Thema: Und nun?
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Alt 03.10.2005, 22:33
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard Und nun?

Hallo *in die Runde winke*

einige von euch haben bestimmt schon dies oder das von mir gelesen.
Ich bin 37 Jahre alt und habe vier Kinder im Alter von 17, 16, 11 und 8.
Die zwei älteren sind Mädchen, die zwei jüngeren Jungs.
Seit Anfang des Jahres kränkelte mein Mann vor sich hin und Mitte April wurde Lungenkrebs bei ihm festgestellt. Ca. zwei Monate lang hofften wir das der Tumor unter Bestrahlung und Chemo schrumpft damit er operiert werden kann. Leider ist er weiter gewachsen, Knochenmetastasen wurden gefunden, die Schmerzen waren schwer in den Griff zu bekommen und grausam.
Als endlich die richtige Schmerztherapie lief stand fest das der Tumor rasant weiter wuchs, mein Mann litt dann unter einem Pleuraerguß der Luftnot bereitete, alle zwei Tage punktiert werden musste. Der körperliche Verfall ging schnell trotz neuem Chemoversuch weiter. Erst sprachen die Ärzte von Heilung, kurz darauf von Zeit, dann von Wochen. Die Wochen waren Tage und mein Mann starb mit 47 knapp vier Monate nach der Diagnose zu Hause.
Wir wussten beide (die ganze Familie) das es bald zu Ende geht, sind so offen und ehrlich damit umgegangen das Aussenstehende manchmal direkt vor den Kopf gestossen waren. Wir haben in der kurzen Zeit Beziehung gelebt wie nie vorher gekannt und uns auch verabschiedet, so gut es eben ging.
Eine schwere, aber auch schöne Zeit. Zurück blieb das "Warum", die Trauer hielt sich in Grenzen, das grosse Loch blieb aus, sie war teilweise schon ausgelebt seit der Diagnose, wir haben es möglichst angenommen, so wie es war.

Und nun?
Alle glauben ich bin eine besonders tolle, tapfere, starke Frau.
Alle finden es prima wie ich meinen Mann begleitet habe, wie wir doch so offen waren. Alle leben ihr Leben weiter und gut ist.

Aber nichts ist gut. Ich bin seit acht Wochen Witwe und weiss nicht wer ich bin. Was soll ich hier? Wie soll ich noch mindestens 10 Jahre aushalten bis unser Jüngster erwachsen ist? Mir fehlt eine Hälfte meiner Selbst. Von was soll ich die Kinder ernähren? Ich habe keinen Berufsabschluss, bin seit 20 Jahren Hausfrau. Wie begleite ich die Pupertät meiner Söhne? Sie sollten doch einen Vater haben in dieser wichtigen Zeit. Mit wem soll ich reden? Kinder sind Kinder und Freunde sind auch nicht mein Mann, sondern Freunde.
Vor allem, welche Freunde? Ich habe bestimmt 50 Hände geschüttelt und ebenso viele Menschen umarmt bei der Trauerfeier, jeder steht mir bei und hilft mir, leider haben wohl alle meine Telefonnummer verloren. Melde ich mich ist jeder bei der Tagesordnung mit ach, so wichtigen Dingen.
Mein Schwiegervater starb acht Wochen vor meinem Mann, auch an Lungenkrebs. Die Familie ist mir auch keine Hilfe, trotz kleiner Ansätze, meist glänzt sie mit Abwesenheit.


Das Ausrichten der Trauerfeier, aller Papierkram, alle Entscheidungen, ich musste sie alleine treffen und erledigen.
10 Tage nach dem Tod meines Mannes hatten wir Hochzeitstag. Ich stand alleine am Grab.
Nach den Sommerferien wurde unser Sohn in eine neue Schule in die 5. Klasse aufgenommen. Ich begleitete ihn alleine zur Einschulungsfeier.
Wir (die Kids und ich) waren mit Liz und Willy auf dem St. Gotthard. Unsere Erinnerungen daran will niemand hören.
Die persönlichen Dinge meines Mannes, ich musste alleine räumen, sortieren und sehen was wohin soll, wer es bekommt. Ich habe bis heute seinen Geldbeutel nicht ausgeräumt.

Inzwischen weine ich immer mehr. Ich will meinen Mann zurück. Aber ich bin auch so traurig über die Menschen um mich herum. Sehen sie denn nicht was das LEBEN bedeutet? Welchen Schatz sie in der Hand haben und wie sie ihn vergeuden? Mich macht das nicht nur traurig, sondern auch wütend.

Wenn ich nur wüsste was ich möchte und wie es weiter gehen soll.
Ich kann und möchte doch nicht jeden Tag einfach hinter mich bringen und nur schauen, ob die Kinder gut versorgt sind.
Ich will alles aufeinmal und gleichzeitig nichts.

Aber ich bin ja tapfer und stark und mutig....
Warum sieht niemand genau hin? Wäre das unbequem?

Wie habe ich acht Wochen geschafft zu Leben ohne jeden Sinn dahinter zu sehen?

Es grüsst euch eine ziemlich gefrustete Susanne!

P.S. Ich weiss das es vielen von euch ähnlich geht, aber ich musste es mal in Worte fassen und zumindest aufschreiben, wenn mir schon niemand zu hört.
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