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Alt 22.07.2005, 10:22
Gast
 
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Standard BSDK - weder OP- noch Chemo möglich?

Hallo Iris,
ich könnte mir vorstellen, dass die Diagnose für Deinen Vater so unvorstellbar = unreal und so heftig ist, dass erst einmal eine ganz massive Verdrängung eintritt. Er verhält sich scheinbar normal, obwohl ab jetzt ja nichts wirklich mehr "normal" ist, und lenkt seine distanzierte Aufmerksamkeit auf die Bewältigung des Alltags: Was ist zu erledigen usw., fast als ob man vor einer Reise nochmal aufräumt. Und verweigert sich emotional - nicht rational - der Erkenntnis, dass ihm eine Reise ganz anderer Art bevorsteht.

Als ich damals, vor über 4 Jahren, mit der Diagnose BDSK konfrontiert wurde, habe ich auch scheinbar und merkwürdig "normal" darauf reagiert. Ich habe im Internet gesurft, um etwas über diese Krebserkrankung in Erfahrung zu bringen, und die Informationen waren eher entmutigend. Und irgendwie dachte ich: was genau hat das jetzt eigentlich mit mir zu tun? Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, mir liegt ein bleischwerer Brocken im Magen. Gut, nach der Diagnose an einem Freitag hat mir mein Internist gleich einen Platz im Krankenhaus für eine OP beschafft, am folgenden Montag bin ich ins Krankenhaus und am Mittwoch wurde ich operiert. Es ging alles so schnell.

Ich war einerseits von Grund auf erschüttert, konnte aber andererseits die Situation nicht richtig an mich heranlassen. Ich fühlte mich wie im falschen Film: das ist doch jetzt nicht wirklich mein Leben, oder? Ich habe meinen Arzt gefragt, wie lange ich nach der Operation im Krankenhaus bleiben muss und wann ich wieder arbeiten gehen kann. Ich habe an dem Wochenende zwischen Diagnose und Antritt im Krankenhaus im Büro gesessen und noch Sachen weggearbeitet, wo ich doch die nächsten 3 Wochen, so dachte ich, nicht würde arbeiten können. Und alle fanden mich ja so unglaublich vernünftig und tapfer. Und ich habe meine Familie versucht zu trösten. Über meine Eltern habe ich mir fast mehr Sorgen gemacht, als über mich (ich habe keine Kinder, sonst wären diese der Gegenstand meiner Sorge gewesen). Erst sehr, sehr viel später konnte ich diesen tiefen Einschnitt in mein Leben emotional besser an mich herankommen lassen, wobei ich sagen muss, dass ich natürlich viel Glück gehabt habe und erfolgreich operiert werden konnte.

Nimm Deinen Vater, so wie er im Moment ist und das Bedürfnis hat zu sein. Die Konfrontation mit dieser Ausnahmesituation ist nicht auf Knopfdruck herzustellen. Ich wünsche Euch viel Kraft in der nächsten Zeit. Im übrigen schließe ich mich der Empfehlung an, eine Zweitmeinung einzuholen. Palliative Chemotherapien dienen der Verbesserung und Verlängerung der Lebensqualität.

Alles Gute, Lea
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