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Alt 10.09.2007, 19:58
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
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Standard AW: So tun als ob alles o.k. ist!?!?

Hallo Monja,

Zitat:
Zitat von monkeponke Beitrag anzeigen
Die Umsetzung ist mein größtes Problem, vorallem zu erkennen, wann so ein Emotionsvampir seine Zähne nach mir ausstrecken will. Es ist einfach nicht leicht aus der eigenen Haut zu kommen und noch schwerer ist es seinen eigenen Traum bzw. innerlichen Wunsch aufzugeben...den nach Harmonie....!
Ja, die Praxis ist immer das Schwierigste - theoretisieren kann jeder :-)
Aber: dass du lernst, dich gegen Menschen zu wehren, die dir schaden, heisst doch nicht, dass du deinen Wunsch nach Harmonie und innerem Frieden aufgeben musst. Wer von uns strebt denn nicht genau danach? Du musst 'nur' lernen zu beurteilen, wer dir dabei hinderlich ist, und von wem du dich im Zweifelsfall einfach trennst. Und keine Sorge: es bleiben genug Menschen übrig, die dich dabei unterstützen.

Zitat:
ich bezweifle sogar, dass sie überhaupt bemerken, was ich alles für sie aufgebe....!

Jedoch mache ich da jetzt niemanden meiner Familie einen Vorwurf. Es stimmt schon, dass sie sich nur ändern können, wenn ich mich ändere.
Hm... Ich kenne deine Verwandtschaft nicht, sondern nur meine - speziell meine Eltern. Und da kann ich nach 25 Jahren hartnäckiger und für mich mitunter lebensgefährlicher Versuche, mit ihnen zu reden, nur sagen: die bemerken nichts, und die ändern sich auch nicht. Mir geht es besser, seit ich das endlich begriffen habe. Und seither kommunizieren wir nur noch auf einem rein formalen Minimalniveau (ab und zu Telefonate übers Wetter usw.), bei dem tunlichst über keinerlei persönliche Dinge gesprochen wird.

Meine Eltern sind nett und freundlich - und sie sind "immer für mich da". Was meint: Geld haben sie genug, und ich kann was davon abkriegen, wenn es nötig ist - ich muss nur Bescheid sagen, schon ist der Scheck unterwegs; damit haben sie sich billig freigekauft. Aber persönlich ist da rein gar nichts. Als ich das letzte mal aus der Klapsmühle kam, von wo aus ich in meiner Not letzmalig verzweifelt versucht hatte, mit ihnen menschlichen Kontakt aufzunehmen (Reaktion: null - bzw. "ja, darüber reden wir später mal"), habe ich meine Frau gefragt: Glaubst du, dass meine Eltern wissen, wie es mir geht? Und meine Frau antwortet ganz selbstverständlich: Natürlich nicht! Das hätte sie mir 20 Jahre früher sagen können, dann wäre mir vieles erspart geblieben.

Nein - die wissen nichts, weil sie nichts wissen wollen. Meine alle paar Jahre wiederkehrenden akut suizidalen Phasen, die Klapsmühle, die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung seit ewigen Zeiten... das alles ist für sie nur eine Art "Betriebsunfall", über den man besser nicht redet. Und den sie v.a. unbedingt in ihrem Umfeld auf dem Dorf verheimlichen müssen - es könnte ja auf sie zurück fallen, wenn ihr Sohnemann irre ist. Peinlich, peinlich, das wollen wir doch nicht riskieren. Und deshalb haben wir einen "deal": sie bemängeln zwar immer, dass ich sie nie besuchen komme. Aber sie und ich wissen genau, dass das nur Floskeln sind. Es ist ihnen nur zu recht, dass ich sie nie besuche. Weil dann immer die Gefahr bestünde, dass ich mich vor ihrer Verwandschaft/Bekanntschaft mal dumm verplappere. Schließlich weiss ich nicht im Detail, was sie da über mich erzählen. Ich weiss nur, dass sie mich dort als erfolgreichen Ingenieur und Dr. verkaufen - und nicht als das, was ich bin: psychisch krank, kein Doktor, und seit Jahren arbeitslos.

An der Tatsache, dass meine Eltern mich verleugnen und dass sie sich für sich schämen, hatte ich lange zu knabbern. Mittlerweile ist das abgehakt. Ich störe ihr idyllisches Lügengebäude nicht - im Gegenzug sind sie nicht zimperlich, wenn es um Kohle geht. Tit for tat. Und ich habe dabei die besseren Karten: denn ich kann auch ohne ihr Geld leben. Aber ich kann jederzeit unangemeldet dort auftauchen und auf ihrem Dorf die Wahrheit herum erzählen. Damit wären sie dort ihr Restleben lang gebrandmarkt. Und sie wissen ganz genau, was mein Schweigen wert ist. Das ist gut für meine Frau und mich. Weil wir vorhaben, hier nächstes Jahr ein Stallgebäude behindertengerecht zum Wohnen auszubauen - als Option, falls es meiner Frau in den nächsten Jahren wegen Krebs wirklich schlecht gehen sollte. Und es ist gut zu wissen, dass ich nur kurz mal die Daumenschrauben bei Elterns etwas anziehen muss, um die nötigen hunderttausend dafür locker zu machen.

Egal. Ich gerate mal wieder über meinen Krempel ins Schwafeln. Was ich damit sagen wollte, aus meiner Erfahrung: rechne niemals damit, dass dich deine Verwandschaft irgendwann versteht - und schon gar nicht damit, dass sie sich ändert, nur weil du dich änderst. Es kann gut sein, dass sie dich - so wie du dann 'verändert' bist - völlig ablehnen. Aber das kannst du nur abwarten, und dann irgendwie damit umgehen.

Zitat:
Ich wünschte nur, dass ich diesen Konflikt ohne eine so schlimme Erkrankung durchmachen könnte.
Klar. Aber das geht nicht. An seine Grenzen gelangt mensch erst, wenn eine Lebenskrise da ist. In Zeiten, wo alles locker und easy ist, bemerkt man diese Grenzen halt nicht. Und wenn man sich dann fragt, wieso man sich GERADE JETZT auch noch damit herumschlagen muss... ganz einfach: weil GERADE JETZT der Zeitpunkt da ist, wo man an seine Grenzen kommt und sich damit auseinandersetzen muss. So ist das Leben :-/

Zitat:
Ich fühle mich oft so wehrlos und schwach und hätte einfach gerne ein Happy end, wie im Fernsehen....( ).
Klar, wer hätte das nicht gerne. Aber: ich habe keinerlei Zweifel daran, dass du dein happy end bekommen wirst! Weil du gerade schon intensiv dabei bist, darauf hin zu arbeiten. Sicher wirst du nicht morgen frisch und gesund aus dem Jungbrunnen springen, und sicher wird deine lästige Verwandtschaft sich nicht über Nacht in Luft auflösen. Aber du wirst es schaffen, deine 'Restlebenszeit' (ob das nun 5 oder 50 Jahre sind) mit den Dingen und den Menschen, die dir wichtig sind, positiv zu gestalten. Und: Widerspruch gegen dieses statement ist nicht erlaubt - ich weiss das einfach !!!

Zitat:
Jetzt bin ich schon 39 Jahre und immer noch nicht habe den Umgang mit den lieben Mitmenschen durchschaut.
Wie meine Mutter zu sagen pflegt: man wird alt wie eine Kuh, und lernt immer noch dazu. Und was ich ergänzen würde (schließlich habe ich dir 2 Lebensjahre voraus, da darf ich schonmal die Altersweisheit raushängen lassen ;-): je älter ich werde, desto weniger weiss ich vom Leben. Mit jedem Lebensjahr bröckelt das Fundament von Gewissheiten und Überzeugungen, auf das ich mal gebaut habe, mehr und mehr ab.

Zitat:
nur ist es bei mir so, dass ich meinen ...sagen wir mal ...natürlichen Rythmus habe, wann welche Arbeit zu erledigen ist, damit hier nicht alles im Kaos versinkt.
Klar - und das ist ja auch gut und richtig so! Und jeder, der einen alten Bauernhof (unserer ist gut 100 Jahre alt) zwecks Renovierung als 'Lebensaufgabe' bezieht, weiss, was das heisst. Da hat - auch ohne Krankheit - einfach alles seine Grenzen und braucht seine Zeit.

Bei uns ist u.a. das Dach undicht, die Elektrik in greulichem Zustand (der Durchlauferhitzer läuft seit ewig nur auf 'lauwarm', weil immer eine Sicherung rausfliegt), der Staudengarten ist völlig verkrautet (weil meine Frau es gerade nicht schafft und ich da nicht ran darf - ich kann nunmal Unkraut nicht von Zierkraut unterscheiden), die 2.000 m² Wiese müßte seit mindestens einem Monat dringendst gemäht werden, den Flur müßte ich endlich mal renovieren, die Küche auch, und die neue Sammelgrube ist schon lange fällig, usw...

Aber: was soll's ?!?! Wir tun das, was wir von Zeit, Kraft und Geld her im Moment schaffen - und das, was wir dieses Jahr nicht schaffen, läuft uns auch bis nächstes Jahr nicht weg (schön wär's!). Und es ist schließlich niemand da, der uns dabei hereinreden kann. Wir sind doch - wie ihr - niemandem verpflichtet, ausser uns selbst. Das Klo funktioniert, wir können duschen, die Heizung geht auch... was wollen wir mehr? Dass es mir im OG bei Sturm mal auf die Nase tropft - no problem; da habe ich früher in Studentenwohnungen schon Schlimmeres erlebt ;-)

Zitat:
Ich denke mein Körper will mir mit dem Krebs die nötige Ruhe aufzwingen, um einfach mal meine ganze Aufmerksamkeit auf mich zu legen! Dass werde ich tun.
Ja, sagt meine Frau auch über sich. Fällt so ein bischen in die Kategorie "Krankheit als Chance". Aber: warum muss es dafür Krebs sein? Ich war mal wegen Panikattacken ein Vierteljahr nicht in der Lage, die Wohnung zu verlassen. Das hat mir auch die nötige Ruhe verschafft - aber es war niemals lebensgefährlich...

Zitat:
Ich finde es übriges ganz toll und bewundernswert, wie du dich mit deiner Frau, dem Krebs und eurer Beziehung auseinandersetzt.
Dazu besteht kein Grund. Die Auseinandersetzung mit Lebenskrisen und "Sinnfragen" ist hier auch nicht vom Himmel gefallen oder passiert, weil wir so tolle Persönlichkeiten sind.

Noe, einfach ganz banal so wie bei dir gerade: es gab Krisen, und da ging irgendwann kein Weg mehr daran vorbei, sich damit zu befassen. Freiwillig ist das nicht passiert, es war einfach vom Schicksal aufgezwungen. Dass es letzendlich doch positiv und lehrreich war, will ich incht bestreiten. Aber lieber wäre es uns gewesen, ohne solche Erfahrungen auszukommen.

Viele Grüße,
Stefan
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