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Alt 05.09.2009, 09:49
Benutzerbild von annika33
annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Betroffen?! Angehörig?! Herzlich Willkommen!

Hallo Ihr Lieben

Diana schreibt:

Zitat:
Die Angst wird sicher sogar in einem Tagesablauf schwanken, das kann schon allein mal ein Anruf sein, der nicht so gut läuft, wie der zuvor, oder eine Kleinigkeit und schon ist man wieder am Zittern.
Ja, genau so ist es auch - ganz genau so.

Gestern war der Pallidienst sogar 3x da. Die kümmern sich super und das Allerwichtigste dabei - Mama lässt es zu, nimmt es an und es läuft einvernehmlich.

Am Wochenende kommen sie nicht. Das aber (noch), auf Wunsch von Mama hin. Durch das Bestrahlen ist sie so müde und möchte viel schlafen. Soll sie, soll sie.

Gestern war ich ja da und hatte kurz das Essen gebracht. Da saß sie bereits angekleidet auf dem Stuhl und wartete auf den PD, der kommen sollte um sie zu waschen. Danach ging es zur Bestrahlunge, ja, auch das hat gestern, wenn auch nur mühevoll geklappt.

Gegen Nachmittag rief ihr Mann an. Er hatte ihr doch kürzlich einen LCD-TV gekauft, der jetzt im Schlafzimmer steht, so dass sie gucken kann, wann immer sie das möchte. Jedenfalls brauchte er dafür eine neue Antenne. Ich also los, samt großem Sohn und Tochter in einen nahegelegenen Technikmarkt (der mit dem Planetennamen ). Antenne gekauft und ab zu Mama.

Ja, was soll ich sagen?! Als wir kamen schlief sie und wurd dann so langsam wach. Beim Wachwerden, also so im Halbtran sagte sie:"Aua, aua!". Ich hab dann gesagt, dass wir da sind, und was sie denn hätte. Einen Krampf in der Hand. Die Ärmchen sind so dünn, die Haut so faltig und blass und, ja, wie auf einen Schlag um Jahre gealtert. Der Krampf in der Hand war zu erkennen. Ich hab gefragt, ob ich etwas tun könnte. Sie mit ihrem ganz eigenen Humorvermögen, schelmisch grinsend:"Ja, was willste denn machen? Wenn Dir was einfällt, dann mach mal!" Recht hat sie - ich Schaf! Was macht man da?

Naja, nach ner Weile gings dann wieder. Um aufzustehen bedarf es Unterstützung. Ich "umarme" sie quasi und hebe sie so unterstützend hoch. Schwierig. Man muss auf´s eigene Gleichgewicht, und auf das Mamas´achten. Sie geht, schlurft dann sozusagen Richtung Toilette, einer immer hinterher, leichte am Arm unterstützend. Den Toilettenstuhl erwarten wir am Montag. Gegessen hat sie gestern und fand es erfreulicherweise lecker. Und das mit den Stolperfallen Bibi, das hab ich gestern nochmal angesprochen. Die Läufer im Flur kann man nämlich umbenennen in "Flieger" - die sind mit ursächlich, so denke ich. Aber die eine Stufe zum Bad hoch, die ist "hauptschuldig". Wir kennen die "Fallen" jetzt und geben Acht oder beseitigen.

Mama freute sich sehr über die Kinder. So groß war die Freude, dass sie sich dann sogar entschied, sich zu uns ins Esszimmer zu setzen. Meine kleine Tochter, sie wird bald 4...ja....wie Kinder so sind. Kinder sind vorbehaltslos, denken nicht unbedingt sehr vorausschauend (ich wünschte diese kindliche Eigenschaft wäre mir erhalten) und können unbefangen mit Ist-Situationen umgehen. Sie nimmt es wie es ist. "Oma, Du kannst aber nicht gut laufen, nä?! Tut Dein Bein so weh?" Mama lacht dann, beantwortet kindgerecht.

Gestern hat sie mich umarmt. Wisst ihr, meine Mama und ich sind seit jeher ein Gespann für sich. Unsere Mutter-Kind-Beziehung ist schon immer so gewesen, dass allzuviel Nähe nicht gut getan hat. Immer "Sicherheitsabstand im Nahbereich". Das ist denke ich für uns beide wichtig gewesen, um dem anderen einen natürlichen Freiraum zu lassen. Diese "Distanz" schwindet allmählich und wir können das beide zulassen. Das Umarmen gestern war kurz wieder das, "wie es sich gehört". Mich tröstend, obwohl ich meine Traurigkeit verbarg, mir zur Seite stehend, obwohl in Wirklichkeit genau diesen Part ich zur Zeit übernehme.....ja, einfach kurzzeitig richtigherum.

Ich begreife, dass es in eine andere Richtung geht. Wie sagte die Tage eine liebe Forumsteilnehmerin zu mir?! "Anni, Du kannst ihr Leben nicht retten. Aber lass ihr ihre Selbstbestimmung!" Genau das werde ich akzeptieren und tun, denn genau das ist ihr Wunsch.

Wir sprachen nochmals über den Onkologen gestern, der z. Zt. ahnunglos über die Entwicklung ist. Zwar schreibt der PD ihn eh an, aber ich halte es für besser, wenn er informiert ist. Vielleicht hat er ja eine zündende Idee, woher das eingeschränke Gehen kommt. (Mamas´Mann meinte gestern, er habe schon vermutet, dass sie sich bei einem ihrer Stürze durchaus einen Wirbel angeknackst haben könnte - war bei Oma damals auch sturzbedingt so - dann Querschnitt ) Wiegesagt - sie soll selber bestimmen, aber mir irgendwann auch nicht "vorjammern", dass der Onko mit ihr gemotzt hat, weil er nicht im Bilde war. Sie hat gesagt, sie würde ihn wahrscheinlich am Montag telefonisch kontaktieren. Ja, das hielte ich für gut, aber wenn sie´s nicht tut - sei´s drum. Es ist ihr Ding!

Auf dem Rückweg im Auto. ich legte gerad den ersten Gang ein sagt der Große:"Mama, das habe ich so nicht erwartet." "Ja Kind, ich weiß." Aber so nimmt die Krankheit manchmal ihren Lauf. Darum hab ich Dir vorher gesagt, dass Du nicht erschrecken sollst." Wir haben dann lange geredet. Ich händele das jetzt so, wenn Mama es möchte, werde ich ihn wannimmer er auch will, mitnehmen. Er will nämlich. Ich verstehe das.

Als meine Oma mütterlicherseits damals im KH lag und es war absehbar, dass sie dieses nicht lebend verlassen würde, da durfte ich nicht hin (Schutzfunktion der Eltern). Ich hab auch nicht groß gefrag, wiegesagt, als Kind nimmt man die Situation an und akzeptiert. Ich werde nie vergessen, wie erschrocken ich war, als ich sie das letzte Mal sah. Ne...mein Sohn und meine Mama habe eine wunderbare Beziehung und da wird auch der Krebs nix dran ändern. Und ich werde nicht den Fehler machen, ihn zu isolieren.

Ich schalte nun wieder aktiv die Bekannte der Trauerbegleitung ein. Sie ist spezialisiert auf den Umgang mit Kindern und ein unglaublich einfühlsamer Mensch. Ob es manchmal Zufall ist? Wir hatten eine Weile kaum Kontakt. Und jetzt finde ich eine Email in meinem Postfach. Zur rechten Zeit am rechten Ort. Dank nach oben!

Gestern abend war mir zeitweise nur nach Weinen. Ich hänge hinterher. Meine Augen sehen, mein Herz leidet aber mein Körper und der Verstand, das Handeln nach außen hin nehmen eine unglaublich stark wirkende Eigendynamik an. Wenn unser Körper einen Missstand hat, dann signalisiert er Schmerz, wenn wir zur Toilette müssen, dann spüren wir das, und wenn ein geliebter Mensch so schlimm krank wird, reagiert unser Körper in ebendieser seit Urzeiten bestehenden Funktionalität. Und ich bin sicher, er schützt sowohl mich damit, als auch Mama.

Ich bin traurig, dankbar für die besonders intensive Zeit mit Mama, die ich gerne unter anderen Umständen erfahren hätte.

Heute fahre ich für sie einkaufen und werde ihr dann beim Füße waschen und cremen helfen.

Liebe Thessa, ich weiß, wenn Du das hier liest, dann wird dich das 1:1 "erwischen" und ich habe immer das Gefühl, dass Du genau weißt was ich empfinde. So wie viele andere hier auch. Ich bin froh, dass ihr alle, ausnahmslos hier an meiner Seite seid. Das gibt mir das Gefühl, nicht alleine zu sein. Schwangere tauschen sich in solchen Foren aus, Autofreaks wiederum auf ihre Weise - das hier, das sollte irgendwie einen ganz anderen Namen bekommen. Das ist kein "einfaches Forum", das ist "wahre Lebenshilfe".

Ich danke Euch dafür

Annika

P.S.: Seit gestern daddelt aus dem Kinderzimmer die ganze Zeit das Lied von Milow: you don´t know
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