Einzelnen Beitrag anzeigen
  #19  
Alt 05.01.2009, 17:05
Urmele Urmele ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 08.02.2008
Beiträge: 17
Standard Ich glaube es wird Zeit für den Abschied

Die letzten drei Monate waren ein ständiges Auf und Ab. Es gab bessere Tage, an denen wir noch stundenweise zusammensitzen konnten, und mit dem Rollstuhl noch kleine Ausflüge machen konnte. Und es gab schlechtere, an denen sie das Bett fast nicht verlassen hatte.
In der Vorweihnachtszeit haben wir zusammen noch die Wohnung ein wenig dekoriert und am Hl. Abend hat sie munter über viele Stunden mit ihrer Familie durchgehalten und sie hatte ein sehr schönes Weihnachtsfest, mit ihren Söhnen, ihrem Lebensgefährten, mit ihrer Mutter, dem Stiefvater, ihrer Schwester und deren Mann und dem Neffen. Mein Mann und ich waren auch für zwei Stunden zu Besuch und es war schön sie so heiter und fröhlich zu sehen. Sie filmte und fotografierte und wir haben Sekt getrunken.

Am Silvestertag fing es an, dass sie immer mehr schlief, im wachen Zustand verwirrter war, irgendwie nicht so richtig da. Wenn sie mal die Augen öffnet und spricht, sind es öfters Dinge, die nichts mit der Realität zu tun haben. Sie vermischt das Jetzt und Vergangenes oder Geträumtes...so genau kann man das nicht sagen.
Nun liegt sie seit 4 Tagen eigentlich nur noch, vielleicht mal auf die Toilette...und das wars. Ihre Kräfte verlassen sie, sie kann kein Glas mehr halten. Es wird schwieriger ihr ihre Medikamente zu geben, zusätzlich hat sie auch eine Lungenentzündung bekommen.
Wir versuchen jetzt in erster Linie ihr die Medikamente zu geben, die ihr die Schmerzen und die Angst nehmen. Ihre größte Angst war immer qualvoll ersticken zu müssen und das versuchen wir zu verhindern.
Wir zwingen sie nicht zu essen, wenn sie nicht will - beim Trinken nicht anders. Hin und wieder ein Schluck mit dem Strohhalm.
In einem wacheren Moment hat sie gesagt, sie möchte mit ihren Söhnen nochmal reden und auch ihren ungeliebten Ex-Mann möchte sie noch einmal sehen/sprechen.
Auch hat sie das erste Mal ausgesprochen, dass sie nicht mehr will.

...oh mann, ich schreibe das alles hier so sachlich nieder....auch wenn ich bei ihr drüben bin, benehme ich mich irgendwie so "nüchtern". Ich sitze bei ihr am Bett und streichle sie, während sie schläft, dabei wandern meine Gedanken und ich würde ihr gerne sagen, das ich so dankbar bin, dass ich sie 13 Jahre als meine beste Freundin haben durfte. Ich weiß noch genau den Moment, als ich sie das erste Mal sah, ich weiß was sie anhatte und wie ihre Haare waren - und eigentlich war es Liebe auf den ersten Blick!
Aber ich spreche es nicht aus.
Auch ihre Familie ist einfach wunderbar, ein großer Zusammenhalt, wir sind immer schon gut miteinander ausgekommen. Wir reden auch viel in diesen Tagen, sie behandeln mich wie ein Familienmitglied.
Ich bin jeden Tag bei ihr, mal kürzer, mal länger, manchmal bekommt sie es gar nicht mit. Und wenn ich dann zuhause bin und tiefer nachdenke, dann kommen auch die Tränen.

Aber nun scheint es so, als ob sie wirklich in den nächsten Tagen sterben wird. Ich mag das immer gar nicht aussprechen.
Es ist so schrecklich und doch bin ich für sie dann froh, wenn sie es geschafft hat.
Mit Zitat antworten