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Alt 20.11.2007, 21:45
Kathleen Kathleen ist offline
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Standard AW: Hyperthermiebehandlung Dr. Müller Bauchfellmetastasen

Hallo Ihr Lieben,

in den letzten Tagen habe ich nur gelesen, aber nicht eine Zeile zustande gebracht.

Meine Mama hat am Sonntag planmäßig das Krankenhaus verlassen. Das Fieber ist dank des Antibiotikums gefallen. Morgen nun fährt sie schon wieder von zu Hause weg Richtung Cham (bei Regensburg) auf ihre Reha. Mein Papa wird sie bis Sonntag begleiten, sein Chef hat ihm einfach frei gegeben. Es freut mich für meine Eltern besonders, dass sie von Seiten der Firma meines Papas so viel Verständnis erhalten.

Gestern habe ich sie besucht und das 1. Mal seit 14 Tagen gesehen. Ich bin innerlich erschrocken. Sie ist sehr zusammen gefallen und sieht aus wie eine pflegebedürftige alte Frau. Sie ist auf den Beinen, sie sorgt sich um ihre Lieben, aber sie ist auch sehr schnell erschöpft und schläft viel. Die Medikamente aufzuzählen, die sie im Augenblick nimmt, würde den Rahmen sprengen.

Ich habe oft mit den Tränen kämpfen müssen. Dieses Unausgesprochene - nämlich ihre geringe Lebenserwartung und sicherlich ihre unbändigen Ängste - stehen als Barriere zwischen uns.

Sie hat mir gestern wortlos den Entlassungsbericht inkl. Histologie gegeben. 4 DIN-A4-Seiten mit Todesnachrichten. Alle entnommenen bzw. teilentnommenen Organe waren großflächig mit Metastasen übersäht. Man hat ihr sogar das Zwerchfell links und rechts bzw. große Teile davon entfernt. Zu meinem Papa hat sie gesagt: "Mein Gott, ich bin ja total verkrebst." Man hat praktisch alles herausgeschnitten, was man herausschneiden kann. Um so erstaunlicher ist es, wie schnell sie sich von diesem Eingriff erholte. Eine Kollegin äußerte mir gegenüber, dass wenn alles herausgeschnitten ist, doch gar keine Metastasen mehr kommen können. Könnte ich doch aus so naiv denken...

Durch das Lesen dieses Arztbriefes bin ich gestern wieder auf einem absoluten Tiefstpunkt angelangt. Irgendwann bin ich trotz Weinkrämpfen eingeschlafen. Inzwischen habe ich auch sehr unangenehme Träume. Eigentlich habe ich das dringende Bedürfnis dieses Leben gegen ein anderes einzutauschen.

Mein Mann unterstützt mich in allen Dingen des Alltags und nimmt mir, so viel ihm möglich ist, ab. Emotional kann er mich allerdings nicht ein bißchen auffangen. Er steht hilfslos neben mir, wenn ich weine und unglaublich verzweifelt bin. Er beklagt sich höchstens noch, dass er im Augenblick nicht dieselbe Aufmerksamkeit bekommt wie meine Mama.

Meine Mama hat sich heute nochmals bei mir entschuldigt, dass sie uns momentan nicht unterstützen, nicht für uns da sein kann. Sie entschuldigt sich bei mir, dass sie für unsere Tochter die Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke nicht besorgen kann. Sie wollte, dass wir Weihnachten allein feiern, da sie nicht viel essen kann und uns nur zur Last fällt. In solchen Augenblicken könnte ich die Fassung verlieren, Amok laufen... Es wird unser letztes Weihnachten sein! Natürlich werden wir all die Tage gemeinsam verbringen - da gibt es für mich keine Frage. Ich werde im Dezember 39 Jahre alt und ich habe noch nie ein Weihnachten ohne meine Eltern verbracht.

Ich habe große Angst, irgendwann dem Ganzen nicht mehr gewachsen zu sein. Liebe Gabi, liebe Bianka, liebe Elke, ihr habt nun bereits ein Hospiz gefunden. Wenn ich das lese, könnte ich schreiend davon laufen. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft haben werde - denn das ist doch der letzte Schritt.

Heute am Telefon klang sie wieder so optimistisch. Sie macht Pläne, wenn mein Papa in 2 Jahren in Rente geht und sie möchte, wenn sie sich noch weiter erholt hat, mit meinem Papa in Urlaub fahren. Nicht so weit weg, aber weg... Sonne tanken... Ich hatte mir fest vorgenommen, irgendwann den Mut aufzubringen, mit ihr offen zu sprechen. Aber darf ich diese Hoffnung zerstören? Ist eine derart positive Lebenseinstellung nicht wahnsinnig toll?! Sie hat diesen Arztbrief auch gelesen - was denkt sie?
Fühlt sie es, weiß sie es, verdrängt sie es?

Eigentlich gäbe es noch so viele Kleinigkeiten, die ich Euch gerne erzählen würde, aber jetzt brauche ich ersteinmal eine Pause.

Danke, dass Ihr für mich da seid.

Eure tränenüberströmte Kathleen
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