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Alt 30.07.2009, 22:22
Ladina Ladina ist offline
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Daumen hoch AW: Die Mutter meins Patenkindes - nichts hilft ihr

Liebe Tamara

Das ist sehr traurig, dass man gar nichts mehr tun kann für Deine Freundin. Ich bin auch der Meinung, dass es in einem Hospiz besser wäre für sie. Ich selber habe/hatte Krebs und ich habe mich früh in einer palliativen Station in der Nähe umgesehen und klar entschieden, dass ich dorthin möchte, wenn man mir nicht mehr helfen kann. Ich habe Texte dazu geschrieben, die ich Dir reinkopiere, vielleicht, wer weiss, könnten sie Deiner Freundin helfen, sich doch mit dem Hospiz anzufreunden - bei uns in der Schweiz gibt es nur wenige Hospize und oft zahlen die Kassen gar nichts dran (obwohl es günstiger ist als das KH, da viele Freiwillige dort arbeiten und nur noch lindernde Medikamente verwendet werden) Ich hoffe, bei Euch ist das anders, Deutschland ist in vielem weiter - auch in Sachen Kinderhospiz.
Ich denke, dass sich Deine Freundin so gegen das Hospiz wehrt hat damit zu tun, dass es so endgültig scheint, Hospiz wird oft nur mit Sterben gleichgesetzt, aber das ist nur die eine Seite der Realität. Im Hospiz wird in erster Linie gelebt, auf ganz individuelle Bedürfnisse kann eingegangen werden, was im KH überhaupt nicht geht. Sterben macht Angst, doch im Hospiz wird es um einiges leichter.
Wie alt ist Dein Patenkind? Und sind noch weitere Kinder da? Gibt es noch einen Papa in der Familie, einer, der den Kindern vertraut ist - das hoffe ich sehr für alle Beteiligten. Scheidungskinder sind in solchen Fällen wirklich arm dran.
Ich hoffe, ich konnte Dir mit meinen Zeilen etwas helfen, wir hatten schon mal Kontakt zueinander über das Forum www.dasanderekind.ch bezüglich Julians Homepage.

Ich wünsche Dir alles, alles Liebe. Deine Freundin hat in Dir wirklich einen lieben Menschen an der Seite. Auch wenn sie es vielleicht nicht sagt oder sagen kann, sie spürt es und sie wird dieses schöne, so wesentliche menschliche Gefühl dankbar mitnehmen, auf die andere Seite

Liebe Grüsse
Ladina (Bea)

Leben bis zuletzt
°°°°°°°°°°°°°°°
Dort,
wo Besuchszeiten nicht gelten,
wo Tag und Nacht die Türen offen stehn,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo nicht nur Verwandte Zutritt haben,
sondern Menschen, die mir wirklich nahe sind,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo Kerzen und Musik keine Störfaktoren sind
und ich das Fell eines lebendigen Tieres streicheln kann,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo ich mit meinen Nöten nicht auf taube Ohren stoße,
wo ich nicht sediert werde, wenn ich weine,
sondern beruhigt durch eine menschliche Hand,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo Lachen und Weinen ganz selbstverständlich zu Hause sind
dort möchte ich sein zum Sterben.

Dort,
wo medizinisch das wirklich Not-Wendige noch getan wird,
aber keine sinnlose Quälerei mehr zum Alltag gehört,
dort möchte ich sein zum Sterben.

Und ich glaube nicht, dass dort in mir
je der Wunsch nach der Todesspritze erwacht,
egal, wie es mir geht,
ich werde es tragen können bis zuletzt.

Umgeben von menschlicher Wärme
ist das Sterben wohl nurmehr ein sanftes Hinübergleiten
auf die andere Seite der Geborgenheit...



Ladina, im August 2001

Stationen
**********
Ich war in vielen Krankenhäusern,
auf vielen Stationen.
Manchmal kam ich als Notfall
und manchmal stand mir ein Aufenthalt lange bevor,
sodass ich vorher zum Reinschnuppern hingehen konnte,
um dem Fremden ein Gesicht zu geben,
der Angst vor dem Unbekannten ihren Grund
und den Alpträumen ihren Inhalt zu nehmen.

Doch immer, wenn ich auf so eine Station ging,
lebte die Hoffnung in mir, sie nach einer bestimmten Zeit wieder verlassen zu können.
So habe ich all diese Stationen unter dem Gesichtspunkt begutachtet,
dass sie nur Durchgangs-Station waren.

Nicht jede dieser Stationen war gemütlich,
doch ich wusste, ich würde zurechtkommen auf Zeit
und dann wieder gehen können.
Und alle in meinem Umfeld konnten mein Tun verstehen.

Vor kurzem aber habe ich meine Sterbe-Station besucht,
mich auf dieser letzten Station ganz bewusst umgesehen,
so, wie wenn man sich eine neue Wohnung anschaut.
Ich habe nicht wie früher Menschen besucht, die da wohnen,
sondern ging ganz bewusst für mich dahin,
und die letzte Angst vor diesem endgültigen Schritt auf diese Station,
ist einer besonderen Art der Vertrautheit und der Vorfreude gewichen.

Ich habe mich dieser angstbesetzten Station angenähert
und bin frei von jeglicher Furcht oder Panik wieder gegangen.

Die wenigsten Menschen in meinem Umfeld aber
brachten Verständnis auf für dieses Handeln,
quasi meine letzte Station freiwillig zu betreten und mich dort umzuschauen
unter dem Gesichtspunkt einer Bleibe auf restliche Lebenszeit.
Es hat sie befremdet
und dünkte sie makaber.

Nichts desto trotz,
mir hat es geholfen,
auf der Palliativ-Station reinzuschnuppern.
Es hat mir weder meine Zukunft getrübt,
noch den Wunsch zu sterben genährt.
Es hat mein jetziges Leben nicht verändert,
aber der Gedanke an mein Sterben irgendwann
ist um eine Hoffnung reicher....

Ladina, im Oktober 2001
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