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Alt 31.12.2007, 11:46
Urs Urs ist offline
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Registriert seit: 02.07.2006
Ort: Kanton Aargau, Schweiz
Beiträge: 80
Standard AW: Nierenkrebs und die Angst danach

Liebe Senga

Das Pro und Kontra rund um Sutent (Nexavar/Temsirolimus) beschäftigt uns alle sehr.

Vorgedanken:

1. Selber nahm ich letztes Jahr (2006) rund 8 Monate Nexavar (Vorläufer von Sutent) und erlebte bei bereits bestehenden Metastasen in Leber, Lunge und Lymphknoten keine signifikante Wirkung.
2. Im Jahr 2007 nahm ich keine schulmedizinischen Medikamente ein und erlebte ein gleichmäsiges Wachstum der Metastasen wie unter den zuvor eingenommenen Mitteln der Medizin (meine persönliche komplementärmedizinische Phase).
3. Einer meiner Kollegen nimmt seit über einem Jahr Nexavar mit bescheidenen Nebenwirkungen und erlebt eine Stabilität der Metastasen.
4. Ich selber warte mit der Einnahme von Sutent oder Temsirolimus zu, bis sich vermehrt Beschwerden äussern, welche der Krebs hervorruft. Diese Haltung kommt aus meiner Erfahrungswelt, welche während bald 3 Jahren nie einen medizinischen Vorgang erlebte, der mir wirklich Fortschritte brachte. Immer wuchsen die Metastasen, langsam aber stetig. Wichtig: Meine Erfahrungen sind logischerweise nur die eines einzelnen Patienten, also nur ein Mosaiksteinchen.
5. Ich wurde aufgrund meiner Erlebnisse mit der Medizin gezwungen, mich auf mein persönliches Ende einzustellen. Mein Denken ist zweigeteilt. Neben der Vorbereitung auf und der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit lebe ich jeden Tag neu und kümmere mich momentan nicht gross um meine Krankheit. Ausser Mistel nehme ich seit September keine Medis mehr ein. Auswirkungen des Krebses spüre ich noch kaum.

Was versuche ich zu sagen?

a) Die Aussagen der Teilnehmer, die Dich verunsichern kommen aus je ihren Erfahrungshintergründen. Sie können, müssen aber überhaupt nicht auf Eure Situation anwendbar sein.
b) Die Ärzte erlebe ich manchmal hilflos. Was haben sie anstelle von diesen genannten Produkten noch anzubieten? Sie funktionieren nach Regeln, die von ihnen verlangt werden, z.B. Behandlungsprotokolle, die unter anderem die Usanzen festlegen, damit der Arzt seine Pflicht getan hat. Ob die Erfüllung der sogenannten Pflicht auch das Beste für den Patienten bedeutet, kann der Arzt schlussendlich nicht sagen.
c) Die Wirkungsweise von Sutent und Co. ist im Bereich der Kinasehemmung anzusiedeln. Es werden nach meinem Wissen gewisse Zellteilungsfunktionen unterbunden und zudem die Blutversorgung der Krebszellen bis zu einem gewissen Punkt erschwert. Meine Onkologen haben nie von einem Heilmittel gesprochen, sondern von einem Medikament, welches über eine gewisse Zeit dem Krebs das Leben schwer machen kann, ohne ihn letztendlich endgültig zu zerstören.
d) Der Nierenkrebs hat eine Auffälligkeit. Er kann in einzelnen Fällen auch stehen bleiben oder sich sogar zurückbilden, ohne dass Medizin im Einsatz war. Eine Hoffnung, die sich nur für sehr wenige erfüllen wird.
e) Wo sind denn eigentlich die Metastasen? Meine Erfahrung wiederum zeigt mir, dass bei mir die Metastasen in der Lunge und die wenigen in den Lymphknoten sich sehr stabil verhalten und kaum wachsen. Jedoch zeigen sich die Metas in der Leber von allen Behandlungsversuchen unbeeindruckt.
So wurde die Leber für mich zum lebensbegrenzenden Organ.

Was würde ich in Eurer Situation tun?

Die von Dir aufgezählten Meinungen anderer Teilnehmer sind für mich beide gut nachvollziehbar. Aber eben: Die Entscheidung liegt bei Euch. Das heisst, ihr müsst die Onkologen mit Euren vorbereiteten Fragen konkret zur Rede stellen. Leiten lassen würde ich mich immer von dem Gedanken der Lebensqualität. Zu Beginn meiner Krankheit hätte ich sicher Sutent so eingenommen wie ihr. Heute bin ich sehr zurückhaltend geworden und frage mich, ob bei nicht sichtbaren Metastasen Sutent wirklich der richtige Ansatz sei. Im Moment ist es doch so, dass der Krebs keine Beschwerden macht, hingegen die Nebenwirkungen der Medikamente jedem Tag ein Stück Qualität nehmen.

Nur aufgepasst, ich keine Eure Lebensgeschichte nicht, meine Anregungen könnten für Euch total inakzeptabel sein; aus Gründen die ich nicht kennen kann. Darum einmal mehr: Nehmt Anregungen von unserer Gilde entgegen, aber seid stark und vertraut auf Euch selber. Nur ihr könnt die Antwort geben. Vertraue auch auf Deine Intuition. Wir Kopfmenschen verkennen den Wert dieser Entscheidungsart. Die Ärzte und wir hier sind Gehilfen von Euch, aber der Entscheid liegt in Eurem Herzen.

Ich wünsche Euch alles Gute und grüsse Euch herzlich.

Urs
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