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Alt 20.07.2007, 11:54
Eponine1974 Eponine1974 ist offline
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Standard AW: Kranke und Angehörige

Zitat:
Zitat von Joel Beitrag anzeigen
Was mich manchmal etwas traurig stimmt - und da lese ich dann auch nie weiter sondern klicke den Beitrag gleich weg - wenn jemand als Angehöriger sich selber bejammert. Es ist immer noch der Kranke der eine konkrete Angst vor dem Tod hat, es ist der Kranke, der Schmerzen hat, der unsäglich zerstörende Therapien durchleiden muss, was ist dagegen da mein kleiner Schmerz als Angehöriger? Ich habe doch NUR Verlustangst, und Angst am Ende alleine zu sein. Eigentlich müssten wir aber alle diese Angst haben, der Mensch den man liebt kann morgen vom berühmten Ziegelstein getroffen werden
Das ist zwar richtig, leider aber auch symptomatisch fuer den Umgang mit Angehoerigen von Krebskranken.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natuerlich ist der Kranke derjenige, der am staerksten und schlimmsten betroffen ist (obwohl manche Kranke das selber ja gar nicht so sehen wollen, meine Ma z.B. denkt immer noch hauptsaechlich daran, dass es mir in dieser Situation gutgeht, statt endlich mal an sich zu denken).
Der Schmerz der Angehoerigen und das, was sie in dieser Zeit durchmachen, wird aber leider sehr oft heruntergeredet. Es gibt Leute, die werden selber krank, weil sie es einfach mental nicht schaffen. Nun kann man sagen: "Dann sind die eben schwach!" Es sind aber nicht alle Menschen gleich - genausowenig wie alle Krebskranken gleich mit der Krankheit umgehen, tun das auch nicht alle Angehoerigen. Das macht die, die damit besser umgehen koennen, ganz gleich ob persoenlich oder als Angehoeriger betroffen, ja nicht zu besseren Menschen.

Wie ich schon sagte habe ich in meinem Leben sehr viel mit Krebs zu tun gehabt, und ich fand immer, dass die Familie der Erkrankten relativ alleingelassen wurde, obwohl da manchmal auch Hilfe angebracht waere. Letzten Endes muss man doch auch sehen, dass wir unsere Lieben viel besser unterstuetzen koennen, wenn es uns selbst zumindest einigermassen geht.

Nein, ich habe ganz persoenlich keine Angst, allein zu sein, weil ich weiss, dass ich das nicht bin oder sein werde. Natuerlich moechte man als Tochter von 33 seine Mutter noch nicht verlieren, aber den Zeitpunkt kann man nicht bestimmen, und ich habe wenigstens die Chance, mich auf den Abschied vorzubereiten - die hat man bei einem ploetzlichen Tod ja nicht. Es ist aber auch so, dass keine zwei Lebenssituationen sich gleichen, daher kann man das nicht pauschalieren. Unsere Situation ist z.B. durch meinen Wohnsitz im Ausland sehr kompliziert, und man bekommt da wirklich keinerlei Hilfe irgendwelcher Art.

Der Vergleich mit dem Ziegelstein hinkt fuer mich ganz persoenlich. Natuerlich kann sowas immer passieren. Der Schmerz, wenn einem ein geliebter Mensch ploetzlich entrissen wird, ist gross. Sieht man aber ueber Monate oder Jahre, wie es mit jemandem, der einmal stark war, bergab geht, ist das nicht unbedingt einfacher.
Kuemmert man sich als naechster Angehoeriger um den ganzen Behoerdenkram waehrend Behandlung und Pflege, ist das auch eine zusaetzliche Belastung, die es bei einem ploetzlichen Tod so nicht gibt. Das eigene Leben steht manchmal fast still. Das ist sicherlich etwas anders, wenn es sich um den Partner handelt, weil das taegliche Leben da noch ganz anders verbunden ist. Wenn es aber die Eltern erwachsener Kinder sind, ist die Situation eine andere. Das hat auch nichts mit Selbstmitleid zu tun, sondern einfach damit, dass man eben nur eine begrenzte Kraft hat, auch als "Gesunder".

Versucht man, sein eigenes Leben so gut es geht weiterzufuehren, wird man schnell als egoistisch hingestellt. Tut man es nicht, hoert man ploetzlich von allen Enden: "Du musst auch mal an dich denken!" Das ist paradox, aber leider symptomatisch ...

Und wenn man nicht in so einem Forum ueber seine Sorgen und Aengste, also vielleicht zur Abwechslung auch mal ueber sich und nicht den Erkrankten, sprechen kann, wo denn dann? "Klagemauer" klingt fuer mich recht abwertend. Ich denke, dass wir alle tagtaeglich versuchen, stark zu sein und zu helfen. Dass es da auch mal Momente gibt, wo man einfach mal ueber die eigenen Sorgen reden will und selbst Unterstuetzung braucht, ist normal und sollte nicht abgewertet werden. Es ist eben nicht so, dass wir alle so stark sind und das locker wegstecken, es geht auch an die eigene Substanz ...

Geändert von Eponine1974 (20.07.2007 um 11:56 Uhr)