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Alt 09.11.2008, 21:36
Urmele Urmele ist offline
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Registriert seit: 08.02.2008
Beiträge: 17
Standard ...noch ca 1 Woche....

Hallo zusammen,
vor etwa einem dreiviertel Jahr habe ich hier schon mal über meine liebste Freundin geschrieben. Damals ging es ihr nach einer Verklebung der linken Lunge richtig schlecht und wir dachten, dass sie uns bald verlassen würde. Sie besuchte dann auch die Palliativstation im Nachbarort und dort wurde sie wieder nach Hause geschickt mit den Worten: Hier wollen wir sie noch lange nicht sehen. Mit anderen Worten, es ging ihr noch zu gut um sich so schnell aufzugeben. Diese ehrlichen Worte haben ihr auch Mut gemacht, es wurde besser mit der Atmung und es ging wieder bergauf. Sie hat zwar seitdem ein Sauerstoffgerät zuhause, dass sie anfangs ständig, später aber nur nach Bedarf benutzte – hauptsächlich nachts.
Wir haben noch einen wunderbaren Frühsommer und Sommer zusammen verbracht, konnten gemeinsam grillen, draussen sitzen, ihren Geburtstag im August feiern, und sie machte mit ihrem Lebensgefährten noch einige Reisen (Ägypten, Südfrankreich, in die Berge).
In den letzten Wochen machte ihr nun das Luftbekommen zunehmends zu schaffen. Es wurde immer schlimmer, sie saß fast nur noch herum, war auch sehr depressiv und war eigentlich immer damit beschäftigt sich selbst beim Atmen zu beobachten. Zwischenzeitlich hatte sie starke Schmerzen im linken Arm, und der Schulter. Es kribbelte immer und sie hat starke Gefühlsstörungen. Der Ringfinger und der kleine Finger, werden immer gekrümmter und die Sehen allgemein scheinen sich zu verkürzen. Der Arm ist auch dicker als der andere.
Vor etwa 14 Tagen war es wieder ganz schlimm, sie schläft seit langem mehr recht als schlecht und nur mit erhöhtem Kopfteil, fast im Sitzen. Da entschloss sie sich, wieder in die Palliativstation zu gehen um sich ein wenig aufpäppeln zu lassen und dann wieder zu kommen. Ihr Lebensgefährte verbringt die Zeit ununterbrochen an ihrer Seite und hat auch ein Bett dort bezogen. Sie will keine Minute mehr alleine sein, weil sie Angst hat, sie könnte ersticken.
Ihr Zustand bei der Einlieferung war recht schlecht. Sie bekam ihr tägliches Morphium dort über eine Pumpe, die an den Port angeschlossen wurde. Erst wurde die Dosis erhöht, da bekam sie nachts so schlimme Albträume, dass sie lieber die ganze Nacht im Bett saß und Angst hatte wieder einzuschlafen. Die Morphiumpumpe wurde entfernt und sie bekam wieder Tabletten/Tropfen. Morgens 30 mg, abends 30 mg und um Mitternacht noch mal 30 mg. Schließlich wurde die mitternächtliche Gabe wieder weggelassen und auf morgens 30 und abends 30 mg reduziert. Ausserdem haben sie ihr 2 x die rechte Lunge punktiert. Sie wurde geschallt und geröntgt.
Letzten Samstag, also etwa 1 Woche nach der Einlieferung in die Palliativstation, teilte eine Stationsschwester der Schwester meiner Freundin in einem Gespräch mit, dass meine Freundin noch etwa 1 Woche +/-2 Tage zu leben hätte. Das war ganz schön heftig so eine konkrete Angabe zu bekommen.
Aber dann dachten wir, die haben ja Erfahrung auf der Station und können das vielleicht schon einschätzen. Sie sagten auch, dass sie noch keinen so jungen Menschen hatten, der sich so gegen sein Schicksal sperrte und dagegen kämpft – in dieser Endphase.

Die Schwester meiner Freundin, kam am Abend zu mir um mir das zu erzählen, sie hat auch die Mutter und Geschwister informiert. Die Mutter ist dann auch gleich angereist. Aber irgendwie konnten und können wir das nicht glauben. Gut, es gab 2-3 Tage, wo es ihr sehr schlecht ging, aber dann wieder Tage, so wie heute (morgen wäre Tag X !), wo sie relativ munter ist. Sie ist seit vorgestern wieder zuhause, hat ein Krankenbett bekommen und einen Rollstuhl. Sauerstoff hat sie schon länger zuhause. Heute sind wir dann nachmittags als die Sonne schien, auf den Reiterhof gefahren, wo unser Pferd steht. Wir sind durch die Ställe gegangen, ganz langsam, mal ist sie selbst ein Stück gegangen, mal im Rolli, mal mit Sauerstoff, mal ohne, wir haben beim Reiten zugeguckt, und haben uns dann ein Stündchen in die Novembersonne gesetzt und uns unterhalten. Meine Freundin, ihr Freund, ihre Mutter und ich. Anschließend sind sie noch Essen gefahren. Eigentlich isst sie ja fast nichts mehr.
Einerseits glaube ich nicht an die Prognose der Palliativschwester, andererseits ist es wohl doch möglich, dass das von einem Tag auf den anderen sehr schnell gehen kann.
Was ich sehe ist, dass sie sich solange wach hält, wie es nur irgendwie geht. Sie hat Angst davor einzuschlafen – genauer gesagt, glaube ich, hat sie die größte Angst davor vielleicht nicht wieder aufzuwachen….
Ich wünschte irgendetwas könnte ihr die Angst nehmen, denn eigentlich kann man jemandem den man liebt und den man ja doch sehr bald gehen lassen muss, doch keinen schöneren Tod wünschen, oder?
Ihr gilt morgens mein erster und abends mein letzter Gedanke. Ich wache nachts auf und merke, dass ich im Schlaf weine, mein Gesicht ist nass. Tagsüber versuche ich eigentlich nicht so emotional zu sein, um es ihr dadurch nicht noch zu erschweren, sie hat es schwer genug.
So, ich hab jetzt alles ein bisschen durcheinander und wirr geschrieben, wie es mir grad einfiel.
Gibt es hier vielleicht noch andere, die auch eine zeitlich beschränkte Prognose bekamen und wie seid ihr damit umgegangen?

Liebe Grüße,
Urmele
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