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Alt 24.08.2012, 11:45
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

So noch ein kleines Update.

Gestern im Krankenhaus war es wieder sehr anstrengend. Vor allem für meinen Vater.
Ihm wurde ja bereits vor 12 Jahren ein Stimmband entfernt und jetzt kann er nur unter größter Anstrengung sprechen und ist extrem schwer zu verstehen.
Alles was er sagte, war nicht unbedingt verwirrt, aber es kam mir alles so unpassend vor und der Situation unangemessen. Ich denke, er verdrängt das alles sehr extrem.

Ich musste ihm bei einem Versuch dreimal sagen, dass ich ihn leider nicht verstanden habe. Da drehte er den Kopf weg, verdrehte die Augen, seufzte und sagte ziemlich verständlich:" Oh Mann, ich habs doch jetzt schon dreimal gesagt".

Dann fragte er mich innerhalb einer Stunde dreimal welches Datum wir heute haben.

Erkundigt sich, ob ich die Reiserücktrittsversicherung angerufen habe. Ich belog ihn und sagte ja.

Dann sagte er: "Carlos, ich fühle mich so schwach, woran liegt das bloss?"
Ich, den Tränen nahe: " Ich weiss es nicht, Papa"

Und dann das:
Er fragte mich, ob ich das Auto in Spanien vom Flughafen nach hause fahren werde oder meine spanische Cousine. (Eigentlich war geplant, dass ich Mitte September meine Eltern in Spanien besuche). Ich erwiderte, dass ich natürlich nicht nach Spanien in den Urlaub fahren würde. Er fragte, warum denn nicht. Ich: na weil du krank bist und ich dich hier doch wohl nicht alleine lassen kann.
Darauf sagte er: "Aber wenn ich wieder gesund bin, dann fährst du vom Flughafen nach hause, oder?"
Ich schluckte, lächelte und sagte ihm: "Klar, fahr ich uns dann vom Flughafen nach hause"

Ich dachte es zerreisst mich.
Offensichtlich ist er sich nicht über die Tragweite der Diagnose bewusst.
Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll in Zukunft. Klar werde ich erst alle Untersuchungsergebnisse abwarten. Aber was dann?
Ihm schonungslos die Wahrheit sagen?
Oder ihm die Hoffnung lassen das doch noch wieder alles gut wird?

Wie habt ihr das gehandhabt?

Da der Hausarzt meines Vaters 30 km von zuhause entfernt ist und ich für den Fall, dass mein Vater nach hause kann vorbereitet sein wollte, habe ich mich um einen neuen Hausarzt bemüht, der einfacher zu Hausbesuchen kommen kann. Ich fand einen hier im Ort, einen Internisten, der auch Zusatzqualifikationen in Palliativmedizin auf seiner Homepage auswies.
Perfekt dachte ich und rief am Dienstag bei ihm an, um einen Termin zu einem Gespräch zu vereinbaren. Ich schilderte der sehr netten Sprechstundenhilfe die Situation und bisherige Diagnose, sie nahm zu Protokoll, dass es eventuell palliativ werden würde und ich einen neuen Hausarzt für meinen Vater suche.
Alles gar kein Problem, ich bekam für heute 09.30 einen Termin zu einem Gespräch.

Nun klingelte um 07.30 mein Telefon.
Sie: " Ja, hier ist die Praxis Dr. Soundso. Sie haben heute ja um 09.30 einen Termin. Leider hat Hr. Dr. Soundso erst jetzt gesehen, dass es sich um einen Palliativfall handelt. Dafür sind wir gar nicht zuständig. Ich gebe Ihnen mal die Telefonnummer, wo Sie eine Palliativpflege beantr...."

Ich:" Moment,Moment. Ich suche einen neuen Hausarzt für meinen Vater und weiss noch gar nicht, ob Palliativpflege in Frage kommt..."

Ich schilderte noch einmal meine Situation.

Sie:" Da muss ich noch mal nachfragen. Moment"
Kurz darauf.
Sie:" Wissen Sie, Palliativmedizin machen wir gar nicht mehr. Da kann ich Ihnen gar nicht helfen."

Ich:" Erstens weisen Sie diese Qualifikation bei zwei in ihrer Praxis ansässigen Ärzten aus. Und zweitens und viel wichtiger suche ich in erster Linien einen neuen Hausarzt für meinen Vater in seiner Nähe."

Sie:" Da muss ich noch mal nachfragen. Moment"
Kurz darauf.
Sie:" Wissen Sie, das Problem ist, ich kann Ihnen erst in drei Wochen einen Termin anbieten."
Ich: "WTF? Ich habe in zwei Stunden einen Termin bei Ihnen"
Sie: "Achso, ja. Ich frage noch mal nach."
Kurz darauf.
Sie: "Tut mir leid, wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf."
Ich: "Ich verstehe. Bitte richten Sie ihrem Chef aus, dass es eine Sache ist meinen Vater nicht als Patienten behandeln zu wollen. Das finde ich zwar auch bereits ziemlich daneben, aber nun gut. Aber die Art und Weise wie er mich Scheibchenweise abwimmeln möchte und Sie dabei vorschickt, weil er nicht die Cohones hat mir das selbst zu sagen, das ist sowohl menschlich, als auch medizinisch das Allerletzte."

Daraufhin legte die Dame grußlos auf.

Ich dachte im falschen Film zu sein. Noch dazu ein ganz schlechter.

Aber gut, das bringt mich nicht um.
Ich rief bei seinem bisherigen Hausarzt an, schilderte die Situation und er zeigte sich fassunglos. Jetzt habe ich Montag einen Termin bei ihm, um alles weitere persönlich zu besprechen. Wir finden schon eine Lösung.

Dann bin ich heute morgen in den VDK eingetreten, um mich kompetent beraten lassen zu können und habe für nächste Woche einen Termin beim Sozialdienst des Krankenhauses, dem Psychonkologen und der Diakonie vereinbart, um mich beraten zu lassen und vorzubereiten auf das was kommen mag.

Es sieht so aus, als entwickele sich das hier zu einem Tagebuch.
Ich glaube mir tut das gut.

Wenn ihr organisatorische Tipps habt oder Adressen oder Kontakte, die ich nicht aufgeführt habe, wo man sich Hilfe holen kann, nur her damit.

Ich möchte gerne jede Hilfe in Anspruch nehmen, die ich bekommen kann. Für meinen Vater, meine Mutter und mich.
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