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Alt 26.03.2002, 11:08
Gast
 
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Standard Sterben , jeden Tag ein bißchen mehr

Und: TROTZDEM jeden Tag ein bischen LEBEN!
Meine Frau (51) hat seit 18 Monaten einen nicht operablen Lungenkrebs mit Metastasen in beiden Lungen und sie kämpft wie eine ganze Armee. Ich will etwas über sie erzählen, denn ihr Beispiel soll Mut machen.
Es ist kein Patentrezept, aber ein Beleg dafür, dass Hoffung von innen kommt und wie Hoffnung erhalten bleiben kann!
So ist es ihr ergangen: Misteltherapie, Thymustherapie, Immunmodulative Therapie, orthomolekulare Therapie, Hyperthermie, locoregionale Chemotherapie, systemische Chemotherapie, die ganze Palette und das alles auch noch in den unterschiedlichsten Kombinationen miteinander.
Inzwischen hat sie vier oder fünf verschiedenen Zytostatika bekommen, alle mit unterschiedlichem Erfolg und mit unterschiedlich schlimmen Nebenwirkungen.
Sie war in der Veramed-Klinik Meschede, Klinik Hammelburg, Klinikum Aachen, Krankenhaus Eschweiler, hatte stationäre und ambulante Chemo, traf liebe, nette und menschliche Ärzte aber auch (in Eschweiler) unmenschliche Herrgötter in Weiss.
Dazu kommt seit einiger Zeit nun noch die "Polineuropathie", weil durch die Chemos die Nerven in den Füssen kaputt gehen. Und nun hat sie noch die Haare verloren.
Sport, Aktivität und Bewegung waren für meine Frau immer "Leben" und diese völlige Schlappheit nach den Chemos und die Übelkeit gehörten für sie zu den allerschlimmsten Erfahrungen.
Sie ist durch die Hölle gegangen! Ich wundere mich immer wieder, was ein Mensch alles aushält.
Ohne dass ich damit die Leistung ihrer Ärzte (ganz besonders in der Veramed-Klinik) schmälern will; für mich liegt das Geheimnis hier:
Sie hat von Anfang an immer konsequent und mit Macht soviel sportliche Betätigung gemacht wie sie nur eben konnte. Klar, wenn wegen der Chemo nichts ging, dann ging nichts, doch schon am nächsten Tag sass sie wieder auf dem Ergometer, wenigstens für fünf oder zehn oder fünfzehn Minuten und mit geringer Leistung. Aber sie hat es versucht! Wie Lance Armstrong in seinem Buch "Tour des Lebens".
Wegen des Taubheitsgefühls in den Füssen und der Durchblutungsprobleme der Beine sind Tennis und Joggen mehr so möglich wie früher, also haben wir uns jetzt eben auf Tennis-Doppel und auf Radfahren verlegt. Und statt Jogging machen wir jetzt Walking: zuerst war es nur ein Spaziergang im Wald, eine Runde so etwa 90 Minuten. Dann Stück für Stück immer etwas schneller und nun brauchen wir für die 7-km-Runde nur noch 60 Minuten. Am letzten Wochenende hatte sie Lust auf eine Fahrradtour und am Ende waren es dann 45 km.
Ihre Lungenfunktionswerte sind über die ganze lange Zeit immer 100-prozentig geblieben.
Die 60 Minuten Walks und Fahrradtouren sind nicht nur gut für den Körper sondern auch für die Seele; wir tun damit etwas Schönes und Gemeinsames, wir unterhalten uns dabei über all die Dinge, die gerade halt zu besprechen sind.
Sie lässt bei dieser körperlichen Anstrengung keine Kraft, sie gewinnt sie daraus!
Vor Allem hat es ihr geholfen, diese ganze lange Zeit durchzuhalten und nun hat auch endlich zum ersten mal eine Chemo sensationell gut angeschlagen (Taxol, relativ neu und ziemlich teuer); die Ärzte waren ganz begeistert und wir erst mal!
Sie kann wieder lachen! Diese Woche hat unsere zweijährige Enkelin beobachtet, wie Oma den Pullover über den Kopf ausgezogen und dabei die Perücke verloren hat. Die Kleine war erst etwas irritiert, aber seitdem heisst es bei uns nur noch: "Oma kann sich keine Zöpfe flechten".
Also, trotz alledem! Mut zum Mut, Mut zur Hoffnung, Mut zum Lachen, Mut zum Leben!
Wir jedenfalls haben immer darauf geachtet, dass wir jeden Tag ein bischen leben!
Alles Gute Euch allen
Peter
[Peter_Boeken@web.de]
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