Einzelnen Beitrag anzeigen
  #2  
Alt 03.02.2009, 17:13
Kirsten67 Kirsten67 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 05.06.2008
Beiträge: 842
Standard AW: Dasein für meine Mama

Liebe Tinusch,

ich finde, Du hast es wunderbar auf den Punkt gebracht. Manche Dinge lassen sich einfach nicht mir zwei, drei Worten beschreiben.

Vieles, was Du beschreibst, kann ich auch bei meinem Papa beobachten. Das begann vor ca. 10 Jahren. Da ist er gerade noch mal an einem schweren Herzinfarkt vorbei geschlittert und hat drei Bypässe bekommen. Danach begann es, dass mein Papa "sehr nach am Wasser gebaut" hatte. Und auch er stand da noch mitten im Leben.

Heute ist das noch viel extremer. Er weint unabhängig von guten oder schlechten Nachrichten und bei tausend kleinen Anlässen.

Ich bin kein Psychologe, nur eine Tochter, die ihren Papa furchtbar lieb hat, aber ich glaube, dass dies sehr viel mit der echten Angst um das eigene Leben zu tun hat, Angst vor Schmerzen, Angst um die Lieben, Angst um die Zeit, die einem noch bleibt, Angst, die eigene Selbständigkeit zu verlieren, Angst um die Zeit danach.
Und ich glaube bei meinem Papa, dass es auch ein Abschieds-Schmerz ist. Er weiß, dass seine Zeit irgendwo begrenzt ist und trauert heute darum, dass er irgendwann nicht mehr bei uns sein kann. Er versucht, jeden Moment in sich aufzusaugen, z.B. seinen Geburtstag, und war danach todunglücklich, dass er nun vorbei ist.

Ich glaube, die Tränen sind sein Weg ist, mit der Belastung umzugehen. Es gibt hier auch viele, die von Agressionen schreiben. Auch das ist ein Weg, die eigenen extremen Emotionen zu verarbeiten. Aber eben nicht der meines Papas. Wo sollen sie denn sonst hin?

Ja es tut weh, es zerreißt einen und zieht den Boden unter den Füßen weg.
Ich versuche dann, für meinen Papa da zu sein. Telefonsich oder vor Ort.
Seine Tränen zu akzeptieren und zu respektieren, ihn so anzunehmen, wie er ist.
Ich versuche auch nicht, ihn mit Worten zu trösten, sage ihm dann nur "ich hab dich lieb" und "Du bist nicht allein" und "ich bin so stolz auf Dich". Aber dann weint er meist noch mehr und dann weinen wir oft zusammen. Danach gehts meist wieder.

Mein Papa geht auch zu einem Psychologen. Ich hätte gernen eine Psycho-Onkologen ausgesucht, weil die ja genau damit umgehen können. Leider gibts bei meinen Eltern in der Nähe keinen. Und der "normale" Psychologe kann nicht wirklich helfen.

Am Wochenende habe ich meinem Papa auch versprochen, jederzeit und imemr auch für Mama da zu sein. Er hat so Angst um sie, wenn er mal nicht mehr da ist. Natürlich hat er auch da geweint, aber ich wußte, dass ich ihm dieses Versprechen schon heute geben mußte.

So, das ist auch nicht viel kürzer und vielleicht ähnlich zu Eurer Situation.

Sei ganz lieb gegrüßt von Kirsten.
__________________
Mein Papa: Diagnose BSDK mit Lebermetastasen Ende Mai 2008
Den schweren Kampf verloren am 05.04.2009


Alle im Forum von mir verfassten Beiträge dürfen ohne meine Zustimmung nicht weiter verwendet werden.
Mit Zitat antworten