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Alt 14.04.2002, 21:05
Gast
 
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Standard Und Brustkrebs ohne Bestrahlung?

Hallo Axel,
Ui, da hast Du Dich ja recht auf meine Philosophie-Morgenstunde eingelassen! Macht aber nichts, denn ich finde, darüber kann man ruhig nachdenken, gell?
Nur etwas möchte ich Dir noch erklären (freut mich übrigens, dass Dich diese Diskussion hier so interessiert!). Weisst Du, als ich letztesmal darüber geschrieben habe, dass ich in verschiedene Einkaufsläden gehe, um Abwechslung in meinen Speiseplan zu kriegen, meinte ich das eigentlich nicht in diesem Sinne, dass ich in diesem oder jenem Laden was BESSERES kriegen könnte vor lauter Wohlstand! Ist ja schön, dass wir mehrere Läden haben, aber ich meinte da etwas ganz anderes: Ich tue dies eigentlich eher bewusst, indem ich mir schlimmstenfalls halt die möglichen "Gifte" von verschiedenen ORTEN herhole, ... damit sich mein armer Körper nicht immer mit den selben Giften rumschlagen muss! Das klingt vielleicht etwas makaber und übertrieben, aber wenn man es sachlich betrachtet, ist das vielleicht NUR vernünftig. Ich meine, was bietet mir der eine Laden mit seinen schnellen "Massenprodukten" an, was mir der andere nicht auch anbieten kann? Der eine bekommt seine Waren wiederum von diesem Hersteller, der andere von einem anderen. Und wieder ein anderer stellt seine Waren in Eigenproduktion selber her. Der eine halt so, der andere so. Dieser mit jenen "Giften", jener mit anderen "Giften", ... und naja, ein anderer wiederum vielleicht mit weniger Giften, dafür um so TEURER! - Habe ich also als Konsument in dieser Beziehung eine grosse Wahl? Ist DAS Wohlstand?

Ich habe mein Leben lang nie viel vom Wohlstand gehalten. Und wenn man kaum Geld hat und sich seine Brötchen verdienen muss, kann man auch nicht mal gross davon profitieren. Ich kann mir auch nicht das kaufen, was ich - aus dem Wohlstand - toll finden würde. Ich muss also abwägen, wofür es sich lohnt, mein Geld auszugeben. Aber ich brauche ja auch kein Haus, wenn ich keine Familie habe. Ich brauche kein Auto, wenn ich mit der Strassenbahn fahren kann. Ich brauche keine Mode, wenn es das Einfache auch tut. - Man ist also eingeschlossen in einem System, welches einem kaum Chancen gibt, wenn man nicht viel Geld hat. Der Druck ist jedoch da, (man muss, man muss ... Du weisst schon!) obwohl ich ihn von mir weise. Er gibt Dir nämlich das Gefühl in dieser Gesellschaft weniger Wert zu sein. Deswegen will ich diesen Druck auch gar nicht! Husch-husch, weg mit Dir! Bin ja schliesslich nicht WENIGER Wert als die anderen, nicht wahr? Trotzdem: Ich bin eine "Aussenseiterin", eine vielleicht "sozial Schwächere", eine Eigenbrötlerin, die manches aus dem System kritisiert! Nicht mal aus Neid, sondern aus Ueberzeugung. Doch das braucht Mut. Es braucht unglaubliche Energie. Es braucht Stärke. Es ist ein Weg, aber es ist auch ein unbequemer Weg.
Ich lebe also in einer Welt aus "Wohlstand", von dem ich nicht profitieren kann und will, und welcher mir letztendlich aber auch gar nichts nützt. Wenn nämlich unsere Wohlstands-Lebensmittel gar nicht gesund sind vor lauter künstlichen Erzeugungen, wenn unsere Luft so dreckig ist vor lauter Abgasen, und wenn wir so leben müssen wie es von der Gesellschaft von uns erwartet wird, ... dann IST das letztendlich kein Wohlstand. Es ist Einbildung, alles HABEN zu können, was gar nichts Wert ist! - Verstehst Du, was ich meine?

Das Ganze geht aber auch noch viel tiefer! Du hast schon recht damit: Es ist unsere Einstellung zum Leben selbst, die fehlt. Unser Ich in dieser Gesellschaft, und ich sage mal, unser geistiges oder seelisches Bewusstsein, das wir so sehr vernachlässigen. Wir leben wie auf einer "Platte", auf welcher wir stehen und nur nach "oben" schauen, was es dort so Gutes und Feines gibt, aber wir wagen es nicht, zwischendurch mal nach "unten" zu schauen um zu sehen, was denn unser "Ich" so tut. Hui! Da wird so manchem ziemlich schnell schwindelig dabei!

Ich mache mir nicht erst Gedanken über all diese Dinge, seit ich Krebs habe. Meine Einstellungen über das Leben (und mein Leben) haben sich wegen dem Krebs nicht geändert. Das einzige, was sich geändert hat: Ich esse bewusster. Und ich bin ziemlich ungeduldig geworden. Ich ertrage es kaum, Dinge lange hinauszuschieben. (Wen wundert's?) Und ich will jetzt endlich DAS tun, was ich schon mein Leben lang wollte! - Aber leider geht das offenbar nicht ...! - Na, somit "entführe" ich Dich mal, lieber Axel, (und alle anderen, die es interessiert) auf meine private Homepage:
www.krebsgeschichte.ch
Da geht es schlussendlich um einen Lebens-SINN! Frag mal die Leute in Deiner Umgebung, was für SIE der Sinn ihres Lebens ist. Da wirst Du sehr unterschiedliche Antworten hören! Naja, es ist auch nicht gerade "modern", über den eigenen Sinn des Lebens nachzudenken. Und es ist ja auch eine ziemlich schwierige Frage, hm?

Liebe, philosophische Sonntagsgrüsse
von Brigitte
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