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Alt 30.05.2003, 01:05
Gast
 
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Standard das soll es nun gewesen sein

Liebe Marga,

wie schön, wieder von Dir zu hören. Dein Vater hat wohl eine ähnliche Rolle für Dich und Dein Leben gespielt, wie das bei meinem Vater der Fall ist.
Die uneingeschränkte Loyalität, die so ein Vater schenkt.
Ich verstehe gut, dass Du das als geringen Trost empfindest, dass Dein Vati zwar tot ist , aber nicht mehr leidet. Da er ja auch so voller Lebensfreude war. Was Dein Vater sagte und die Bilder in Deinem Kopf... Einige Worte meines Vaters werden auch mir nie aus dem Kopf gehen. Was er auch mal gesagt hat, ist, er hat "keine Angst vor dem Sterben", möchte aber so "verdammt gerne weiterleben". Seine grösste Angst war schließlich die, zu leiden. Ein andermal sagte er, "wenn es nur ein einzelner Tumor wäre, aber diese Banditen bringen mich um". Anderseits wollte er die Chemo durchziehen, und machte Pläne für eine anschließende Reha...
Hier im Forum finde ich so viel mehr Trost als sonst irgendwo. Die Verwandschaft sieht es eher sehr pragmatisch. Wenn ich mal ein paar Tränen nicht unterdrücken kann, heißt es bloß so ungefähr "was willst denn! Das haben wir doch gewußt!". Aber
1. Nix gewußt hat irgendwer und 2. tut es trotzdem weh. Also da finde ich keinen Halt oder Trost. Hier im Forum viel mehr!
Du warst sehr für Deinen Papi da. Das hat er bestimmt mitbekommen! Kein Mensch kann 24 Std. tagelang Wache halten ohne Schlaf. Und wann die letzte Minute schlägt, kann kein Mensch vorhersehen. Mir wird es vermutlich nicht anders ergehen. Mein Vater wohnt außerhalb der Stadt mitten auf dem Land. Ich wohne und arbeite hier in der Stadt. Werde so oft es geht, zu ihm fahren. Diese Woche hatte ich Urlaub. Aber ob ich in der letzten Minute bei ihm sein werde, das bleibt nur zu hoffen, hoffentlich erhalte ich rechtzeitig Bescheid.
Am Samstag muß ich eine Prüfung schreiben. Hole das Fachabi nebenberuflich nach. Es erscheint so sinnlos, wahrscheinlich wird er das Zeugnis im Febr.04 ja nie sehen und ich weiß, er wäre so stolz auf mich. Ich wollte es hinschmeißen, aber ich weiß, er möchte, dass ich weitermache. Es gilt nur irgendwie weiterzumachen, auch für ihn. Aber Lernen ist mir nun unmöglich und es scheint so unwichtig. Ich schaffe es nicht, mich durchs Lernen abzulenken. Habe immer das Handy bei mir. Das einzige was zählt, ist schnellstmöglich bei meinem Vater sein zu können. Das ganze Leben wird relativiert.
Ich beginne andere Schwerpunkte zu setzen. Denke nur noch an Papi, die Vergangenheit mit ihm, die Gegenwart. Die Zukunft ist geprägt von Angst. Auch Angst vor Erinnerungen.
Du schreibst, Ablenkung spielt eine grosse Rolle. Ich glaube Dir, dass Ablenkung Dich durch den Alltag bringt. Hoffentlich wird mir das auch gelingen.

Ich war kürzlich etwas spazieren. Wenn ich schöne Dinge sehe, werde ich traurig, weil Papi sie nicht mehr sehen können wird.

Das, was Du beschreibst, ist wirklich sehr ähnlich wie bei mir. Ich hoffe, ich werde die Zukunft so tapfer und stark angehen können wie Du.

Lena mit einem lieben Gruß
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