[Ute08]

Hallo, mein Mäuschen

da bin ich wieder - ziemlich abgenervt von der Arbeit. Gar nicht mal von den durchgeknallten Kindern oder irren Eltern - ne, das bekomme ich irgendwie hin. Mehr von ner psychotischen Kollegin, obwohl das wahrscheinlich jetzt übertrieben oder gemein ist. Aber das nervt einfach nur. Da versuche ich, über den Tag zu kommen und mein Privatleben oder speziell unsere Trauer auf der Arbeit außen vor zu lassen, um da klar zu kommen, ist das irgendwie nicht richtig. Dann antworte ich ganz ehrlich auf ne Mail, wie es mir geht ist das auch nicht richtig. Als wenn ich sonst keine Sorgen hätte. Ich trage mich ja eh schon mit dem Gedanken, mir was anderes zu suchen. Das macht es mir ja noch einfacher.
Mensch, Maus, ich weiß noch genau, wie wir immer abends beim Abendessen darüber gesprochen haben, wie für die anderen der Tag gelaufen ist. Du hast immer mit Dad über dieses Irrenhaus gelacht oder gefragt, wie ich das aushalten, da zu arbeiten. Manchmal hast du mich auch bedauert. Die Gespräche waren zwar immer nur ein paar Minuten, aber das hat manchmal richtig geholfen. Wir machen das zwar jetzt immer noch, aber es hat eine andere Qualität, weil eine fehlt. Und das ist uns jede Sekunde des Tages bewusst. Wollte Dad heute auch nicht mit sowas belasten. Er schlawinert ja Dienstags eh immer etwas am Abgrund, weil das euer Fernsehabend war. Selbst solche Kleinigkeiten wie 5-Minuten-Gespräche haben sich gravierend verändert. Wie sollen wir das nur die nächsten 20, 30 Jahre aushalten?
Ich glaube, da macht sich kein Mensch Gedanken drüber, Hauptsache wir funktionieren.
Mel, du fehlst, immer und überall
deine ziemlich traurige Mum