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Alt 10.05.2010, 16:51
Christina1971 Christina1971 ist offline
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Standard AW: Bin neu bei euch! Meine Mama hat EK !

Liebe Bianca,

Willkommen im Forum, auch ich bin noch relativ neu hier…

Deine Beschreibungen zur Situation Deiner Mutter gleichen sich sehr denen meiner Mutter. Sie (allerdings bereits 67 aber allgemein extrem fit) wurde fünf Wochen vor Deiner Mama operiert. Ihr wurden bei der ebenfalls über achtstündigen OP (sie besaß aufgrund einer Total-OP vor fast 40 Jahren nur noch einen halben Eierstock…) der restliche Eierstock, ein großer Tumor im Becken, das Bauchnetz, ein großer Teil des Dickdarms (jedoch ohne künstlichen Ausgang) sowie des Dünndarms und zahlreiche Lymphdrüsen entfernt. Zusätzlich hatte sie einen Pleuraerguss (Flüssigkeit im Brustkorb zwischen der Lunge und den Rippen) sowie einen Aszites, was ja - soweit ich inzwischen gelernt habe - fast schon üblich ist.
Die Diagnose lautet Figo III c, wobei ich mir die weiteren Kürzel nicht merken konnte (T3 = Figo III).
Auch bei ihr wurde alles Größere entfernt, der Rest müsse die Chemo übernehmen, so die Ärzte.
Über die statistischen Angaben zur Heilung mache ich mir inzwischen keine Gedanken mehr, da jeder Fall so extrem individuell verläuft. Solche Aussagen (20% Heilungschance) deprimieren höchsten, was in dieser Situation mehr als überflüssig ist. Also, bitte das positive Denken nicht verlieren!
Wie Deine Mutter, so hat auch meine einen Port bekommen, was zunächst sehr unangenehm – insbesondere beim Schlafen – war, aber nun keine Probleme mehr bereitet. Sie wird ebenfalls mit Taxol + Carboplatin behandelt.
Letzten Montag (3.5.) hatte sie die zweite Anwendung.
Bei der ersten Chemositzung war sie im Anschluss extrem schlapp, da die ganze Prozedur einige Stunden dauerte, die Flüssigkeit schlecht durch den Port lief (mir nicht verständlich, warum), und sie ohnehin von der panischen Angst Tage zuvor nicht schlafen konnte (sie schläft allgemein schlecht) und dementsprechend kaputt war.
Außerdem hat sie seit der OP permanenten Durchfall, was zu starkem Gewichtsverlust führte. Einen Tag danach klagte sie über starke Gliederschmerzen und Kreislaufprobleme. Um nicht umzukippen, fuhr sie mein Vater ins Krankenhaus, wo sie zum Aufpeppeln eine Infusion verabreicht bekam. Danach ging es ihr von Tag zu Tag besser. Keine Übelkeit und Appetitlosigkeit, teilweise erstaunliche Heißhungerattacken nach Pizza, hausmacher Wurst, Rosinenbrötchen…
Die Ärzte sagen, gesunde Ernährung sei gut und schön, aber momentan zähle das Zunehmen an Gewicht zur allgemeinen Stärkung. Daher ist alles erlaubt, was sie mag und auf was sie in diesem Moment Appetit hat. Somit hat sie tatsächlich bis zur zweiten Chemo wieder gute fünf Kilo zugenommen.
Zwei Wochen nach der ersten Anwendung fing es langsam mit dem Haarausfall an. Aber für Fremde jedoch kaum sichtbar.
Letzten Montag nach der zweiten Chemoanwendung ging es ihr die ersten zwei Tage danach noch recht gut (auch die Anwendung selbst war keine so schlimme Tortur mehr, da sie ja nun wusste, wie sie abläuft). Leider bekam sie am dritten Tag Gliederschmerzen, die bis heute anhalten. Sie sind mit jenen einer Grippe-Erkrankung zu vergleichen, sagt sie. Auch der Durchfall hat wieder stark zugenommen, was sich entsprechend auf ihr Gewicht auswirkt. An einem Tag hatte sie einen unangenehmen Metallgeschmack im Mund, was die Lust auf Essen zusätzlich vermieste…Das hat sich aber schnell wieder gegeben. Die Haare verflüchtigen sich nun immer stärker, was ihr psychologisch (noch) große Probleme bereitet. Selbst wenn man immer sagt, der Verlust der Haare sei das geringste Problem im Vergleich zum Ausmaß der Krankheit. Sie hat sich eine nette Perücke anfertigen lassen und besitzt einige Kopftücher aus Baumwolle (die H.A.D. Schläuche sind m.E. sehr praktisch). Mal sehen, wann der Fiseur für den letzten Rest antreten muss...

So ist bei uns die Entwicklung bis heute.
Auch ich habe grauenvolle Angst vor allem was kommt. Meinen Schockzustand der ersten Wochen nach der Diagnose verbunden mit permanenten Weinattacken habe ich ein wenig überstanden. Ich versuche mich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, um besser zu verstehen, um nicht überrascht über die diversen Körperreaktionen zu sein und um ihr mit dem einen oder anderen Rat zu helfen. Ich will sie ja auch nicht permanent bevormunden und Doktor spielen, außerdem ist mein Vater letztendlich die noch viel engere Bezugsperson.
Dennoch versuche ich ihr immer hier und da ein paar "Dinge" unterzujubeln, wie z.B. hochkalorische Nahrungsergänzungsdrinks, Eiweißriegel,… Hierbei habe ich schon einige Male daneben gegriffen, und sie hat es mit noch mehr Durchfall und Blähungen bezahlen müssen. Aber auch die Ärzte meinen, sie muss ausprobieren, wie sie auf welche Lebensmittel reagiert. Und auch das kann täglich variieren.
Was ihr bis heute super bekommt ist Banane mit Joghurt. Das steht auf dem täglichen Speiseplan und die oben genannten Rosinenbrötchen, diese verschlingt sie mit Genuss. Was gar nicht geht, ist Paniertes jeglicher Art. Komischerweise verträgt sie gekochtes Sauerkraut wunderbar… Es gibt also gar keine Regeln, sondern ausschließlich Ausnahmen…

Was meiner Mutter mental sehr hilft, ist das Spüren der familiären Nähe sowie die der Freunde. Mal steht ein Eintopf oder ein Kuchen vor der Tür, ohne dass groß darüber gesprochen wird. Mal kommen Blumen oder Kärtchen per Post. Jeder geht offen mit ihr und der Krankheit um. Keiner jammert oder weint vor ihr (das fällt mir oft extrem schwer!!!).
Ich bin überzeugt, dass auch das in irgendeiner Weise hilft.
Außerdem bin sehr froh, dass mein Vater noch fit ist und durch sein Dasein als Rentner permanent für sie da sein kann. Leider wohne ich 500km entfernt in Hamburg und kann nur am Wochenende da sein…

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meinem Bericht etwas helfen, zumindest Dir eine ungefähre Idee über den Fortlauf der kommenden Wochen geben.

Ich wünsche Deiner Mama und Dir viel Kraft für die bevorstehenden Monate.
Und noch einmal, auch wenn die allgemeinen Prognosen mehr als niederschmetternd aussehen, so gibt es doch auch viele positive Fälle sowie Fortschritte der Medizin, die uns Hoffnung und Optimismus geben sollten.
Und das ist es, was unsere Mütter nun brauchen.

Viele liebe Grüße
Christina
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