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Alt 24.02.2006, 13:52
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Sandra! Sandra! ist offline
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Standard AW: Magenkrebs, Metastasen, Chemo, Blutübertragung und jetzt noch Bauchwasser!

Liebe Marion,

dein Beitrag hat mich richtig mitgenommen. Zu sehr ähneln sich unsere Lebensgeschichten. Die Idee mit dem Erinnerungsgeschenk finde ich sehr schön. Leider ist es auch mit einem traurigen Abschied verbunden. Aber wie ich ja schon immer gesagt habe, man darf die Hoffnung nie aufgeben!
Es tut mir sehr leid, dass es deinem Vater zurzeit so schlecht geht. Das, was euch nun bevor steht, kenne ich nur all zu gut. Wir haben auch das Wohnzimmer meiner Eltern etwas umräumen müssen, damit das Pflegebett, der Nachtstuhl, Nachttischchen und ein Besuchertisch samt Stühle schön hinpassten. Wir haben meinem Vater auch ein schnurloses Telefon und sogar eine kleine Glocke hingestellt, damit er sich immer leicht bemerkbar machen konnte. Wie gut, dass du deinem Vater das Baby-Phone besorgt hast. Ihr könnt aber dennoch froh sein, dass es ihm bisher noch so lange gut ging und er sich alleine bewegen konnte. Mein Vater hatte sich von der OP nie richtig erholt und war seit dem sehr schlapp auf den Beinen. Anfangs hatte er noch den Weg ins Schlafzimmer ins 1. Obergeschoss geschafft, aber das ging nur 2 bis 3 Wochen mehr oder weniger gut, dann haben wir das Erdgeschoss umgestaltet. Ich weiß noch als ich und meine Mutter ihn aus dem Krankenhaus (nach 7 Wochen Aufenthalt) abgeholt hatten. Er war total aufgeregt und hat sich riesig auf sein Zuhause gefreut. Er meinte, dass er noch nie so lange von Zuhause weg war. Das war richtig ergreifend und bei uns sind hier und da ein paar Tränchen geflossen. Aber nicht weil wir traurig waren, sondern weil wir glücklich waren ihn endlich mal wieder mit nach Hause nehmen zu dürfen. Zu dem Zeitpunkt dachten wir ja auch noch, dass er nun erst mal ein bisschen Ruhe vor dem Krankenhaus hat. Aber leider war dem ja nicht so. Er war kaum mal länger als eine Woche zu Hause, da stand immer etwas an, warum wir ihn wieder einliefern mussten. Sei es wegen einer Chemo, aufgegangener Bauchnähte, Wasseransammlung im Bauch- und Lungenbereich, umfangreiche Untersuchungen etc. Aber immer wieder fanden wir in all dem Leid etwas Positives, was uns wieder etwas „fröhlicher“ stimmte. Ich weiß, das ist irgendwie etwas schizophren, aber ich glaube so etwas nennt man auch sich an einem Strohhalm festklammern!

Liebe Marion, ihr müsst nun sehr stark sein, ich weiß was euch nun bevorsteht. Es zerreißt einem das Herz, aber glaube mir, nicht nur euch! Es ist nicht nur für euch ein schwerer Abschied, sondern auch für deinen Vater. Erinnere dich an meine ersten Antworten in diesem Thread. Aber irgendwann werden wir unsere Liebsten wiedersehen, das ist der einzige Trost, den wir haben!
Ich werde nie diesen ergreifenden Augenblick im Krankenhaus vergessen, als ich an mein Vaters Bett saß. Er schaute mich an, rang sichtlich um Fassung, seufzte laut und nahm ganz fest meine Hand und sprach mit einer ganz traurigen und verzweifelten Stimme: „Sandra, ich will doch noch gar nicht sterben. Ich möchte noch so viele Sachen mit euch erleben. Ich bin doch noch jung!“ Ich konnte nicht wirklich etwas Passendes darauf sagen. Ich flüsterte nur, dass wir alle nicht wollen , dass er geht und das wir das ganze Geschehen auch nicht begreifen können.

Ich glaube, dass die betroffene Person es spürt, wenn es zu Ende geht. Mein Vater hatte es auch gespürt und es seinem besten Freund „verraten“. Und als die beiden sich zum letzten Mal gesehen hatten, wussten beide, dass es DAS LETZTE MAL sein würde. Sie hatten in diesen Stunden sich alles gesagt, was noch zu sagen war. Haben zusammen gebetet, obwohl mein Vater gar nicht so religiös war. Und letztlich haben sie sich unter Tränen voneinander verabschiedet, da sie beide wussten, dass es das letzte Mal sein wird. Im Nachhinein ist es echt erschreckend, aber andererseits konnten wir uns so noch alle von ihm verabschieden. Wenn ich daran denke, dass andere plötzlich aufgrund eines Unfalles, Herzversagens oder Schlaganfalls von uns gehen, so ist der andere Weg vielleicht doch besser!? Aber ich weiß es nicht wirklich! Egal wie es letzten Endes passiert, es ist so oder so sehr schwer diesen Verlust zu verarbeiten.

Ich hoffe, dass euch noch ganz viel Zeit bis dahin bleibt; ihr noch viele schöne Momente zusammen erleben werdet und sich das Leiden bei deinem Vater in Grenzen hält!

Liebe Marion ich drücke dich ganz fest und schicke dir ein ganz dickes großes Kraftpaket! Melde dich, wenn was ist!

Viele liebe und mitfühlende Grüße
Sandra
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