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Alt 06.08.2006, 14:41
Chanie Chanie ist offline
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Ort: Nähe Ulm
Beiträge: 19
Standard Ich glaube, er muß bald gehen

Hallo
Ich sitze hier allein zuhause und höre den gleichmäßigen Atem meines Mannes aus dem Schlafzimmer kommen. Manchmal setzt er aus, manchmal höre ich ihn nicht, dann zuckt für eine Sekunde alles in mir zusammen.
Mein Mann liegt wahrscheinlich im Sterben. Ich habe schon Stunden neben ihm gelegen, seine Hand gehalten, mich an ihn gekuschelt, aber er mittlerweile bemerkt mich kaum noch. Trinken geht auch nicht mehr.
Mein Schatz leidet an Lungenkrebs. Zu schaffen machen uns aber vor allem die Hirnmetastasen. Er hatte nie Kopfweh, nur einmal vor Weihnachten einen neurologischen Aussetzer (Namen waren gelöscht), aber am Beerdigungstag seiner Mutter erlitt er einen schweren, epileptischen Anfall. Nach einem Tag haben sie ihn aus der Klinik gelassen, eingestellt auf Ergenyl, mit der lapidaren Bemerkung : "Er hat genug Zeit in Krankenhäusern verbracht." Das ist zwar richtig, aber so ganz toll eingestellt war er nicht, da er nach wie vor zittert und z.T. an längerwährenden Absencen leidet. Nach dem Beerdigungs/Erb/Wohnungsauflösungs-Streß und einem Nervenzusammenbruch von meinem Schätzchen, gönnten wir uns eine nahezu unbeschwerte Woche bei meinen Eltern. Die Tage darauf verschlechterte sich sein Zustand und die Absencen wurden unerträglich lang. Wir haben versucht, diesen Zustand zu durchbrechen, doch heut, nach einem an für sich gar nicht so schlechten Tag, liegt mein Schatz nun so da, wie ich schon einige Menschen vor ihrem Tod hab liegen sehen.
Die Hirnmetatstase scheint das Atemzentrum erreicht zu haben. Er atmet z.T. mit langen Abständen zwischen den einzelnen Atemzügen und heute Mittag hatte er Panik, zu ersticken. Ins Krankenhaus will er nicht mehr und im Moment gibt er zu vertehen, daß er sich wohl fühlt.
So besteht mein Tag und meine Nacht nun aus warten, hoffen, bangen und ich erzähl ihm grad alles, was mir an unserer Zeit so gut gefallen hat, träume die Träume, die wir noch zusammen haben weiter, als würde er morgen wieder aufstehen und mit mir wegfahren können. So sind wir eben an die See gereist, haben den Möwen am Strand gelauscht und das Watt zwischen den Zehen gespürt.
Wir wollten am 15.8. nochmal in Urlaub fahren. Erst zu meinen Eltern, dann an die See. Träume, schöne ferne Träume.
Ich denke, ich muß ihn loslassen, aber ich kann es nicht. es ist soooo unendlich schwer. Wir haben erst im Februar geheiratet und uns war nichtmal ne Hochzeitsnacht vergönnt. Heut haben wir wie jeden Tag aneinandergeschmiegt dagelegen und haben geträumt, wie es wäre, ein ganz normales Leben zu leben. Bin fix und fertig und so traurig.
Ich wünsche mir, daß jeder hier erfährt, wie tapfer mein Mann seinen Lebensweg zuende geht.
Denkt an uns und betet für uns.
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