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Alt 28.05.2008, 09:10
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
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Standard AW: Betroffene und Angehörige im Umgang miteinander

Oha ihr Lieben,

ich brauche Euch. Gestern war ein ganz denkwürdiger Tag. Eigentlich hatte ich meiner Mutter gesagt, dass ich nur kurz bleibe weil ich zuhause noch was machen möchte (Mein Katzenklo zum Beispiel ist doch sehr dominant bei den Temperaturen). Als ich bei ihr ankam... da war es wieder. Das Gefühl, dass da eine Auster ist, die eigentlich nichts lieber tun würde als aufzugehen wenn sie nur wüsste wie.

Seit drei Tagen schon spreche ich sie auf ihre Augen an. Zugequollen sind sie ein bißchen. Aber nicht so wie von Medikamenten, sondern so wie von schlaflosen NÄchten udn kreisenden Gedanken.

Ich glaube, ich hatte es schon geschrieben, bin aber nicht mehr sicher. Der Tumor am Hals macht sich wieder bemerkbar, er pickt ganz arg. Der Tumor um die Bronchie sorgt für die wenige Luft. Die erhoffte Besserung nach dem Chemowechsel hielt sich leider nur einen Tag. Die Entzündung in der Lunge, bwz. der Nebel der sich durch die verengte Bronchie und die fehlende Belüftung auch nicht in den Griff kriegen lässt, tut ihr übriges.

Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Sie ist fit! Naja, nicht wie früher, klar. Kurzatmig und weniger leistungsstark. Keine Frage. Aber ansonsten? Keine Übelkeit, kein Kopfweh, aber eben die Luft und am Abend und in der Nacht soviel Husten dass sie nicht zur Ruhe kommt. Nicht mehr als zwei Stunden Schlaf am Stück. Heute werden die Blutwerte kontrolliert um festzumachen ob nächste Woche - und auch welche - Chemo statt finden kann.

Gestern hat sie soviel geweint. Sie ist so traurig, so grundlegend traurig. Sie hat das Gefühl, dass es jetzt ganz schnell gehen wird, dass sie ausgeliefert ist. DAss sie sich nicht mehr selbst wehren kann. Sie hat die Angst, dass es dann aber ganz lange dauern wird. Diese Schlussfolgerung zieht sie daraus, dass sie jetzt so gut dran ist. Deswegen glaubt sie, dass das Sterben bei ihr lange dauern wird. Hat Angst, nicht rechtzeitig zu bremsen und ausgeliefert zu sein. Oder wollte sie nur abklopfen was ich denke? Ich weiß es nicht. Ich habe ihr gesagt, dass sie im Moment mit 280 kmh innerorts unterwegs ist und einen Gang herunter schalten sollte. Dass ich das GEfühl habe, dass es noch nicht so weit ist. (Das habe ich wirklich) Ich habe ihr gesagt, dass sie sich doch soviel schönes versagt. Zum Beispiel traut sie sich nicht zu verreisen weil sie angst hat, dass wenn es soweit ist, nicht die ganze Familie da sein kann. Ich habe ihr Gwendas REisetagebuch vorgelesen. Ich bin Dir so dankbar dafür, liebe Gwenda

Habe ihr gesagt, dass es doch ganz vielen ganz viel schlechter geht als ihr (körperlich), dass sie doch GOTT SEI DANK so viele, Meta freie Organe hat wie die wenigsten hier.

Sie hat sich so oft entschuldigt dass so etwas immer bei mir landet. Aber ich habe ihr gesagt - und das meine ich auch so, dass ich die traurigen Augen, deren Ursache ich nciht kenne doch so viel schlimmer finde. Sie macht sich Sorgen, wer dann da sein wird um Ihren Mann und mich aufzufangen. Sie hat gesagt, sie stellt sich oft vor, wie das danach sein wird. Ich habe sie gefragt, wie sie es sich vorstellt. Da sagt sie nur "ganz schlimm" und weint. Dann habe ich sie gefragt ob sie denn dann nicht auch der Meinung ist, dass gerade dann das "davor" soviel wichtiger ist. Da schaut sie nur traurig. Und so schlimm traurig. Ich bin an einer Grenze wo ich nicht mehr wirklich helfen kann und das tut so weh. Wir haben so unglaublich viel gesprochen. So viel udn so ehrlich. Sie sagt, sie hat Angst dass sie ausgeliefert an GEräten hängt. Ich habe ihr gesagt, dass sie dem entgegen wirken kann - zumindest in Teilen wenn sie die Patientenverfügung ausfüllt, was wir ja schon zusammen mit einem Arzt begonnen hatten. Aber sie hat Angst davor.

Sie sagt, sie kann auch nicht mehr in die Bücher für uns schreiben. Es wäre jetzt alles so nah. Ich habe jetzt Angst dass mein Gefühl, dass sie falsch liegt nur daher kommt, dass ich sie noch nicht hergeben möchte. Ich weiß nicht, wie ich sie packen kann. Sie wollte gestern dass ich einen Thread einstelle um zu fragen, was denn so passieren kann. Sie hat Angst. Ich habe ihr gesagt, dass das nicht funktionieren wird. Das es zumindest jemand sein müsste, der den gleichen Verlauf und die gleichen Metas hat. Ich habe ihr von Peter erzählt und von seiner Amerika Reise mit Gwenda (sorry falls ich Namen verwechsle). Sie traut sich aber nciht von der Familie weg (wobei von ihrer eigenen im übrigen wenig zu sehen ist!). Dann habe ich gesagt, dass es doch auch ein Urlaub sein kann, der zwischen 100 und 300 km entfernt ist. Da könnte sie schnell zurück wenn irgendwas ist. Dann sagt sie aber, sie traut es sich nicht zu und möchte es aus Angst vor Enttäuschung lieber lassen. Ich habe ihr gesagt, dass auch Gwenda und Peter Angst hatten es nicht gut zu schaffen. Und auch, dass es doch nicht schlimm ist, wenn es niht funktioniert. Aber dass sie sich sonst doch immer fragen wird... hätte ich vielleicht doch?

Ihr Lieben, da ist sie wieder, die Achterbahn. Normalerweise ist auf unseren Instinkt Verlass. Ich habe Angst mich zu täuschen. Wie kann ich sie bloß auffangen. Was ist richtig ? Was ist falsch ? Sie hat gestern ganz schön was getrunken. Ist es richtig, dass sie alles rauslässt und ich immer ehrlich zu ihr bin? Wäre es besser, sie abzubremsen damit sie nicht "so tief in die GEfühle fällt", oder ist sie dann alleine mit ihren Sorgen? Ich weiß, dass sie fast nur mit mir so darüber spricht...
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens

Geändert von Bianca-Alexandra (28.05.2008 um 09:17 Uhr)
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