Thema: Gedicht
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Alt 07.10.2003, 16:15
Ladina Ladina ist offline
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Standard Plädoyer

Liebe Elionora

Dieses fürchterliche Gezänk um unsere Gedichte hier geht mir ziemlich an die Nerven. An die Nerven, nicht Auf die Nerven.
Nach wie vor denke ich, dass sie hier bleiben dürften, dass sie hier ihre Berechtigung hätten, genau wie alle anderen Themen, auch wenn nicht alle Gedichte das Thema Krebs bearbeiten. Alle, die jemals eine Schreibwerkstatt besucht haben, also eine der Bewältigungsangebote der Psychoonkologie, all jene wissen, dass dort zwar gelernt wird, gerade auch über Gefühle im Zusammenhang mit der Krankheit zu schreiben, dass aber auch das normale Leben noch Platz haben muss in den Gedanken über die man schreibt.
Wir haben Krebs und schreiben Gedichte. Das allein stellt schon den Zusammenhang her.
Ein eindrückliches Dokument dafür ist zum Beispiel die Publikation: Hinausgeschrie(b)en, welche von der Bremer Krebsgesellschaft herausgegeben worden ist (siehe Buchtipps Brustkrebs). Dort schreiben krebskranke Frauen Gedanken, Geschichten, Gedichte auf - Phantasievolles, Ernstes, Erdachtes und Erlebtes, Witziges und Trauriges - gerade so, wie es aus ihnen kommt, gerade so, wie ihnen zumute ist - das ist dann ganzes Menschsein - auch trotz der Krankheit Krebs, sich nicht allein auf diese Krankheit REDUZIEREN zu lassen.
Das sind die Gründe, die für mich für den Verbleib hier sprechen.

Aber, es gibt ein ABER.
Es gibt jetzt einen Thread mit Gedichten, den es damals, als Du Gedichte ins Leben gerufen hast, noch nicht gab. Vielleicht würden uns da auch noch weitere finden, die nicht mitgekriegt haben, dass es auch bei Brustkrebs Gedichte gibt.
Wir könnten den Titel so stehen lassen oder zum Beispiel in "Elionoras Gedichtesammelsurium" umtaufen.

Der Krebs hat uns gelehrt zu kämpfen, einzustehen für ein Ziel, für das Leben.
Aufgeben, klein beigeben lag bei diesem Kampf nicht drin. Der Krebs wäre uns ans Leben gegangen, hätte uns den Atem abgewürgt. Es war oder ist wie ein Krieg, es geht nur um Siegen oder verlieren.

Was hier seit einer geraumen Zeit abgeht, dieses Bekämpfen der Gedichte, diese Angriffe auf die "Poeten" erscheint mir mehr und mehr auch wie so ein Krieg. Ein Krieg, der einen nervlich strapaziert. Aber ans Leben geht er nicht.

Ich plädiere dafür, zu Gedanken und Gedichte überzusiedeln.

Wir sind keine Verlierer, nur weil wir nachgeben. Unsere "Gegner" schaffen das offensichtlich nicht, Einsehen zu zeigen oder einfach über uns hinwegzusehen, wenn sie es so schlecht vertragen, Gedichte zu lesen. Sie lesen immer wieder rein und beklagen sich hinterher über unsere Provokationen, die von unserer Seite überhaupt nicht beabsichtigt waren.

Ich will endlich wieder ohne schlechtes Gewissen bei Dir ein Gedicht schreiben können, wenn mir danach ist - einfach so.
Wenn wir umziehen, ist das Kein Aufgeben, sondern ein NEU AUFLEBEN.
ich bin sicher, wir würden uns wieder freier fühlen, weniger unter Druck stehen, weniger Angriffsfläche geben für unsere teils recht bösartigen Kritiker.

Dies sind meine eigenen Gedanken zu diesem Thema. Niemand hat mich angestiftet, dies zu schreiben, doch ich hoffe, dass ich verstanden werde und nicht als Verräterin angesehen werde.
Manchmal heisst Stärke eben auch NACHZUGEBEN.
Wir büssen nichts ein, als unseren Platz unter Brustkrebs.
Doch wir gewinnen vor allem eine neue,offene Plattform für unsere Gedichte und den Austausch untereinander.

Denkt mal darüber nach. (Es ist für Marcus ein Leichtes, uns ohne grosses Trara umzusiedeln.)

Ich wünsche uns ein friedliches Übereinkommen.

Herzlichst
Ladina