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Alt 29.09.2013, 16:30
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Standard AW: Sprüche... für Umgang mit Krebs, Durchhalten, Mut, Hoffnung...

Ein harzliches Hallo in die Runde,

und was für eine interessante Diskussion um so ein kleines Wörtchen, die mich zum Nachdenken inspiriert hat. Danke für all die Denkanstöße und Meinungen.

Wie so schön treffend Helmut schreibt:
Zitat:
Es ist schon interessant, wie viele Ansichten, Deutungen und Meinungen es zu dem kleinen Wörtchen 'kämpfen' gibt. Trotz eigentlich doch allgemeiner inhaltlicher Übereinstimmung.
Aber nach wie vor mag ich dieses Wort nicht für mich benutzen. Assoziiere ich es doch mit Schlacht, Krieg, Gemetzel und das stelle ich mir dann in meinem Körper vor.
Geht gar nicht.
Ich stelle mir viel lieber vor, wie sich bestimmte Zellen auflösen, wie sie schrumpfen und verschwinden, wie sich mein Körper selbst hilft und mein Immunsystem stark, kraftvoll und liebevoll mit Hilfe von Medikamenten, Therapien, Meditationen, Tees usw. reagiert.

Ebenso nenne ich z. B. das morgendlich manchmal mühselige Aufstehen nicht Kampf, sondern einfach Überwindung, wie ich auch nicht die schlimmen Nebenwirkungen von Chemotherapie oder Operationen mit kämpfen interpretiere, sondern ich ertrage diese und nehme sie an, ganz nach dem Motto: das schaffe ich, dass schafft mein Körper.

So ist gerade das Annehmen für mich ganz wichtig und bedeutet für mich: leben.
Doch diese Überzeugung war nicht einfach da, nein, es ist ein Entwicklungsprozess, ein Weg, den ich beschreite. Bevor ich Annehmen konnte, durchlebte ich Zweifel und Wut, Traurigkeit und Hilflosigkeit, Schmerz und Erdulden, Suchen und Lernen. Am Anfang, als ich die Diagnose bekam, war ich einfach hilflos und ohnmächtig, irgendwann reagierte und funktionierte ich und schließlich begann ich die Situation anzunehmen, mich mit ihr bewusst auseinander zu setzen und ich fing an selbst zu agieren. Heute sind für mich z. B. meine behandelnden Ärzte, Therapeuten usw. gleichberechtigte Partner, mit denen ich gemeinsam überlege, diskutiere und die nächsten Schritte auslote. Genau deshalb informiere ich mich und bin offen für verschiedene Therapieansätze und bei all dem ist mir wichtig, dass ICH letztendlich bestimme, was, wie, wo, wann geschieht.

In der Diskussion ist mir aufgefallen, dass gesagt wird: Man setzt seine Kräfte, seinen “Kampf“ gegen den Krebs ein.
Ich jedoch setze meine Kräfte, mein Handeln für die Gesundheit, das Leben ein.

Und aus diesem Grund ist für mich die Aussage nicht zutreffend:
Zitat:
„Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs“ ist falsch.“
Natürlich bestimme ich mein Leben bewusst, weil ich stets die Wahl habe und Entscheidungen treffen kann oder auch nicht. Ich ordne mich nicht meiner Erkrankung unter, sondern ich ordne diese meinem Leben unter. Das ist für mich ein wesentlicher Unterschied. Denn ich entscheide, wann ich welche Termine wahrnehme, welche Medikamente ich einnehme oder welche zusätzlichen Therapien, Wohlfühlmaßnahmen ich in Anspruch nehme. Dabei ist mir wichtig, dass ich das, was ich tue, gerne mache. So sehe ich z. B. die „Mädels“ in meiner „Onkopraxis“ als liebe Vertraute an. Ich fahre seit 2010 alle 3 bzw. 4 Wochen dort hin und bekomme meine jeweiligen Medikamente mittels Tropf verabreicht. Es ist wie vieles Andere zu einem Teil von meinem Leben geworden, was ich positiv angenommen habe. Dazu zählt auch, dass, wenn plötzlich mal wieder mein Leberstent verstopft und ich ins Krankenhaus „darf“, es dann einfach so ist wie es ist.

Richtig ist, dass sich mein Leben durch die Diagnose total verändert hat und eventuell verändern wird, es ist auch ein wachsender Prozess für mich und für meine Angehörigen. Auch ich musste lernen, mit den Veränderungen im positiven wie negativen Sinn umzugehen. Anfangs dachte ich, ohne Arbeit geht mein Leben gar nicht. Doch es geht, gut sogar. Dann kamen die finanziellen Einschränkungen und ich dachte wieder, dass geht gar nicht. Doch es funktioniert. Schließlich musste ich mich der Angst stellen und ich dachte anfangs, sie bestimmt mein Leben. Doch es kam anders und ich bestimme über meine Angst. Ich habe einen freien Willen und kann entscheiden, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, ob ich mich von der Krankheit beherrschen lasse oder ob ich mich dem Leben zuwende.

Nun möchte ich noch kurz auf JFs „Lebenskreis“ eingehen. Interessant und gut beschrieben. Doch ist es wirklich so, dass das ganze Leben ein großer Kampf ist?
Ich habe dazu eine weniger kämpferische Meinung. Für mich ist das Leben in vielen Dingen ein ganz natürlicher Vorgang, was manchmal anstrengend, schmerzhaft, traurig, wunderschön, ängstlich … ist. Es ist das Leben und dazu gehört auch der Tod.

Chili, du hast deinen Weg wunderbar beschrieben und ich finde gerade diese Aussage einfach schön und möchte mich ihr gerne anschließen:
Zitat:
„Ich wünsche jedem Betroffenen einen Ort an dem er sich genug sicher fühlt, auch einmal schwach zu sein, schwierige Gefühle und Gedanken ohne Scham und Hemmung zum Ausdruck bringen kann und danach gestärkt seinen Weg weiter gehen kann.“
Volker, dir ein herzliches Willkommen hier im Forum und du beschreibst es treffend:
Zitat:
„Wenn ich das aber so im Nachherein betrachte, dann war das nie ein Kampf ums Überleben - eher die Erkenntnis, dass es irgendwie weiterging.“
Und genau das wünsche ich allen, dass das Leben weitergeht und man gerade mit der Diagnose Krebs intensiv, bewusst und positiv lebt.

Allen noch einen wunderschönen sonnigen Herbstsonntag
Evelyn
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