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Alt 14.09.2008, 19:36
svenHE svenHE ist offline
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Registriert seit: 14.09.2008
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Standard AW: Lk-Forum-User stellen sich vor

Hallo zusammen,

ich lese seit einigen Wochen hier mit und möchte mich nun einmal vorstellen, auch weil ich gerade das Bedürfnis habe, mir alles von der Seele zu schreiben.

Ich bin 26 Jahre alt, mein Vater ist 62. Er war auf dem Bau beschäftigt und klagte seit einiger Zeit immer mal wieder über Schmerzen im Brust-/Rippenbereich, schob es aber auf die körperlich anstrengende Arbeit. Irgendwann war er dann doch bei der Hausärztin, die ihm empfahl, sich im Krankenhaus mal gründlich untersuchen zu lassen. Da ich eine Autostunde entfernt von meinen Eltern weg wohne, habe ich weder von den Schmerzen so richtig was mitgekriegt (da unregelmässig und er nicht darüber redete) noch von der Empfehlung einer Untersuchung im KH.

Mitte Juli haben meine Frau und ich geheiratet, Samstags mit der gesamten Familie gefeiert, Sonntags aufgeräumt, montags bei einem Telefonat mit den Eltern dann der Satz meiner Mutter "ich packe gerade eine Tasche für Papa fürs Krankenhaus" - hier bin ich zum ersten mal aus allen Wolken gefallen. Im Juni hatte mein Vater zugesagt, ins KH zu gehen und meine Eltern haben uns zuliebe, um die Feier unbeschwert zu halten, nichts davon erzählt. Obgleich ich nicht ahnte, welche Tragweite dieser Krankenhausaufenthalt letztendlich haben würde, waren meine Frau und ich meinen Eltern und besonders meinem Vater unendlich dankbar für diese Selbstlosigkeit.

Es folgte die erste Woche im Krankenhaus, eine Untersuchung hier, eine da, wir telefonierten und fuhren am Wochenende auch hin, mein Vater war eigentlich schon genervt von den laufenden Untersuchungen ohne Ergebnis und hatte große Lust, zu gehen. Der 23. Juli, ein Mittwoch, brachte dann die unschöne Wende, als ich abends meine Mutter anrief, brachte sie unter Tränen gerade so noch hervor, dass bei meinem Vater der Verdacht auf einen bösartigen Tumor bestünde und bis Freitag, evtl. auch erst Montag, die Diagnose feststehen würde. Die zwei folgenden Tage waren grauenvoll, Freitags sind wir ins Krankenhaus gefahren, und schon beim Telefonat mit meinem Vater vor der Abfahrt merkte ich an seiner Stimme, dass es nicht gut war. Angekommen kam dann die (für diesen Moment zwar nicht so überraschende, aber uns insgesamt doch sehr überrollende) Diagnose Lungenkrebs. Ich will ehrlich sein, ich weiss weder, ob der Krebs kleinzellig oder nicht-kleinzellig ist, auch weiss ich das Stadium nicht - ich habe mich noch nicht an einen Befund rangetraut. Ich hatte erfahren, dass der Krebs nicht operabel ist und schon einige Metastasen gestreut hat, was mir "ausreichte".

Mein Vater war schon immer ein "Kämpfer", hat sich nie hängen lassen und war auch sehr zuversichtlich der ganzen Sache gegenüber. "Ich habe mich noch nie aufgegeben, dann werde ich es auch jetzt nicht tun!" - ich war so stolz auf ihn und seinen Willen. Er wurde kurz darauf aus dem Krankenhaus entlassen und am 12. August sollte eine ambulante Chemotherapie beginnen. Die erste Sitzung hat er bekommen, fünf Stunden lang, am nächsten Tag ging es ihm blendend, der Tag darauf war allerdings übel, ihm ging es einfach dreckig meinte er.

Die Woche darauf sollte er die nächste Sitzung haben, welche aufgrund einer leichten erkältungsartigen Angeschlagenheit abgesagt wurde. Er sprach auch immer mehr davon, dass sich die Schmerzen im Rücken verstärken würden, aber für den 26. August war die Chemo angesagt. Dazu kam es jedoch nicht, meine Frau und ich hatten Urlaub und fuhren am 21. zu ihnen und mein Vater bat mich, ihn am nächsten Tag wegen der Schmerzen ins Krankenhaus zu bringen. Dieser Tag war der nächste Tiefpunkt für mich. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, bei der kleinsten Bewegung (zwischen den Untersuchungen oder auch bei den Untersuchungen) schrie mein Vater vor Schmerzen und die Tränen schossen ihm in die Augen - jemanden, der immer ein großes Vorbild war und der "starke Papa" und den man so sehr liebt so hilflos und vor Schmerzen gekrümmt zu sehen, hat mich wahnsinnig fertig gemacht. Er wurde gleich im Krankenhaus behalten für weitere Untersuchungen. Im Endeffekt hat er einige Knochenmetastasen (Wirbelsäule und Beckenknochen), welche ihm diese Schmerzen verursachen. Die folgende Woche war der Horror, es kam mir alles so langsam vor! Zwischen Terminen und Untersuchungen lagen Ewigkeiten, eigentlich sollte er gleich Montags nach der Einlieferung in Karlsruhe in der Strahlenklinik vorgestellt werden, im Endeffekt wurde daraus der Mittwoch eine Woche später. CTs wurden gemacht, deren Bilder in Karlsruhe zur ersten Sichtung nicht verwendet werden konnten. Während ich einfach nur hoffte, dass dieses mal ein Ergebnis oder ein Plan feststeht, litt mein Vater weiterhin - mal mehr, mal weniger, die Schmerzmittel wirkten unterschiedlich.

Der nächste Schock war der, dass eine starke Bruchgefahr der Knochen besteht, und mein Vater seit anderthalb Wochen nun ein Korsett tragen muss (Marke "Panzer"). Das hat ihn zusätzlich zu den Schmerzen, die er hatte, wahnsinnig heruntergezogen und fertig gemacht. Da er nun nach Karlsruhe sollte (Mittwochs), wurde er den Freitag zuvor aus der Bruchsaler Klinik entlassen, da sie sowieso nichts für ihn tun könnten. Die Nacht von Freitag auf Samstag war der Horror, da ich zwar versuchte zu schlafen, aber mit einem Ohr immer nach Geräuschen lauschte, die Schmerzen meines Vaters verraten würden (da er sehr nur unter höllischen Schmerzen - wenn überhaupt - aufstehen konnte). Wieder so ein Moment - wenn man seinem Vater helfen muss, aufzustehen, um aufs Klo zu gehen - das zog mich wieder richtig runter. Glücklicherweise besserte sich sein Zustand ein wenig und ab Montag ging es ihm sogar richtig gut, und am Mittwoch kam er nun in die Strahlenklinik (St. Vincenz Karlsruhe), wo morgen die Bestrahlung der Knochen (5x) losgehen soll.

Glücklicherweise wurden in der letzten Woche seine Medikamente umgestellt, so dass er seit Montag relativ schmerzfrei ist, wofür ich wirklich sehr dankbar bin, da das in den Zeiten seiner starken Schmerzen mein erster Wunsch war. Aber nun beginnen die anderen Zweifel wieder und die Sorgen... wird die Bestrahlung helfen? Wie geht es dann weiter?

Mein Vater geht so langsam "aus sich raus", so dass ich in den letzten Tagen auch über seine Sorgen mit ihm reden konnte... es ist klar, dass er als Betroffener große Sorgen hat, momentan macht mir jedoch Angst, dass er selbst nicht an Besserung glauben könnte. Versteht mich nicht falsch, ich will nicht, dass er zwangsoptimistisch ist, aber gerade der Optimismus und der Kampfeswille, den er anfangs gezeigt hat, den vermisse ich momentan irgendwie, und das besorgt mich. Er spricht zwar auch davon, dass es sich sicherlich mit der Bestrahlung bessern würde, aber der Klang seiner Stimme wirkt auf mich nicht so, als glaubte er wirklich daran...

So, jetzt habe ich mir alles mal von der Seele geschrieben und hoffe, dass die Bestrahlung hilft und er hoffentlich wieder nach Hause kann mit ambulanter Chemo, da ihn die Tatsache, dass er im Krankenhaus ist, doch merklich belastet, zumal nur meine Mutter ihn jeden Tag besuchen kann, da ich knapp 150 Kilometer einfache Strecke von Karlsruhe entfernt wohne und mein Bruder (für den das ganze glaube ich ob der Entfernung noch belastender ist) über 900. Die letzte Woche war schon viel positiver als die vorletzte, ich hoffe auf einen Trend.

Ich danke euch fürs Lesen und werde hoffentlich bald positives berichten.

Viele Grüße,

Sven
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