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Alt 14.10.2007, 23:30
estella estella ist offline
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Registriert seit: 25.04.2007
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Tanny, hallo ihr Lieben,

heute abend fand ein von meinem Vater gemachtes Essen bei ihm Zuhause statt. Wie ihr vielleicht wissst, ist mein Vater kein begnadeter Koch. Es gab Suppe - der Farbe nach zu urteilen war es Kürbis (oder doch Möhre?), dann Salat, dann Kalbsfleisch. Dazu die fettigsten Pommes der Welt. Mein Onkel Angel war dennoch begeistert und lobte ausgiebig die Kochkünste meines Vaters. Es schmeckte in der Tat etwas besser als sonst, da er nicht mehr so stark würzt. Angeblich hat er keine größeren Ess-Probleme...
Nach dem Essen tanzten mein Sohn Pablo, Angel und mein Vater zu Lateinamerikanischen Klängen. Pablo rief immer "Merengue! Angel a bailar...!", was übersetzt bedeutet: "Merengue! Angel tanzen!" und dazu drehte er sich im Kreis. Der Merengue ist ein Salsa-Tanz, den man selbst als europäer gut bewältigt, da er etwas langsamer ist. Mein Vater, der anders als mein Onkel ein wunderbarer Tänzer ist, bewegte sich perfekt zum Rhytmus der Musik - es ist sonnenklar von wem mein Sohn seine Tanzleidenschaft geerbt hat.
Freitag war mein Vater gleich bis 23 Uhr aus. Zunächst war er beim Spanischen Botschafter, der ein mal im Jahr zum Namenstag des Spanischen Königs Juan Carlos einen Riesenempfang gibt und in die Botschaft einläd. Danach ging er auf eine Lesung am Prenzlauer Berg, wo eine seiner Chor-Damen aus einem Gedichtsband vorlas. Leider konnte ich ihn zum Botschafts-Empfang nicht begleiten, da ich auf einer Trauerfeier in München war. Aber man hat mir versichert, dass mein Vater der Star des Abends war.Kein Wunder: er ist zwar sehr dünn (70 kg auf 176 cm), aber er sieht unglaublich gut aus. Zuhause ist die Erholung von den Strapazen um ein vielfaches beschleunigt worden. Das ist auch nötig, denn noch muss er erneut eine Chemo durchstehen. Und das wird sicher anstrengend.

Heute gab mir mein Vater den schriftlichen Befund der OP: leider 10 befallene Lymphknoten - 9 unmittelbar um den Tumor, einer weiter weg. Der Tumor hat sich unter der Chemo von T3 auf T2 entwickelt. Keine Tumorzellen an der Schnittwunde, dh, man hat alles rausschneiden können. Wenn da nicht die 10 Lymphknoten wären, könnte man vorerst aufatmen, da es keine Metas in den Organen gibt. Aber so....? Bin verunsichert, was es bedeutet, weiß aber natürlich, dass ein N2 keine Superprognose ist. Mist.
Jetzt heißt es allerdings: viel Energie geben für die letzte Strecke der Therapie. Meine Mutter kocht ja hervorragend und ihre Kochkünste werden meinen Vater schon aufpäppeln. Ich werde kommende Woche mit dem Onkologen bereden, wann man mit der Chemo beginnen soll. Mein Vater ist ganz ungeduldig und hat ÜBERHAUPT gar keine Angst vor den Chemikanlien. Er ist bester Dinge, gut gelaunt, froh darüber Zuhasue zu sein - er verdrängt, das was alles passieren kann, er genießt sein Leben und sieht zu, dass er so normal wie immer lebt. Sehr bewundernswert, finde ich.

Liebe Tanny, ich verstehe, dass dein Vater Angst hat zum Krüppel zu werden, aber vielleicht muntert ihn die Geschichte meines Vaters auf. Dass er die Chemo so gut verkraftet und weiter Tennis gespielt hat, zeigt mir, dass er Reserven und Energie hat! Er wird kein Krüppel, sein Leben wird sich durch den Eingriff lediglich ändern. Erstmal hoffe ich, dass das mit der Lunge harmlos ist. Ich drücke euch die Daumen und grüße auch an deinen Vater!

Wie Marion schon angedeutet hat, bin ich ziemlich ausgelaugt...ganz ehrlich: ich bin wirklich tief erschöpft! Dabei habe ich nichts Anstrengendes gemacht, aber diese Monate waren so intensiv, ich bin ständig angespannt...ich schäme mich einzugestehen, dass ich ausgelaugt bin. Anders als mein Vater, habe ich leider keine Pferdenatur.
Nun gut. Hoffen wir, dass er bald mit der Chemo anfängt und dass er diese so gut verträgt, wie die erste. Jetzt geht es ihm super!!!!
Und das ist doch eine gute Nachricht!
Gute Nacht,
e
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