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Alt 19.02.2003, 15:39
Gast
 
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Standard lungenkrebs

Hallo Leute.

Heute hatte ich Chemo. - Taxol. Ich habe gestern 2 Stunden das Internet durchwühlt, um heraus zubekommen, wieso Taxol bei einem Kleinzeller gegeben wird. Ich war kurz davor meinem Arzt zu mißtrauen, daß er sich da vertan hat. Doch dann fand ich den einzigen Link, wo man aufgeklärt wird.
Taxol reichert sich in den Zellen an und blockiert die Zelle im sog. G2 Zyclus. Also kurz vor der Teilung. (Andere Chemo wirkt wohl nur während der Teilung) die Bestrahlung wirkt wohl gerade dann besonders gut, wenn die Zelle im G2 Zyclus ist. ("na, hoffentlich weiß die Zelle das auch").
Heute morgen also erst mal Antiübelkeitsmittel, unter anderem was, was müde macht. Plötzlich totale Schmerzen im Brustbereich. Man gab mir so eine Morphiumtablette, die nicht wirkte. Also noch so eine Morphiumtablette. Ich war total von der rolle und schlimmer als besoffen.... Leider ohne Wirkung. Dann plötzlich Schluckauf....Daraufhin wollten sie mir Atosil geben... Doch das wär zuviel des Guten für meine Psyche gewesen.... Nach 4 Stunden Chemo in Windeseile zur Bestrahlung. Dort brechend voll "es wird gut ne STunde dauern...". Da ich leider keine Pralinen und Schmiergeld zur hand hatte, habe ich der netten Frau gesagt, daß sie bitte ab und zu gucken soll, ob ich nicht schon vom Stuhl gefallen bin. Ich habe mich dann gemütlich an die Wand gelehnt, hab mein elendigstes Gesicht aufgesetzt, was ich habe und habe die Augen geschlossen.... Nach 5 Minuten war ich dran. Gott sei dank. - DAs Bestrahlungsgerät war kaputt, man bestrahlte mit einem alten Ding, wo per Hand und Schaumstoff die Bestrahlungsränder eingestellt wurden. So ein schei´ß Gefühl. DAs hat bestimmt rechts und links alles mitbestrahlt.....
Endlich um zwei zuhause. - Die kinder streiten ständig. Eine Psychologin sagte mir, daß sei die Form, wie sie Trauer zeigen. na, Prost Mahlzeit.
Ein großes Lob den Taxifahrern, die immer warten und sich jeden Scheiß von uns anhören. Immer versuchen Mut zu machen und auch ne Menge aushalten.

Hallo Fredi.
Ich kann dich so gut verstehen. Die Angst und besonders die Frage "wozu leben" ist immer da. Wenn man sich, wie ein Krebskranker mal ehrlich mit dem Leben und dem Tod auseinander gesetzt hat, ist man innerlich meilenweit entfernt von den anderen Menschen. Denn es stellt sich die Frage, was ist anders, ob ich heute oder in 3 oder 4 Monaten sterbe. Für mich sehe ich da keinen Unterschied drin. Gestern sagte mir jemand, er an meiner Stelle würde wegfahren und das Leben geniessen. Paris, Rom, Malediven. Hahaha. Und morgens um 9 bin ich pünktlich zur Bestrahlung zurück!!! ja, Malediven. Keine Sonne, wegen der Chemo, kein Meer wegen den ausserirdischen Landeplätzen in Filzstift auf meinem Körper. "machen sie sich doch noch ein paar schöne Urlaubswochen mit den Kindern..." Ja, gerne, aber wann?

100 Schlaftabletten... ich habe auch schon gerechnet. 10 Lexotanil, 20 Valium, 20 Stilnox, 20 Morphiumtabletten... und wenn das alles nicht reicht. - Ich habe auch Angst vor diesem Schritt und kann ihn wohl nicht machen. Ich habe Angst zu sagen " hört auf, Leute damit, ich will keine Lebensverlängerung". Ich habe Angst vor den Strahlenschäden und Angst vor allem, was kommt.

Ja, ich will auch leben, aber so wie ich früher gelebt habe. Mit der Illusion, daß ich ewig lebe. Mit der Illusion, daß eine Grippe nach 7 Tagen weg ist und die schlimmste Magenverstimmung wieder ausheilt. Ich will leben mit der Hoffnung auf Enkel, auf gesunde Kinder, auf Kaffee trinken im Rentenalter. Mit dem wissen auf den Sommer und den Winter. Das wäre ein Leben.

Zu den Angehörigen möchte ich sagen, daß das eine Zeit ist, in der man sich kennen lernt. Der Krebskranke lernt sich kennen, seine Gefühle, seine Grenzen, seine Stimmungen. Der Angehörige lernt sich kennen. Auch der Angehörige wird ja in bestimmter Weise plötzlich mit der endlichkeit des Lebens konfrontiert und muß einen Weg finden, wie er damit umgeht. Verfällt er in Depressionen, oder schafft er es trotzallem noch zu lachen und sein Leben zu geniessen. Oder wird er so solidarisch, daß er auch nur noch leidet und sein Leben davon beeinflussen läßt. - Dir Yvonne wünsche ich so sehr, daß du das Krankenhaus verläßt, in eine andere Rolle schlüpfst und dir das Recht nimmst mit deinen Kindern zu lachen. Sei bei deiner Mutter, wenn du bei ihr bist. Aber sei bei deinen Kinder, wenn du bei ihnen bist. Das kannst du nicht den ganzen Tag mit dir tragen und deine Mutter würde es nicht wollen. Vielleicht verschwindet dann auch die Stahlwand zwischen dir und deiner Mutter, wenn du dann bei ihr bist.

Dir Susi möchte ich sagen, daß ich es total okay finde, daß du in den Armen deiner Mutter weinst. Ich wünschte meine Söhne würden in meinen Armen weinen. Doch sie liegen dann da und starren in die Luft. - Ich wünschte, sie würden über ihre Ängste sprechen. Oft ist es so, daß ich mit ihnen über die Ängste sprech, von denen ich annehme, daß sie die Ängste haben und ich ihnen dann Trost gebe, für Ängste, die sie nicht ausgeprochen haben.
Ich finde es als Betroffener gut, wenn mein Gegenüber auch einmal "nicht nur zuversichtlich" ist sondern auch mal über das unabwendbare Ende spricht. - Du machst das gut so. - Ich glaube jeder Angehörige macht es gut, so wie er es macht. - Denn jeder Krebskranker ist anders und will anders angeprochen werden. - Macht weiter so.

ich will euch noch was sagen, was mir schon lange auf der Seele brennt. - Ich habe einmal in einem Beitrag geschrieben, daß ich auch jemanden habe, der mich in allen Situationen unterstützt und für mich da ist, der meine Launen aushält. Ihr alle habt daraus geschlossen, daß ich eine Ehefrau habe, die immer für mich da ist. - nein, das ist nicht so. Ich bin ein alleinerziehender Vater. Ich habe allerdings wirklich eine gute (platonische) Freundin, die telefonisch jederzeit für mich da ist und mich begleitet. - doch ihr könnt euch nun vielleicht vorstellen, wie schwer es auch für mich ist, daß alles alleine hinzukriegen. Jederzeit trotzdem Stark für die Kinder zu sein. Schule, Essen, Wäsche zu organisiern. Die Kinder unterzubringen, wenn ich so lange Tage habe wie heute und den Großen klar zu machen, daß sie den Müll runter bringen müssen, weil ich es nicht schaffe. Und trotzdem nicht die Dramatik heraus zu kehren, sonder zu vermitteln, daß es morgen schon wieder geht.
Die Mutter hat sich ganz der Karierre verschrieben und nimmt die Kinder alle zwei Wochenenden, wenn es in ihren Termin kalender paßt. Am Montag habe ich ihr gesagt, daß es nun langsam wirklich ernst wird und sie hat da wohl erst kapiert, was ich ihr schon vor einem halben Jahr versucht habe klar zu machen....Sie hat es wohl total verdrängt, oder hat gedacht, ich schaffe das noch....

Das ist der einzige Grund, warum ich für meine Jungs kämpfe.
Der Kleine hat bis zum Sommer Schwimm unterricht und ich hoffe, ich schaffe solange, damit er im Wasser sicher ist und nicht ertrinken muß, weil dann keiner Zeit mit hat mit ihm das Schwimme zu üben.

Ich mußte das mal hier loswerden, weil das für mich so schwer ist, zu tragen.

Ansonsten bewunder ich alle Angehörigen hier und wünschte mir, ich hätte auch jemanden, der mich manchmal zuviel betüddelt oder auch mal nervt.

Ich danke euch, daß ihr mir zugehört habe. - und ihr seht an der Länge meines Beitrags, daß meine Seele voll ist.

Ich werde mich jetzt in meinem Morphium Rausch etwas in den Garten setzten und im Schatten die Sonne geniessen.
(Wahrscheinlich hat mich das Morphium auch so gesprächig gemacht - sorry.)

LG
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