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Alt 11.02.2009, 01:18
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bergmädel bergmädel ist offline
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Standard AW: Ich will mein Leben zurück

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Zitat von mahanuala Beitrag anzeigen
die spannende frage ist: gibt es eine hierarchie des leidens?
Hallo Mahanuala, (und die anderen Leserinnen)

Spannende Fragen haben oft die Eigenschaft, weder mit ja, noch mit nein beantwortet zu können. Oder mit beidem. Wie Deine.

Wenn man alleine nur im BK-Thema bleibt, könnte man, wenn man wollte, ja schon mal ganz viele Hierarchien des Leidens finden. Alter bei der Erkrankung, zum Beispiel. Oberflächlich besehen hat eine Dreissigerin mehr Pech als eine Mittfünfzigerin, wenn sie erkrankt. Weil die ja schon 'ne Menge gesunde Lebenszeit mehr haben durfte, als die Jüngere. Bloss- Ich glaube, die Fünfzigerin hat trotzdem vielleicht weniger, vielleicht auch mehr Angst als die Jüngere.

Dann das Thema Kinder. Ich fühle mich sehr demütig, wenn ich von BK-Müttern kleiner Kinder lese. Wie, um Gottes willen, muss man sich da fühlen, wenn man nicht mehr gesund werden kann? Wenn ich mich in diese Mütter hineinfühle, sehe ich diese "Hierarchie des Leidens" sehr deutlich.

Dann die unterschiedlichen Prognosefaktoren. Manche Frauen bekommen eine Heilungschance von 80 oder sogar nahezu 100 % eingeräumt. Andere haben schlechtere Aussichten. Noch andere sind metastasiert. Ich finde, es ist klar, wer da die grösseren Arschkarten gezogen hat, und deshalb kann ich bei jenen da auch wieder ein grösseres "Leiden" akzeptieren.

Und manchmal sind Dinge auch einfach wahr: Im Ruhrgebiet gibt es ein Sprichwort:
"Alt werden ist nicht schön. Aber nicht alt werden ist garnicht schön."
Dat is' nu' mal einfach wahr.

Andererseits- manche, denen es schlechter geht als anderen, kommen damit besser zurecht als welche, denen es objektiv gesehen besser geht.

Aber- wer vermag darüber zu urteilen, wer ein grösseres "Recht" auf Leid besitzt?

Ich glaube aber auch nicht, dass wir manchmal deshalb genervt reagieren, weil wir neidisch sind, wenn jemand weniger Gründe hat, sich zu sorgen und es dennoch tut. Ich denke es liegt eher daran, dass man im Allgemeinen eher ablehnend auf Selbstmitleid reagiert. Und, wie gesagt, manchmal an die denkt, denen es wirklich noch schlechter geht.

Ich selbst versuche, nicht zu bewerten, jeden Menschen individuell zu sehen, ohne ihm oder ihr einen Massstab für Angst oder Leid aufzudrücken. Meistens sind es dann auch andere Dinge, die mich die Geduld verlieren lassen.
Rücksichtslosigkeit oder Unsensibilität zum Beispiel. In manchen Beiträgen empfinde ich die sehr stark; manchmal kann ich dann auch nicht an mich halten, weil ich denke, unter Umständen muss man das jemanden auch deutlich machen. Im besten Falll schaffe ich es dann, sachlich zu bleiben, und die Kritik zum Beispiel auf die Rücksichtslosigkeit zu legen und nicht zu sagen: "Du hast kein Recht, Angst zu haben, denn anderen geht es noch viel schlechter als Dir."

Für ein Krebsforum würde ich mich trotzdem immer bemühen, nicht zu vergessen, dass alle Krankheitsstadien vorhanden sind.
Zum Beispiel finde ich es okay, sich für andere und sich selbst zu freuen, wenn ein weiteres Jahr ohne Befunde vergangen ist. Auch, wenn ich trotzdem immer an diejenigen denken muss, deren Hoffnungsschwerpunkt sich verschoben hat.
Weil es auch wichtig ist, die Hoffnung zu vermitteln, dass man gesund bleiben kann.
Weil es schön ist, sich mit Anderen zu freuen. Ich hoffe dann immer, solche Jubelbeiträge tuen anderen nicht weh.
Andererseits kann man auch rücksichtsvoll bleiben und sich bemühen, sich in Andere hineinzufühlen, und Verletzungen zu vermeiden, so gut man das schafft.

Du hast geschrieben, dass Du Dich beim Lesen dieses Threads erschrocken hast. Worüber genau? Was hat Dich dabei auf den Gedanken der "Leidenshierarchie" kommen lassen?

Das, was Du über das Leben im Augenblick schreibst, ist für mich sehr wichtig geworden. Das hört sich so einfach an und ist doch eine Lebnsaufgabe. Genauso wie das Akzeptieren der Endlichkeit. Aber auch wenns manchmal schwierig ist, ich finde, die Augenblicke, in denen es gelingt, sind grossartig.

Liebe Christa, ich hoffe, es ist Dir recht, immer noch in Deinem Beitrag zu diskutieren- wenn die Diskussion sauber bleibt .

LG, Sandra
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Unsere größten Ängste sind die Drachen,
die unsere tiefsten Schätze bewahren.

Rilke

Geändert von bergmädel (11.02.2009 um 01:23 Uhr)
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