Beide. Die rechte Niere könnte evtl. mit einer Chance von 10 % die Tumorentfernung überstehen, aber mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit muß auch die ganz raus - Folge: Dialyse.
Dank Internet, dank Ulrike und meiner Schwester in Australien haben wir in USA Behandlungsmethoden kennengelernt, die in Europa scheinbar unbekannt waren.Vorab: Hinterher, nachdem wir eine behandelnde Klinik gefunden hatten (durch Zufall, wie denn sonst ! ) stellte sich heraus, dass es eine Reihe weiterer Kliniken in Deutschland gibt, die das ebenfalls machen. Aber scheinbar keinen Arzt, von denen, die wir konsultierten, die davon etwas wußten. Chirurgen schon gar nicht, die wollen schneiden, habe ich das Gefühl.
Heute habe ich eine "Rest"-Niere, mit relativ guten Werten, mache eine Immun-Chemo-Therapie (Interferon, Interleukin, 5-FU), von der ich noch nicht weiß, ob sie hilft. Eines aber weiß ich: Man sagt, ich hätte ganz wenig Nebenwirkungen aufgrund der Therapie bekommen. Vielleicht bin ich ja ein "Weich-Ei" - aber ich habe das Gefühl, ich hatte eine relativ gute Kondition VOR Beginn der Therapie und meine, man muß schon "kerngesund" sein, wenn dann noch erhebliche Nebenwirkungen dazu kommen können, um das zu überstehen. Wenn ich dann lese, daß es Ärzte gibt, die die Behandlung verschieben wollen, weil der Zustand des Patienten "noch so gut " ist, könnte ich schreien.
Was noch alles passiert ist und noch passiert wäre, wenn mein "Schutzengel Ulrike" nicht aufgepasst hätte wie ein Wachhund und allen auf die Finger geschaut und nachkontrolliert hätte, wage ich nicht, mir auszumalen.
"Du musst ein mündiger Patient werden". Wie ich diesen Satz gehasst habe. Ich gehe ja auch nicht mit meinem defekten Auto in die Werkstatt um dort zu hören: Was sollen wir machen, um diesen Defekt zu beheben? Die Reifen wechseln, den Anlasser, die Lichtmaschine oder gleich den ganzen Motor auswechseln? Wie hätten Sie's denn gerne.
Ich finde, die Mediziner machen es sich da etwas sehr einfach. Entscheide Du, was gemacht werden soll. Du weist es nicht? Komm wieder, wenn Du mit Deinem Medizinstudium fertig bist.
Ich wollte diesen meinen Frust und mein Glücksgefühl über das bisher Erreichte unbedingt mal loswerden. Ich habe, wenn Ulrike gemailt hat und mails ankamen, viele mitgelesen. Viele mit Tränen der Wut und Hilflosigkeit in den Augen.
Andererseits will ich aber auch Hoffnung machen. Es ist nicht immer die richtige Meinung, die man vom ersten Arzt hört. Geht auf die Suche, fragt und fragt und fragt. Manchmal erfährt man "zufalls-befundig" (wenn es das Wort gibt) auch andere Meinungen, Diagnosen und Therapien.
Ich wünsche allen Betroffen viel Glück.
Jürgen, mit 58 Jahren m.E. noch etwas zu jung, um die Löffel abzugeben
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