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Alt 03.02.2006, 23:15
Magast Magast ist offline
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Standard AW: Sie bekam nicht mal den Hauch einer Chance, dagegen zu kämpfen

Hallo ihr Lieben!

Also ich denk mir schon meinen Teil dazu, was an dem Tag passiert ist, als sie starb. Die größte Sorge meiner Mutter war, das meine Schwägerin, zu der niemand von uns Kontakt hat,sich eines Tages, wenn meine Eltern mal nicht mehr sind, sich ins gemachte nest setzt, durch meinen Bruder.

Ich weiss nicht warum, aber meine Schwester kam Sonntag Vormittag auf das Thema, hat immer gesagt"Papa, lass dir nichts vormachen und nichts einreden" Mein Vater hat immer gesagt - auf keinen Fall, die tritt mir nicht über die Schwelle. Ich bin sicher, diese Worte meines Vaters haben meiner Ma die Ruhe gegeben, zu gehen.

Die Trauerfeier war sehr schön, bis auf das mein Bruder seine dämliche Frau anschleppte, beide wie aus der Rot Kreuz Kammer angekleidet, und - sie wohnen zu Fuss zwie Minuten von der Kapelle entfernt und kamen zu spät.

Der Blumenschmuck war wunderschön, wir haben alle geweint, meiner Ma hätte es gefallen

Ich hab es ohne Tabletten durch gestanden, neben mir an der Wand stand so ein Korb, schmal, hoch, mit langem Tragebügel. Ich hab mich sehr darauf konzentriert, ist das nun ein Papierkorb oder für Regenschirme? Das hat mich gut abgelenkt.

Ich vermisse meine Mutter sehr, seit mitte November haben wir uns täglich gesehen, ich bin mit ihr zu all den Untersuchungen gefahren, die zur Diagnosestellung notwendig waren, habe zwischenzeitlich viel im Internet gelesen, habe viel geweint, aber meine Ma hab ich immer aufgebaut. Wir haben Stunden in Wartebereichen verbracht, zusammen im Krankenhauscafe gegessen wenn die Zeit lang wurde. Sie sagte immer, ich brauche nicht warten, sie würde mich anrufen wenn sie nach Hause kann. Nein, ich hab mit ihr gewartet, mit ihr gezittert.

Ich war dabei, beim Diagnosegespräch, als der Onkologe sie bat, sie möge regeln, was sie noch zu regeln hat.

Bis auf ein einziges Mal, wo ich wirklich nicht konnte, war ich jeden Tag im Krankenhaus, habe ihr Kaffee gebracht, ihre Beine massiert, wenn sie ne Currywurst wollte (morgens um zehn!) bin ich sofort los geschossen und hab ihr eine geholt.

Neujahr, mein Mann und ich sind in der Silvesternacht Taxi gefahren, haben den Jahreswechsel bei meiner Mutter im Krankenhaus verbracht. Nach so einer Schicht ist man kaputt, aber ich hab mich hingestellt, hab meiner Ma Kartoffelpuffer gemacht, na und, kaputt sein kann ich immer noch.

Ab und an fing sie an zu weinen, sie wusste ganz genau, das ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. ich habe ihre Tränen getrocknet, sie wieder aufgemuntert.

So oft ich bei ihr im Krankenhaus war, so oft klingelte hier zu Hause einmal das Telefon. Das war das Zeichen, ich soll sie mal anrufen, denn die Einheiten im Krankenhaus sind ganz schön teuer. Gott, was haben wir telefoniert, uber alles mögliche geredet, uns gingen nie die Themen aus.

Wenn sie Nachts nicht schlafen konnte, dann haben wir gesimst, meine Mutter konnte zum Schluss fast so schnell simsen wie ich.

Wie ich das alles vermisse, und wie froh ich bin, jeden Tag dagewesen zu sein.


Mich stören nur die letzten zwei Tage vor ihrem Tod. Mein Bruder hat sich Dinge im Sterbezimmer geleistet, das werde ich nie im Leben vergessen.

Als es Freitag morgen hieß, sie liegt im Sterben, sind wir natürlich alle sofort hin. Den Abend vorher hatten wir alle, meine Geschwister und mein Bruder, noch telefoniert, das wir sie nach Hause holen zum sterben, wenn es nicht besser wird. Nur - nun lag sie im Sterben.

irgendwann Nachmittags bekamen wir Hunger. Mein Neffe bot sich an, für alle was von Mc Donald zu holen. Meine Tante und ich, wir wollten nichts.

Mein Neffe kam wieder, mein Bruder knisterte laut rum, fing an zu schmatzen, meine Tante fragte ihn, ob er das okay findet. Er fand es okay... er sagte mit vollem Mund, das Leben gehöre zum tod dazu. Kein bisschen Respekt udn Achtung vor seiner sterbenden Mutter.

Samstag früh fuhren meine Schwester und ich kurz nach Hause, um zu duschen. Es waren also nur meine Tante und mein Bruder da, als ein Arzt zur Visite kam. Mein Bruder hat verlangt, das der Arzt das Beruhigunsmittel absetzt. Er will, das seine Mutter wieder zu sich kommt und ansprechbar ist, damit wir sie nach Hause bringen können. Hallo???? Der Arzt und die Schwester waren ziemlich pikiert, haben meinen Bruder gefragt, ob das sein ernst wäre.

Er fing, da kam ich gerade wieder, im Sterbezimmer eine lautstarke Diskussion mit meiner Tante an. Er wollte einfachnicht begreifen, das meine Mutter ohne Beruhigungsmittel nicht wieder aufwacht, sondern nur angst vorm sterben hätte. Ich bin vor Wut fast geplatzt, sagte aber nichts im Zimmer. Im Raucherzimmer habe ich ihm dann gesagt, machst du sowas noch einmal, dann werfe ich dich eigenhändig raus. wir haben ihn gefragt, ob er will, das unsere Mutter während des Transports stirbt. Na und meint er, sie stirbt doch sowieso.

Seit dem habe ich kein bisschen Achtung mehr vor meinem Bruder, er hat meine Tante dazu gebracht, das sie am Samstag noch abreiste, sie kam extra aus dem Schwarzwald nach Hannover, um ihrer Schwester bei zu stehen.

Das macht mir im Moment glaub ich mehr zu schaffen, so eine Respektlosigkeit, so ein verachtendes, ignorantes Verhalten habe ich noch nicht erlebt.

Das hätte ich meiner Ma gern erspart in ihren letzten Stunden.

Puh, hab so viel geschrieben, sorry!

Lg Magast
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